zum Gedenken

Thomas Müntzer

geboren um 1489 in Stolberg (Harz)
Universitätseinschreibung im Jahre 1506 in Leipzig
hingerichtet am 27. Mai 1525 bei Mühlhausen (Thür.)

Zur Person Thomas Müntzer war eine denkwürdige Persönlichkeit – ein umtriebiger Seelsorger und eigenwilliger Theologe, der sich in den großen Bewegungen seiner Zeit engagierte. Seine Predigten zogen viele Menschen an, aber er wurde wiederholt vertrieben, und er blieb umstritten bis in unsere Zeit. Nach der Verteufelung und Instrumentalisierung ebnete erst im 20. Jh. die Forschung allmählich den Weg zu einem versachlichten Müntzerbild.

Um 1490 in Stolberg am Harz geboren, studierte er in Leipzig und Frankfurt/ Oder und vielleicht auch in Wittenberg. Nach der Priesterweihe in der Diözese Halberstadt 1514 stand er in mehreren Orten zwischen Braunschweig und Jüterbog in Kirchen- und Schuldienst, seit 1520 dann in Zwickau. Als er dort wegen eines angeblich angestifteten Aufruhrs entlassen wurde, wollte er von Prag aus eine Reformation der ganzen Christenheit anstoßen. Doch ein Echo blieb aus. Nun verstand er sich als „williger Botenläufer Gottes“, bis er Ostern 1523 im kursächsischen Allstedt als Prediger angenommen wurde, seine Vorstellung von der Reformation – in kritischer Distanz zu Martin Luther – verbreitete und im Gottesdienst praktizierte.

Als die sächsischen Fürsten seine Tätigkeit beschränkten, verließ er im August 1524 Allstedt und hielt sich bis Oktober in Mühlhausen auf. Hier ausgewiesen, reiste er über Nürnberg und Basel in den südlichen Schwarzwald, wo inzwischen der Bauernkrieg begonnen hatte. Im Februar 1525 nach Mühlhausen zurückgekehrt, sah er in den aufständischen Bauern die Werkzeuge Gottes, die nun „die Veränderung der Welt“ herbeiführen sollten. Mit einem Mühlhäuser Aufgebot zog Müntzer nach Frankenhausen. Doch die Aufständischen unterlagen am 15. Mai 1525 den Fürstenheeren. Müntzer wurde gefangen genommen, in Heldrungen verhört und am 27. Mai bei Mühlhausen hingerichtet.

Müntzer verstand sich als von Gott gesandter Prophet und die Reformation und den Bauernkrieg als „Zeit der Ernte“, in der sich apokalyptische Erwartungen erfüllten. Die Menschen in die „Ordnung Gottes“ zurückzuführen, von der sie abgefallen seien, schloß eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft ein. Auf lange Sicht bedienten sich kirchen- und gesellschaftskritische Bewegungen seiner Argumente.

Prof. Dr. Günter Vogler


Neuer Lexikonartikel

Müntzer, Thomas, geb. um 1489 in Stolberg am Harz, hingerichtet am 27. Mai 1525 bei Mühlhausen (Thür.), Deutschland; Prediger und führend beteiligt am Bauernkrieg 1525.

Herkunft, Bildung, vorreformatorisches Wirken

Wie Martin Luther stammt auch Thomas Müntzer aus einer Harzgrafschaft, die von der Montanwirtschaft geprägt war. Die bisher in Stolberg seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesenen Namensträger gehörten überwiegend zur städtischen Oberschicht und standen in beruflicher Beziehung zum Grafenhaus. Die Eltern Müntzers sind bislang nicht identifiziert, und ein Einfluss des sozialen Umfelds auf seine Entwicklung ist nicht zu erkennen. Seine Schulbildung erhielt er vermutlich in Quedlinburg, denn er wurde zu Beginn des Wintersemesters 1506/07 als "Thomas Munczer de Quedilburck" an der Leipziger Universität eingeschrieben. An der Universität in Frankfurt a. d. Oder ist er zu Beginn des Wintersemesters 1512/13 als "Thomas Müntczer Stolbergensis" eingetragen.

