Politik

Einer wird nicht gewinnen (Oder was hilft uns die Spieltheorie?)

Wenn jeder versucht, schlauer zu sein als alle anderen - was passiert dann eigentlich?

Solche Fragen stellt die Spieltheorie.
Sie beschreibt Phänomene aus Politik und Wirtschaft und lässt sich sogar im Fußball anwenden. Nur Experimente mit echtem Geld kann sie nicht ersetzen.
Von Jürgen Kaube

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Zum Weiterdenken


Das waren einige Illustrationen von Grundzügen und Pointen der Spieltheorie. Das alles kann man, wie gesagt, mathematisch formulieren mit Auszahlungsmatrizen, Entscheidungsbäumen und Erwartungsnutzenfunktionen. Es sieht dann wahnsinnig exakt aus, führt zur Ernährung ganzer Forscherpopulationen, trägt zum Verständnis aber nur noch in Einzelfällen bei.

Zu einem großen Forschungsgebiet wurde die Spieltheorie unter anderem, weil man einige ihrer Aspekte gut variieren und dann zusehen kann, wie sich die Ergebnisse verändern. So kann man sich überlegen, was passiert, wenn Spiele zwischen den Beteiligten wiederholt werden, wenn also einerseits Erfahrungen anfallen, anderseits der Erfolg nicht am einzelnen , isolierten Spiel hängt, sondern an Erträgen über einen längeren Zeitraum des Kooperierens oder Nicht-Kooperierens hinweg.

Berühmt geworden ist die Diskussion um die sogenannte "Tit for tat"-Strategie eines Computerprogramms des kanadischen Psychologen Anatol Rapaport, das in einem Turnier siegte, bei dem die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, entweder mit Tauschpartnern zu kooperiern oder sie übers Ohr zu hauen. Kooperierten beide, stellte sich mittlerer Erfolg ein. Kooperierte nur eine Seite, hatte sie den größten Vorteil. Kooperierte keiner, gingen beide leer aus. Auch hier handelte es sich wieder um die Strukzur unseres eingangs erwähnten Fischfang-Beispiels, das sogenannte Gefangenen-Dilemma. Rapaports Programm obsiegte nach der einfachen Regel: "Mit Kooperation anfangen und danach immer so handeln, wie der andere zuletzt reagiert hat, also freundlich, wenn er freundlich war, andernfalls unfreundlich". Freundlich, unduldsam, aber nicht nachtragend - das war in diesem Spiel die erfolgreichste Moral.

Eine ander Variation betrifft die Frage, wie man entscheiden soll, wenn man die Präferenzen der Mitspieler nicht vollständig kennt. Mietkautionen und andere Pfänder werden spieltheoretisch so erklärt: Der Vermieter kann sich dann von Kenntnissen über die Vermögenslage der Mieter frei machen. Aber auch andere kostspielige Signale, die Leistungsfähigkeit in Situationen asymetrischer Informationsverteilung mitteilen sollen, versucht die Spieltheorie so zu deuten - von Botschaften in der Tierwelt über Zeugnisse von Bewerbern bis zur Reklame in der Wirtschaft.

Die experimentelle Spieltheorie ist ein weiterer Zweig, der sich heute großer Beliebtheit erfreut: Man deduziert das Verhalten der strategischen Rechenakteure nicht, sondern untersucht in psychologischen Labors, wie sie sich unter vorgegebenen Spielregeln tatsächlich verhalten. Die Befunde zum Ultimatum-Spiel sind ein Beispiel für den Erkenntnisgewinn aus derartigen Forschungen. Auch solche Laborerkenntnisse können allerdings das Defizit der Spieltheorie nicht heilen, dass die Leute mit Spielgeld anders umgehen als mit wirklichem, das sie zuvor womöglich hart erwerben mussten. Auch handeln sie in anonymen Situationen als in wiedererkannten, in Experimenten überlegen sie anders als im sonstigen Leben.

Zum Weiterlesen
Andreas Dieckmann: "Spieltheorie, Einführung, Beispiele, Experimente", Rohwohlt Verlag, Reinbek 2009.
Ken Binmore: "Fun and Games. A Text on Game Theory", D.C. Heath, Lexington 1992.
Robert Axelrod: "Die Evolution der Kooperation", Oldenbourg, München 1987.
Christian Rieck: "Spieltheorie, Eine Einführung". Rieck, Eschborn 2008.

© infos-sachsen / letzte Änderung: - 12.01.2023 - 18:25