Thomas Müntzer
geboren um 1489 in Stolberg (Harz)
Universitätseinschreibung im Jahre 1506 in Leipzig
hingerichtet am 27. Mai 1525 bei Mühlhausen (Thür.)
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts besteht die Bevölkerung zu 80 Prozent aus Bauern, zu drei Prozent aus Adel, der Rest der Bevölkerung sind Städter. Die größte Bevölkerungsgruppe muss die Last des Staates tragen. Die Bauern finanzieren mit ihren Abgaben den Adel und die Geistlichkeit, sind aber gleichzeitig politisch völlig bedeutungslos.
Zu dieser Zeit verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation. Nach 1450 erholt sich die Bevölkerung von der großen Pest, das heißt, die Bevölkerungszahl wächst. Da es aber nicht mehr als vorher zu verteilen gibt, werden die Leute ärmer. Missernten verschärfen noch die Lage.
Nutznießer sind die Herren, die weiterhin die hohen Abgaben von den Bauern verlangen.
Durch die hohen Abgaben und Dienste, zu denen die Bauern verpflichtet sind, bleibt ihnen immer weniger zum Leben übrig.
Eine ganz perfide Abgabe ist die "Abgabe im Todesfall". Hier sind die Angehörigen beim Tod des Bauern verpflichtet, das beste Gewand und das beste Stück Vieh an den Herrn abzugeben. Diese Belastung allein kann schon eine bäuerliche Existenz zerstören. Viele Bauern leben in Leibeigenschaft.
Das hat zur Folge, dass sie den Wohnsitz nur mit Erlaubnis des Herrn wechseln dürfen, sie dürfen auch nicht einfach heiraten, wen sie wollen.
Im Gerichtswesen ziehen die Bauern ebenfalls den Kürzeren, sie finden bei Gericht kein Gehör. Und ihre Gemeinde dürfen sie auch nicht selbst verwalten.
Im Jahre 1520 erscheint die Schrift Martin Luthers "Von der Freyheith eines Christenmenschen". Die Bauern fühlen sich unterstützt in ihrem Ansinnen, sich von der Leibeigenschaft zu befreien.
"Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan", so ist in Luthers Schrift zu lesen, tragischerweise hat er seine These aber nicht auf das Diesseits bezogen.
Luther ist der Meinung, dass weltliche Forderungen nicht mit der Bibel begründet werden dürfen. Er sieht die Missstände, aber trotzdem sollen die Bauern der Obrigkeit gehorchen.
Luther bezieht seine Thesen auf das Leben im Jenseits, er meint mit Freiheit die Freiheit des Menschen, der von seinen Sünden erlöst wird. Er meint nicht die Befreiung von der Obrigkeit.
Anders sieht das der Reformator Ulrich Zwingli. Die Bibel ist für ihn die Grundlage für ein christliches Leben auf Erden und im Jenseits. Er sieht die Obrigkeit zwar von Gott eingesetzt, aber dennoch an die Vorschriften der Bibel gebunden. Verstößt sie gegen die Regeln, haben die Menschen durchaus das Recht, die Obrigkeit abzusetzen.
Dieses Denken kommt mehr aus der schweizerischen Tradition und Zwingli hat die Bauern in Süddeutschland sehr beeinflusst.
Da das geltende Recht für die Bauern unwirksam ist, beziehen sich die Bauern auf das "göttliche Recht" – ein vollkommen neuer Ansatz. Hier wird die Bibel zum Rechtsbuch.
Gott ist der Inbegriff von Weisheit, Wahrheit und Gerechtigkeit. Durch die Bibel spricht Gott unmittelbar mit den Menschen, sagt uns, nach welchen Regeln wir leben sollen. Die Bibel, das "göttliche Recht", wird zur Grundlage für die richtige Einordnung der Welt.
Im März 1525 treffen sich Vertretungen von Bauernschaften aus dem Allgäu, Oberschwaben und dem Bodenseeraum in Memmingen. Die Freie Reichsstadt gilt als Hochburg der Reformation.
Die Vertreter der Bauernschaft wollen das "göttliche Recht" einführen. Sie fassen ihre Beschwerden in zwölf Artikeln zusammen, die sie mit der Obrigkeit verhandeln wollen. Ein Verfasser ist der Theologe Christoph Schappeler, ein Schüler Zwinglis.
Ein zentraler Punkt der "Zwölf Artikel" ist natürlich die Aufhebung der Leibeigenschaft. Die Bauern wollen aber auch ihren Pfarrer frei wählen dürfen, um sicher zu sein, dass er auch wirklich ihre Interessen vertritt.
Sie fordern bessere Lebensbedingungen, indem sie das Recht auf Jagd und Fischfang erlangen, sie möchten an der Abholzung der Wälder teilhaben, und die Frondienste an die Herren sollen reduziert werden.