Über Dauer und Inhalt seines Studiums ist genauso wenig bekannt wie über Kontakte zu Lehrern und Kommilitonen. Auch über seine Graduierung als Magister artium (erstmals erwähnt 1515) und Baccalaureus biblicus (erstmals erwähnt 1521) existiert kein universitärer Nachweis. Wahrscheinlich hat er zwischen den Studienaufenthalten den üblichen Plattformberuf eines Lateinschullehrers in Aschersleben und Halle ausgeübt. Nach seiner Weihe als Priester der Diözese Halberstadt präsentierte ihn der Braunschweiger Altstadtrat am 6. Mai 1514 für ein gering dotiertes Altarlehen an der Michaeliskirche. 1515/16 wurde er Präfekt des Kanonissenstifts Frose bei Aschersleben. Hier hatte er sich um die wenigen Stiftsgeistlichen zu kümmern. Nebenher unterrichtete er Bürgersöhne aus dem Braunschweiger Bekanntenkreis. Als 1517 die Ablassproblematik durch die Aktivitäten Johann Tetzels auch in Braunschweig diskutiert wurde, hat Müntzer noch vor Luther dazu kritisch Stellung genommen. Ob er daraufhin Braunschweig verlassen musste und sich nach Wittenberg begab, um sich Klarheit über den Ablass zu verschaffen, ist nicht gesichert.

Konsequenter Mitstreiter der Wittenberger Reformatoren

Seinen Wittenbergaufenthalt zwischen 1517 und 1519 mit mehrmaliger Unterbrechung (Reise nach Franken) nutzte er für humanistische und theologische Studien, schloss sich der frühreformatorischen Bewegung an und trat in Kontakt mit deren Repräsentanten. Ostern 1519 vertrat er den Prediger Franz Günther in Jüterbog, der mit den ortsansässigen Franziskanern in Konflikt geraten war. Müntzers engagierte frühreformatorische Kirchenkritik verschärfte den Konflikt, der zum Vorfeld der Leipziger Disputation gehörte und in dem er den Beistand Luthers erhielt.

Auf Empfehlung Luthers trat Müntzer im Mai 1520 eine längere Predigtvertretung für den reformhumanistischen Johann Egranus an St. Marien in dem wichtigen Wirtschafts- und Bildungszentrum Zwickau an und verstand diese Vertretung als Berufung zur konsequenten reformatorischen Verkündigung.

Bereits seine erste Predigt löste einen Konflikt mit den einflussreichen Franziskanern aus, der mit Hilfe des Rates und des kurfürstlichen Amtmanns beigelegt wurde. Nach Egrans Rückkehr erhielt Müntzer die freie Predigerstelle an der zweiten Stadtkirche St. Katharinen. Wesentliche soziale Unterschiede existierten zwischen beiden Pfarrsprengeln nicht. Im Gegensatz zu Egrans erasmischer Auffassung von Reformation verkündigte Müntzer eine an der Apostelzeit orientierte und unter der Wirkung des Heiligen Geistes erlebbare Glaubensgewissheit. Geführt von dem Tuchmacher Nikolaus Storch sammelte sich um ihn ein Laienkreis mit einer Art reformatorischer Erweckungsfrömmigkeit, mit Kritik an der Kindertaufe und mit apokalyptischen Erwartungen. Egran und seine Predigthörer vertraten dagegen ein eher traditionell ausgerichtetes Reformchristentum.

Am 16. April 1521 wurde Müntzer vom Rat entlassen.

Für eine Gemeinde der Auserwählten angesichts des nahenden Gerichts

Noch Ostern 1523 konnte er die Pfarrstelle an der Neustadtkirche in der kursächsischen Enklave Allstedt übernehmen und die anstehende Neuordnung des Gottesdienstes sogleich in Angriff nehmen. Er übersetzte Ordnungen einer deutschen Messe aus dem Lateinischen Messbuch und aus den Stundengebeten Ordnungen eines deutschen Wochengottesdienstes, jeweils für fünf Kirchenjahreszeiten.

Diese ersten vollständigen deutschen, schon praktizierten Gottesdienstordnungen hat er vermutlich noch im selben Jahr für den Druck bei Nikolaus Wiedemar in Eilenburg vorbereitet. Er fasste in Allstedt schnell Fuß, heiratete die ehemalige Nonne Ottilie von Gersen und betrieb den Umbau der Allstedter Neustadtkirche zu einer Gemeinde der Auserwählten.

Die erneute Kontaktaufnahme zu Luther misslang, die zu Andreas Karlstadt kam zustande. Bald schon übten seine Gottesdienste eine große Anziehungskraft auf die ganze Region aus. Sie beunruhigten die antireformatorischen Obrigkeiten, vor allem als die Erneuerung des Wormser Mandats durch das Reichsregiment den sächsischen Fürsten im Mai 1523 zugegangen war.

