Thomas Müntzer
geboren um 1489 in Stolberg (Harz)
Universitätseinschreibung im Jahre 1506 in Leipzig
hingerichtet am 27. Mai 1525 bei Mühlhausen (Thür.)
Sein siebenjähriges Studium in Frankfurt an der Oder, 1506 - 1513, beendet "Thomas Muntcer Stolbergensis" als Magister der Freien Künste und Baccalaureus der Heiligen Schrift. Im gleichen Jahr fährt er nach Halle und wird hier Hilfslehrer an der Pfarrschule der Kirche St. Marien und Gertrauden. Aus der Heiligen Schrift liest er das Urchristentum heraus: Gerechtigkeit, Güte, Vergebung für alle und durch alle. Doch dass diese Dinge dem einfachen Menschen erst im Himmelreich, also nach dem Tode zugutekommen, davon hält Müntzer nichts und predigt dementsprechend.
Seine Art, die Bibel zu verstehen und zu lehren, findet sehr schnell Fürsprecher. Beim Volk. Der Magdeburger Erzbischof Ernst von Sachsen jedoch klagt Müntzer eines Verbündnisses gegen ihn an. - Die Klage wird nicht geprüft, Müntzer muss gehen.
Wo Müntzer in den nächsten Jahren auch hinkommt, immer nutzt er seine Möglichkeit als Vertreter der Kirche, den Armen zu helfen, dem einfachen Manne die eigene Stärke bewusst zu machen. So in Aschersleben (1515), Braunschweig (1518), Zwickau (1519), Prag (1521) und anderswo, in jeder Stadt, in der Müntzer lebt und arbeitet, klärt er das Volk über die Ursachen von Fron und Leibeigenschaft auf.
Man schreibt den Monat Februar 1519. Müntzer, aus Braunschweig kommend, war mit Philipp Melanchton, dem führenden Ideologen der Reformation, zusammengetroffen. Der versprach ihm eine Zusammenkunft mit Dr. Martinus Luther, der hier in Wittenberg an der Schlosskirche predigt.
Beide Männer begegnen sich - und finden Gefallen aneinander. Müntzer schließt sich sofort der lutherischen Reformbewegung an. Endlich hat er einen gleichwertigen Bündnispartner gefunden, denkt er, und setzt praktisch um, was Luther theoretisch vorgearbeitet hat.
"Ich bitte dich, nach Jüterbog zu gehen", sagt der kräftige Bauernsohn Luther zu Müntzer. "Dort braucht Franz Günther, ein Freund und Geistesgesell, unseren Beistand."
Am 24. April 1519 hält Müntzer, der fähige Agitator und bissige Kanzelredner, seine Antrittspredigt zu Jüterbog. Er predigt weitaus schärfer gegen die alte Kirchenliturgie als Luther ... Und wieder zieht der mächtige katholische Klerus gegen Müntzer zu Felde. Diesmal in Gestalt eines Franziskanermönches, der ihn beim Brandenburger Bischof der Ketzerei bezichtigt. Mitte Mai tritt zwar Luther in einer scharfen Erwiderung für Müntzer ein, aber dessen Vertreibung aus Jüterbog kann er nicht verhindern.
10. Mai 1520. Müntzer trifft - auf Empfehlung Luthers - in Zwickau ein. Auch hier soll er der Reformation gegen der Franziskaner-Klüngel zum Siege verhelfen ... Hier in Zwickau lernt Müntzer das Leben der armen Tuchknappen kennen und er begreift: Nicht das Wort Gottes ist das wichtigste im Leben dieser Menschen. Das wichtigste ist, die christliche Lehre der Nächstenliebe nicht nur zu predigen, sondern auch danach zu leben.
Hier in Zwickau vollzieht sich die geistige Trennung zu Luther, der über dieses Problem Zeit seines Lebens nur theoretisierte. Von da an gibt es für Müntzer keinen Beistand mehr vom "Knecht des toten Bibelwortes", wie e Luther in einem offenen Brief später einmal nennt.