Die Herren reagieren mit Unverständnis und Ironie. Im Bewusstsein ihrer Stärke ziehen sie sich auf das alte Recht zurück und zeigen sich nicht im Geringsten kompromissbereit.
Die Verhärtung der Fronten macht eine gewaltsame Auseinandersetzung unausweichlich. Der militärische Feldzug beginnt.
Die Bauern organisieren sich in sogenannten "Haufen": Der Begriff "Haufe" kommt aus dem Militär. Es handelt sich um eine Einheit mit klaren Regeln, auch da gibt es unterschiedliche Dienstgrade wie Oberst oder Fähnrich. Jeder Haufe hat auch seine Fahne.
Zuerst ziehen die Haufen der Bauern durch das Land. Sie plündern zu Versorgungszwecken Klöster und stürmen Burgen; es gibt aber zunächst keine Gewalt gegen Personen. Das ändert sich am 16. April 1525.
An diesem Tag töten aufständische Bauern in Weinsberg den Grafen Ludwig von Helfenstein und seine Begleiter vor den Toren der Stadt. Inzwischen haben die Herren gerüstet. Auf der einen Seite stehen die Heere der Landesfürsten und das Heer des Schwäbischen Bundes unter der Führung von Truchsess Georg von Waldburg.
Auf der anderen Seite stehen die Haufen der Bauern. Bei Leipheim kommt es zur ersten Schlacht, in der der Leipheimer Haufen besiegt wird. Die Stadt Leipheim muss ein Strafgeld zahlen und die Führer des Haufens werden hingerichtet.
Der Bauernkrieg beginnt am Hochrhein, zieht sich nach Oberschwaben und Franken, erreicht dann den Schwarzwald und das Elsass. Die Kämpfe setzen sich im Rheingau und in Thüringen fort, zum Schluss erreichen sie die Alpenländer.
In Frankenhausen kommt es am 14. Mai 1525 zu einer der bedeutendsten Schlachten während des Bauernkrieges. Hier werden die Aufständischen unter Thomas Müntzer durch ein Fürstenheer vollständig besiegt.
Ein Charakteristikum dieses Krieges ist seine Ungleichzeitigkeit. In manchen Regionen ist der Bauernkrieg schon beendet, während er woanders erst beginnt.
Ein Beispiel: Die Schlacht von Böblingen findet am 12. Mai statt, aber erst am 24. Mai wird Freiburg gezwungen, den Bauern beizutreten. Diese Ungleichzeitigkeit ist eine der Ursachen für die Niederlage der Bauern. Die Herren können nacheinander die Bauernhaufen angreifen und besiegen.
Die Unterlegenheit der Bauern hat aber auch noch andere Gründe. Sie sind nicht erfahren im Kampf, sie sind den Rittern auch in ihrer Ausrüstung hoffnungslos unterlegen. Mit umgearbeiteten Arbeitsgeräten ziehen sie in den Krieg. Dreschflegel und Sauspieße gegen Rüstungen, Schwerter und Kanonen - das kann nicht gutgehen.
Zwar gelingt es den Bauern, immer mal wieder Kanonen zu erobern, sie können sie aber nicht wirklich bedienen. Das Berechnen der Flugbahn einer Kanonenkugel will eben gelernt sein.
Die Bauern sind aber auch schlechter organisiert, sie sind uneins in ihren Zielen, es fehlt an einer übergeordneten Leitung. Dazu kommt, dass die unterschiedliche Sichtweise der Reformatoren die Bauern verunsichert. Luther gegen Zwingli, welcher Weg ist der Richtige? Alles in allem zu wenig Stärke, um den professionellen Heeren der Obrigkeit ebenbürtig zu sein.
Die ersten Reaktionen der Herren sind fürchterlich. Viele Bauern werden hingerichtet oder verstümmelt. Sie müssen ihre Waffen abgeben und werden zu Schadenersatz verpflichtet. Etwa 70.000 Bauern verlieren während des Bauernkriegs ihr Leben.
Weil die Herren aber auch Angst vor neuerlichen Aufständen haben, erfahren die Bauern in einigen Regionen nicht nur Repressionen. So kommen die Herren im sogenannten "Renchener Vertrag" in der Ortenau den Bauern entgegen. Dort wird die Leibeigenschaft aufgehoben, die Heiratsfreiheit wird möglich gemacht und die Todfallabgabe wird abgeschafft.
Die Forderungen der "Zwölf Artikel" werden, etwas gemildert, umgesetzt. So ist der Krieg nicht ganz vergeblich. Bis zur ihrer endgültigen Befreiung müssen die Bauern aber noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts warten. Erst 1807 wird unter Napoleon die Leibeigenschaft in Preußen abgeschafft.
Autor: Horst Basting