Einer wird nicht gewinnen (Oder was hilft uns die Spieltheorie?)
Wenn jeder versucht, schlauer zu sein als alle anderen - was passiert dann eigentlich?
Solche Fragen stellt die Spieltheorie.
Sie beschreibt Phänomene aus Politik und Wirtschaft und lässt sich sogar im Fußball anwenden. Nur Experimente mit echtem Geld kann sie nicht ersetzen.
Von Jürgen Kaube
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Die Spieltheorie ist eine der erfolgreichsten, in ihren Grundzügen unterhaltsamsten, in ihrer mathematischen Durchführung aber zugleich kompliziertesten sozialwissenschaftlichen Theorien. Mehrere Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaft wurden in der Vergangenheit an Spieltheoretiker verliehen. Aber mit ihren Modellen arbeiten auch Biologen, Soziologen, Politologen und Juristen. Die Spieltheorie behandelt strategische Entscheidungen in sozialen Situationen, die durch gegensätzliche Interessen oder eine Mischung aus gegensätzlichen und gemeinsamen Interessen der Beteiligten gekennzeichnet sind: Konkurrenz und Konflikt. Oft sind es darum Situationen, in denen die Beteiligten sich nicht von Loyalität, Sympathie, Verwandtschaft, Treue oder anderen moralischen Bindungen bestimmen lassen. Sie überlegen vielmehr, dass auch die anderen ihren Vorteil suchen werden, und handeln entsprechend. Ein einfaches Beispiel ist das Leerfischen der Weltmeere: Am Ende geht de gesamte Fischfangindustrie unter, weil schneller gefischt wird, als sich die Tiere reproduzieren können. Bis dahin verhält sich jeder einzelne Fischer rational, wenn er herauszieht was er nur kriegen kann, mag der Fisch auch noch so klein sein. Doch wie kann das rational sein? Weil die Schäden seines Verhaltens nicht vollständig von ihm, sondern zu großen Teilen von Anderen getragen werden. Bin ich vernünftig und schone die Ressourcen, sagt sich der einzelne Fischer, führt das nur dann zum Besten für alle, wenn die Allermeisten vernünftig und nicht egoistisch handeln würden. Also handele ich am besten egoistisch, denn wenn es die Anderen auch tun, bin ich wenigstens nicht der Dumme, und wenn es die Anderen nicht tun, umso besser. Und weil jeder so denke, sagt die Spieltheorie, handeln in diesem Spiel alle egoistisch und es komme zu einem Ergebnis, das sich eigentlich niemand gewünscht hat. Die Spieltheorie heißt darum Spieltheorie, weil sie untersucht, was passiert, wenn jeder versucht, schlauer zu sein als alle Anderen. Angefangen hat alles mit dem Schachspiel. 1913 wendete der Mathematiker Ernst Zermelo die Mengenlehre darauf an und bewies, dass es eine optimale Strategie geben muss. Bis heute ist offen, welche das ist, schon über den ersten Zug herrscht völlige Uneinigkeit - Bauer nach e4, d4, c4, g3, b3 oder Springer nach f3? -, weswegen weiterhin Schach gespielt wird. Diese Eigenschaft hat die Spieltheorie behalten: Wenn sie zutrifft, erübrigt sie in vielen Fällen den Vollzug der Entscheidungen, denn man kann durch sie vorhersagen, wozu es rationalerweise ohnehin kommt. Ob gute Spieler im Schach solche sind, die weiterrechnen können als die Anderen, kann allerdings bezweifelt werden. Von den Spielen in der Wirklichkeit ganz zu schweigen. Aber das sind Einwände gegen die Spieltheorie, die wir für einen Augenblick hintenanstellen wollen, um erst einmal ein paar Spiele anzuschauen. |
Andreas Dieckmann: "Spieltheorie, Einführung, Beispiele, Experimente", Rohwohlt Verlag, Reinbek 2009.
Ken Binmore: "Fun and Games. A Text on Game Theory", D.C. Heath, Lexington 1992.
Robert Axelrod: "Die Evolution der Kooperation", Oldenbourg, München 1987.
Christian Rieck: "Spieltheorie, Eine Einführung". Rieck, Eschborn 2008.