Im März 1522 kommt Thomas Müntzer nach Nordhausen. Luther hat die dortigen Honoratioren bereits schriftlich vor dem "Anstifter" gewarnt. Müntzer soll hier eine Pfarrstelle antreten. Luther will dies verhindern und schickt Lorenz Süße, einen seiner getreuen Gehilfen, nach Nordhausen ... Daraufhin begibt sich Müntzer nach Wittenberg, um sich friedlich mit Luther zu einigen. Er will seinen Standpunkt darlegen, will Luther erklären, dass alles, was ein Prediger tut, er für das Volk tun muss. - Luther lehnt eine Einigung ab. - Und auch die letzte Begegnung beider im Dezember 1522 endet anders, als der spätere Bauernführer es erwartet hatte. Nach Luthers eigenen Aussagen endete dieses Zusammentreffen mit Tätlichkeiten. Zu tief, zu persönlich war der Hass des Reformators gegen seinen früheren Bundesgenossen, der alles so meinte, wie er es sagte, der immer eine politische Entwicklung im Sinne hatte.
Ostern 1523. Allstedt bei Sangerhausen. Müntzer hält seine Antrittspredigt in der Kirche St. Johannis. Schon bei seiner ersten Predigt reformiert er die Gottesdienstordnung. Noch vor Luther setzt er die Eindeutschung der Liturgie in Allstedt durch. Der Zulauf zu Müntzers Predigten ist so groß, dass der katholische Graf Ernst von Mansfeld - später Müntzers erbittertster Gegner - seinen Untertanen den Besuch dieser Predigten verbietet.
Müntzer findet geeignete Gegenmaßnahmen, er gründet seine eigene Druckerei und macht sich dadurch unabhängig von den durch Luther und dem Adel kontrollierten Offizieren in Leipzig und Eilenburg. Er will Allstedt zu einem Gegen-Wittenberg gestalten.
1523 heiratet Müntzer Ottilie von Gersen, eine Angehörige des niederen Adels, die einem Kloster entlaufen war. Ottilie ist bis zu Müntzers Hinrichtung eine treue Kampfgefährtin mit Ideen und großem Engagement.
Im Frühjahr 1524 gründet Müntzer das berühmte "Allstedter Verbündnis", ist aber aus Gründen der Geheimhaltung selbst bei der Gründungsversammlung nicht dabei. Der Kernsatz des Bundes lautet: "Omnia sont communia"! - Alles soll allen gleich sein. Nur wenig später veranlasst Müntzer die Zerstörung der katholischen Wallfahrtskirche Mallerbach. Als daraufhin der Druck des Adels gegen das Allstedter Verbündnis zu stark wird, öffnet Müntzer den Geheimbund auch allen, die gegen die herrschende Ordnung etwas unternehmen wollen. Sofort stoßen 500 Bergknappen hinzu und bilden den militärischen Grundstock des Bündnisses. Die Frauen Allstedts unter Führung Ottilies beginnen sich zu bewaffnen. In der Zeit wendet sich Luther öffentlich in einem "Brief an die Fürsten zu Sachsen" "wider den aufrührerischen Geist zu Allstedt". Im Juli 1524 zwingt Müntzer mit repressiven Mitteln die Einwohner und den Rat von Allstedt zum Eintritt in den Bund. Gegen Widerstrebende lässt der Prediger den "weltlichen Bann" verhängen - Ehrlosigkeit, Vermögensentzug, Ausweisung. Einen Monat später wird Müntzer von Ratsleuten und Amtsleuten Allstedts verraten. Er flieht in der Nacht vom 7. zum 8. August über die Stadtmauer unmittelbar vor seiner Verhaftung durch den Adel. Sein Versuch, ein "Gegenwittenberg" zu schaffen, ist gescheitert, doch er gibt nicht auf
Im Februar 1525 wird Müntzer als Pfarrer an der Obermarktkirche St. Marien, der größten Kirche in Mühlhausen, angestellt. (Mühlhausen gehörte im 16. Jahrhundert zu den zehn größten Reichsstädten und hatte bis zu 20.000 Einwohner).
