Kinder der Reformation
Wer die Lutheriden sind
Wie die eigenen Vorfahren gelebt haben, das weiß kaum jemand von uns. Drei, vier Generationen kann man sich vielleicht noch zurückerinnern, danach wird es schwierig. Anders ist es bei Christian Priesmeier aus Hameln. Er kennt die Namen und Berufe seiner Vorfahren der vergangenen 500 Jahre. Denn er stammt von Marin Luther ab.
Von Christian Röther"In der Schule war das immer ein großes Unverständnis. Wenn ich gesagt habe, ich bin Nachfahre von Martin Luther, dann haben die Kinder oder auch die Lehrer es oft nicht geglaubt und dann musste ich halt mein Ahnenbuch, was ich damals hatte, wo ich nicht selbst drin stand, sondern meine Mutter nur, halt mitbringen und hab's dann präsentiert und hab dann gezeigt: Guck! Das stimmt wirklich, hier steht es geschrieben! Es ist aber immer noch so ein bisschen skeptisch dann aufgenommen worden."
In der neusten Ausgabe des Ahnenbuches steht jetzt auch der Name von Christian Priesmeier. Er holt es aus seinem Bücherregal zwischen zahlreichen Werken über Martin Luther hervor. Herausgegeben wird das Ahnenbuch von den Lutheriden. In diesem Verein haben sich etwa 180 Nachkommen Luthers zusammengeschlossen. Sie müssen nicht evangelisch sein, sollen aber zumindest einer christlichen Gemeinschaft angehören. Seit einem Jahr ist Christian Priesmeier Vorsitzender der Lutheriden. Ihr Ziel ist es, den "Geist und Sinn" Martin Luthers zu erhalten.
"Was Luther ausmacht, was Luther gesagt hat, wofür Luther gestanden hat. Das versuchen wir halt zu erklären. Das verstehe ich unter Geist und Sinn Luthers in der Öffentlichkeit und in der Familie - zu verkündigen, kann man schon fast sagen."
Wenn Christian Priesmeier "Familie" sagt, dann meint er nicht nur seine Frau, seine drei Kinder und seine fünf Enkel, sondern die Großfamilie Luther. Von den 5.000 Nachkommen heißt heute allerdings niemand mehr Luther. Die männliche Linie ist im 18. Jahrhundert ausgestorben. Priesmeier hat Luthers Stammbaum genau studiert und ihm ist aufgefallen: Der Reformator hat tatsächlich besonders viele Theologen hervorgebracht - und Kaufleute.
"Bei mir in der Familienlinie ist es so, dass wir mehr Kaufleute in der Familie hatten als Theologen. Ich selber bin ja auch aus der kaufmännischen Zunft vorgetreten und habe dann in späteren Jahren erst das Theologische nachgeholt."
Christian Priesmeier lebt in der "Rattenfängerstadt" Hameln. Er ist 50 Jahre alt, trägt einen Vollbart und ein auffälliges Holzkreuz um den Hals. Er arbeitet für eine IT-Firma, aber ist auch Prädikant, ein evangelischer Laienprediger. Als solcher hält er einen Gottesdienst im Monat, manchmal auch mehrere. In seinem Büro im Dachgeschoss seines Wohnhauses steht auch ein Mikrofon. Das hat Priesmeier an einen seiner drei Computer angeschlossen. In einem Lokalsender hält er regelmäßig Radioandachten. Außerdem studiert er Interkulturelle Theologie und ist Mitglied im evangelischen Kloster Amelungsborn.
"Kloster ist für mich eine spirituelle Heimat. Etwas, was ich in Gemeinde nie gefunden habe und das habe ich halt in der klösterlichen Umgebung in der Bruderschaft gefunden."
Bruder Priesmeier geht also den umgekehrten Weg wie sein berühmter Vorfahre Martin Luther. Der kam als junger Mann ins Kloster und trat später wieder aus. Christian Priesmeier kam als Spätberufener ins Kloster und verbringt dort nun ein Wochenende im Monat. Einen Widerspruch zu den Lehren Martin Luthers sieht er darin nicht. Dennoch würde Priesmeier mit dem Reformator ein paar Dinge diskutieren, wenn er könnte.
"Wenn ich ihn heute mal zu Gesicht kriegen würde, würde ich sicherlich die heutige römische Kirche mit ihm diskutieren zu dem, wie er sie empfunden hat. Ich denke mal, dass sich die Kirche selber gewandelt hat. Ich denke, es wäre ganz interessant, wenn man heute mal Papst Franziskus mit Luther zusammentun würde. Die beiden würden unwahrscheinlich viele Dinge zusammen bewirken können bzw. ich denke mal, dass sie auf einer sehr guten gleichen Basis sein würden."
Als Lutheride und evangelischer Christ ist Christian Priesmeier nicht nur in seiner Heimat Hameln aktiv, sondern auch in den USA.
Christian Röther: "Ich stelle mir das so vor: Also erst mal natürlich sind die Kirchen voll in den USA. Dann ist da der Gottesdienst und dann wird der special guest angekündigt und Sie haben da so einen kleinen Star-Auftritt. Ist das so korrekt oder ist das meine Hollywood-Fantasie?"
Christian Priesmeier: "Nein, das trifft das Ganze schon relativ genau. Wenn man dann sagt, ich bin direkter Nachfahre von Martin Luther, dann wird man irgendwie so gleich zwei Stufen höher gestellt, auch wenn man eigentlich das gar nicht will."
Der ganze Artikel vom 07.09.2016 im DLF sehen sie hier