Einer wird nicht gewinnen (Oder was hilft uns die Spieltheorie?)
Wenn jeder versucht, schlauer zu sein als alle anderen - was passiert dann eigentlich?
Solche Fragen stellt die Spieltheorie.
Sie beschreibt Phänomene aus Politik und Wirtschaft und lässt sich sogar im Fußball anwenden. Nur Experimente mit echtem Geld kann sie nicht ersetzen.
Von Jürgen Kaube
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Erstes Spiel: Die Eisverkäufer
Beginnen wir mit einem Strandspiel. Angenommen, alle Touristen verteilen sich ziemlich homogen über ei Strandstück, Handtuch an Handtuch. Nun treten von beiden Enden des Strandes zwei Eisverkäufer auf den Plan. Das Spiel ist: Wo sollen sie sich strategisch am Besten aufstellen? Wenn sie dieselben Sorten Eis verkaufen, liegt für die Kunden - bei geringen Wegekosten - das einzige Kriterium dafür, zum einen anstatt zum anderen Eisverkäufer zu gehen, in der Entfernung. Also bekommt jeder der beiden Eisverkäufer alle Kunden, die in seinem Rücken liegen, und die Hälfte der Kunden, die zwischen ihm und seinem Konkurrenten liegen. Solange die Eisverkäufer an den gegenüberliegenden Enden des Strandes stehen, teilen sie sich den Markt. Schön, aber instabil. Denn wenn nur einer von Beiden zum Konkurrenten vorrückt, dann teilen sich beide erneut, was an Kundschaft zwischen ihnen liegt, doch der Aufrücker hat zusätzlich für sich allein, was an Kundschaft sich in seinem Rücken aufhält. Also rückt auch der Andere auf, darauf der Erste wieder und so fort, bis beide - im so genannten "Nash-Gleichgewicht", das niemand zu seinem Vorteil verlassen kann - in der Mitte des Strandes angelangt sind, um sich nebeneinander aufzubauen. In vielen Städten kennt man ein ähnliches Phänomen: Schmuckgeschäfte, Immobilenmakler, Elektrofachgeschäfte, Restaurants oder Galerien häufen sich in bestimmten Straßen. Als der amerikanische ökonom Harold Hotelling 1929 als Erster diese Logik räumlicher Konkurrenz erläuterte, war die wichtigste Botschaft: Wettbewerb kann Folgen haben, die schlecht für die Konsumenten sind. Denn für die Strandbenutzer wäre es viel besser, die Eisverkäufer stellten sich jeder im Abstand der halben Strandlänge voneinander auf: Das würde die Wegstrecken der Kundschaft insgesamt minimieren. Dreißig Jahre später versuchte der Politologe Anthony Downs, mit demselben Modell zu erklären, weshalb Parteien im Wettbewerb um Wählerstimmen immer mehr in die Mitte rücken und zuletzt ununterscheidbar werden. Das schien jedenfalls für den amerikanischen Fall eines Wettbewerbs zwischen Parteien plausibel. Viel komplizierter wird es spieltheoretisch mit dem Gleichgewicht bei drei, vier oder fünf Konkurrenten. Mitunter gibt es dann gar keinen stabilen Zustand, sondern die Eisverkäufer bewegen sich, anders als die Parteien, ständig. |
Andreas Dieckmann: "Spieltheorie, Einführung, Beispiele, Experimente", Rohwohlt Verlag, Reinbek 2009.
Ken Binmore: "Fun and Games. A Text on Game Theory", D.C. Heath, Lexington 1992.
Robert Axelrod: "Die Evolution der Kooperation", Oldenbourg, München 1987.
Christian Rieck: "Spieltheorie, Eine Einführung". Rieck, Eschborn 2008.