Am 17. April des Jahres pflanzt er hinter dem Altar die Regenbogenfahne als Zeichen des "Ewigen Bundes Gottes" auf, als Signal zur Sammlung aller revolutionären Kräfte. Er, der Mann des Friedens, muss die militärische Führung der Bauern übernehmen.
Am 28. April formiert sich der "Schwarze Haufen", der den Bauernkrieg in Nordthüringen eröffnet. Am 11. Mai zieht Müntzer mit kleinem, schlecht bewaffnetem Anhang von Mühlhausen nach Frankenhausen. Von Frankenhausen aus schreibt er in einem offenen Brief an den Grafen Ernst von Mansfeld. Er nennt dieses Schreiben "Sendebrief zur Bekehrung Bruder Ernstes zu Heldrungen". In ihm schreibt er, unter anderem: "Sag an, du elender, dürftiger Madensack, wer hat dich zu einem Fürsten des Volkes gemacht, welches Gott mit seinem teuren Blute erworben hat? Du musst und sollst beweisen, ob du ein Christ bist ... Du sollst verfolgt und ausgerottet werden: ... Sei es Gott immer geklagt, dass die Welt deine grobe büffelwütige Tyrannei nicht eher erkannt. Wie hast du doch solchen merklichen unersättlichen Schaden getan?..."
Drei Tage darauf entbrennt die Entscheidungsschlacht auf dem Berg zu Frankenhausen. Die Bauern unter Müntzers Führung werden geschlagen. Über 6000 sind tot. Müntzer flieht und kann sich im Torhaus zu Frankenhausen verbergen, legt sich mit einer groben Kopfverletzung in ein Bett ... Briefe, von denen er sich nicht trennen kann - die Briefe Luthers und Ernst von Mansfelds und andere, verraten ihn bei einer Haussuchung als Müntzer. Er wird seinem ärgsten Feind, dem Grafen Ernst von Mansfeld, übergeben. Der flohlockt, kann er doch nun Rache an diesem unbeugsamen Manne nehmen.
Am 16. Mai ist das erste Verhör. Es dauert mehr als sechs Stunden. Müntzer bleibt standhaft. Luther, der von Wittenberg aus die Vorfälle in Heldrungen beobachtet, sieht darin "eine teuflische, verharrte Verstockung" Müntzers.
Als dessen Peiniger ihm Namen von Verbündeten abquälen wollen, kommen über seine Lippen nur jene, deren Träger er in Frankenhausen hatte fallen sehen. Zehn Tage nach der ersten Folter wird der elend gemarterte Müntzer in das fürstliche Feldlager bei Görmar vor Mühlhausen gebracht. Einen Tag später ist die öffentliche Hinrichtung Müntzers, Pfeiffers und anderer Führer des Bauernkrieges.
Müntzer nutzt auch noch seine letzten Lebensminuten, um die versammelten Fürsten mit dem Hinweis auf die Bibel zu ermahnen, sich wahrhaft christlich zu verhalten und künftig mit ihren Untertanen barmherzig umzugehen. Die Fürsten lachen ihn aus.
Die Köpfe beider Bauernführer werden aufgespießt und öffentlich zur Schau gestellt, die Körper verscharrt.
(Der Autor dankt den Mitarbeitern in der Gedenkstätte "Deutscher Bauernkrieg" in Mühlhausen sowie dem Liedermacher und Schriftsteller Reinhold Andert für die große Hilfe und Unterstützung bei der Erarbeitung des Beitrags.)
Artikel aus "neues leben" 3/85