Im September 1523 kam es zum offenen Konflikt mit Graf Ernst von Mansfeld auf Heldrungen, nachdem dieser seinen Untertanen mehrfach den Besuch der "ketzerischen" Gottesdienste in Allstedt verboten und Müntzer ihn darauf hin zum Feind des Evangeliums erklärt hatte. Als der Kurfürst eingeschaltet wurde, rechtfertigte sich Müntzer mit dem Hinweis auf seinen Predigtauftrag durch Gott und die Schutzpflicht der Fürsten, deren Amt durch das Gottesgericht befristet sei.

Als Verteidigung der Gottesdienstreform erschien bei Wiedemar seine Ordnung "vnd berechnunge des Teutschen ampts zu Allstadt" (1523), eine Erläuterung seiner Ordnung der Messe, der Taufe, Trauung, des Krankenabendmahls und der Bestattung. Müntzer hat in Allstedt an der Kindertaufe festgehalten, aber den Paten ihre Verantwortung für die Glaubenserziehung der Heranwachsenden eingeschärft.

Im Frühjahr 1524 schalteten sich die ernestinischen Landesherren erneut ein, als Anhänger Müntzers die nahe gelegene Mallerbacher Feldkapelle des Klosters Naundorf niedergebrannt hatten und die Äbtissin die Bestrafung der Täter forderte. Lange konnten der Allstedter Rat und der Schosser Hans Zeiß eine Untersuchung hinauszögern. Erst im Juni wurde auf Druck von Herzog Johann ein Ratsmitglied verhaftet. Auswärtige Gottesdienstbesucher waren zunehmend Repressalien durch die Obrigkeiten ausgesetzt und selbst nach Allstedt Geflohene mussten mit ihrer Auslieferung rechnen. Die Allstedter wollten sich gegen Eingriffe von außen zur Wehr setzen. Müntzer bemühte sich, die drohende Eskalation durch einen Versuch zu verhindern, die Landesherren für den Schutz der Auserwählten zu gewinnen.

Hoffnung auf die Aufständischen als Werkzeug des göttlichen Gerichts

Nach seiner Ausweisung aus Mühlhausen sind Müntzers Spuren erst wieder in Nürnberg zu erkennen. Der durch Hans Hut vermittelte Druck der überarbeiteten Allstedter Schrift "Außgetrückte emplössung des falschen Glaubens der ungetrewen welt" (1524) im Oktober in Nürnberg wurden durch den Rat beschlagnahmt und die im Dezember von ihm selbst in den Druck gegebene Abrechnung mit Luther, die "Hoch verursachte Schutzrede und antwort wider das Gaistloße Sanfftlebende fleysch zu Wittenberg" (1524) ebenfalls.

Weder in Nürnberg noch bei seinem nachfolgenden Zusammentreffen mit dem Basler Reformator Oekolampad trat Müntzer öffentlich auf. Für die bäuerliche Aufstandsbewegung im Klettgau hat Müntzer eventuell "Artigkel, wye man herschen" soll verfasst. Vermutlich sah er im aufständischen Volk das nunmehr berufene Werkzeug für das Gottesgericht, nachdem sich die geordneten Obrigkeiten geweigert hatten, diese Aufgabe zu übernehmen. Im Februar 1525 kehrte er nach Mühlhausen zurück, übernahm das Pfarramt an der Marienkirche und trieb den Aufbau einer Gemeinde der Auserwählten vor dem nahen Gottesgericht weiter voran. Nach der Vorgabe der Elf Artikel wurde ein neuer, ein "ewiger" Rat gewählt.

Reformatorische Theologie mit eigenen Akzenten

Der theologische Rahmen seines Sendungsbewusstseins ist nicht eindeutig zu bestimmen. Als akademisch gebildeter reformatorischer Theologe achtete er die altkirchliche Bekenntnistradition (Trinitätslehre), setzte aber eigene Akzente. Im Zentrum seiner Verkündigung stand die Aufgabe, den "gedichteten" Glauben zu entlarven, auf dem unverzichtbaren, leidgeprägten Weg eines jeden Menschen zum wahren Glauben in der Nachfolge Christi zu bestehen, das göttliche Gericht anzukündigen und dazu beizutragen, die ursprüngliche Ordnung Gottes mit der unmittelbaren Herrschaft Gottes über die Menschen und der Menschen über die Kreaturen wiederherzustellen.

Wirkungen

Mit seinem Einfluss auf die Geschichte des protestantischen Gottesdienstes, auf die Frömmigkeit der Christusnachfolge und auf die Ausbildung der Obrigkeitskritik und Widerstandslehre ist Thomas Müntzer eine gesamthistorische Bedeutung zuzusprechen.


gekürzt aus Thomas-Müntzer-Gesellschaft e.V.


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 04.04.2023 - 18:54