Hitlers blaublütige Helfer
Der Adel hat bereitwillig zum Aufstieg Hitlers beigetragen. Er nutzte seine politischen und familiären Kontakte, um dem Diktator Türen zu öffnen. Das jedenfalls schreibt die Historikerin Karina Urbach in ihrem neuen Buch.
Sie war Hitlers "liebe Prinzessin": Stephanie von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1891-1972). Üppige Kurven, eine strategische Heirat und eine hohe soziale Intelligenz brachten die kleinbürgerliche Stephanie an die Spitze der Gesellschaft. 1938 heftete der Diktator ihr persönlich das goldene Ehrenzeichen der NSDAP an und machte sie zur trotz ihrer jüdischen Herkunft zur "Ehrenarierin".
Denn sie hatte jahrelang ihre guten Beziehungen in den Hochadel genutzt, um hinter den Kulissen für den Diktator Türen zu öffnen und politische Gespräche zu führen. So stellte sie sich in den Dienst Reichsverwesers Miklos Horthy in Ungarn, übernahm für den britischen, antisemitischen Pressezaren Lord Rothermere mehrere geheime Missionen und führte vor dem Münchener Abkommen direkte Gespräche mit dem britischen Außenminister Lord Halifax. Prinzessin Stephanie war wie zahlreiche andere Adelige eine von Hitlers heimlichen Helfern.
Diese Form der Geheimdiplomatie jenseits der offiziellen Kanäle ist das Thema von Karina Urbachs Buch "Hitlers heimliche Helfer". Sie beschreibt, wie vor allem Mitglieder des Hochadels zwischen 1914 und 1945 im Auftrag der Könige, Kaiser und Diktatoren politische Allianzen schmieden sollten, möglichst ohne dass das grelle Licht der Öffentlichkeit auf sie fiel. Viele von ihnen verhalfen Hitler zum Aufstieg und gaben ihm Schützenhilfe auf dem gesellschaftlichen Parkett.
Warum der Adel? Die Blaublüter erhofften sich als Helfer Hitlers neue politische Relevanz zu erlangen, sagte Urbach der Nachrichtenagentur KNA. "Viele Adelige erhofften sich von ihm eine neue Statuserhöhung und Stellen für ihre Söhne - im Militär und der Diplomatie." Zudem habe ihnen der Nationalsozialismus als weniger bedrohlich gegolten als der Bolschewismus. "Einige, wie der preußische Kronprinz Wilhelm, glaubten eine zeitlang sogar ernsthaft, Hitler würde die Monarchie wiedereinführen", so Urbach. Andere träumten weiter von einem Großdeutschen Reich unter Einschluss Österreichs und befürworteten deshalb Hitlers Außenpolitik.
Hitlers heimliche Helfer waren durch ihre Erziehung und ihre internationalen Kontakte perfekt für ihre Rolle als Schattendiplomaten gerüstet. Die alten Familien hatten einen gemeinsamen Sprachcode; gleichzeitig waren sie alle mehrsprachig groß geworden. Wo immer Adelige aufeinandertrafen, hatten sie auch einen ähnlichen Verhaltenskodex. Sie wurden dazu erzogen, die Ehre ihrer Familie zu bewahren und sich in den Dienst des Landes zu stellen. Wegen ihrer engen Freundschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen über Landesgrenzen hinweg bildeten sie ein internationales Netzwerk, allerdings nach Konfessionen getrennt.
Prinz Max Egon zu Hohenlohe-Langenburg (1897-1967) etwa war stolz darauf, dass seine Familie einen deutschen Kanzler, einen französischen Marschall, einen Kardinal, zahlreiche österreichisch-ungarische Feldmarschälle, Generäle in Preußen und Baden, Erbmarschälle in Württemberg und Flügeladjutanten für den russischen Zar hervorgebracht hatte. Seine internationalen Verbindungen setzte der Prinz gerne im Sinn von Hitler ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte er dann das spanische Fischerdorf Marbella als Hotspot der High Society.
Unterschiede gab es jedoch zwischen dem katholischen und dem protestantischen Adel. Erster orientierte sich am kaiserlichen Hof der Habsburger in Wien, letzterer an der Royal Family in London. Der Gros des katholischen bayerischen Adels etwa galt als resistenter gegen den Nationalsozialismus als sein protestantisches Pendant.
Egal, welches Gebetbuch sie am Sonntag mit in die Kirche nahmen, sie alle konnten, wenn sie es wollten, an der Landhausdiplomatie teilhaben. Wegen der engen freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen fiel es nicht weiter auf, wenn man sich gegenseitig besuchte. Dabei ließen sich ganz hervorragend politische Gespräche führen, ebenso wie auf Hochzeiten und Beerdigungen.
Für die Beziehungen des Dritten Reichs zum Duce, dem italienischen Diktator Benito Mussolini, war in erster Linie Prinz Philipp von Hessen (1896-1980) zuständig. Am Auswärtigen Amt vorbei unternahm er zahlreiche Geheimmissionen und führte auch im Zweiten Weltkrieg noch Gespräche mit Papst Pius XII. Philipp, der Hitler persönlich kannte, kaufte in Italien zudem intensiv Kunst für das geplante Führermuseum in Linz. Der Hessen-Prinz war mit einer Tochter des italienischen Königs verheiratet, daher standen ihm in Rom alle Türen offen.
Gleichzeitig war er nah mit der britischen Königsfamilie verwandt wie auch Herzog Carl Eduard, Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (1884-1954), ein Nazi der ersten Stunde und wichtigster Verbindungsmann Hitlers zu den englischen Königen Edward VIII. und George VI. Mit seiner Pendeldiplomatie versuchte er unermüdlich, England auf die Seite Deutschlands zu ziehen.
Die Beziehungen besonders der englischen, aber auch der anderen Königsfamilien zu ihren deutschen Verwandten und ihre politische Einstellung in der Zwischenkriegszeit sind ein ganz heikles Thema. Nicht umsonst sind die königlichen Archive auf unabsehbare Zeit gesperrt, ebenso wie Adelsarchive. Ein untragbarer Zustand, findet Karina Urbach und kämpft für die Öffnung.
Nach ihren Recherchen endete die Zeit der adeligen Geheimdiplomatie nach dem Zweiten Weltkrieg. Dann übernahmen Wissenschaftler, Journalisten und vor allem Geistliche die Aufgabe, internationale Netzwerke zu knüpfen und hinter den Kulissen Politik zu betreiben.
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