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Stasi-Vorwurf als Waffe: "Nichts gefunden - und deshalb nicht aufgehört zu suchen"

Geschichte von Wiebke Hollersen

02.06.2024 | 10 Minuten Lesezeit

Aus den 16 Aktenordnern zu seiner Person sind inzwischen schon 18 Aktenordner geworden. Das war der neue Schreck, den Bernd Lammel vor einigen Monaten bewältigen musste. Die Unterlagen zu seiner Person vermehren sich offenbar wie der süße Brei im Märchen, der am Ende die ganze Stadt unter sich begräbt.

Bernd Lammel, Berliner Fotograf und Gewerkschafter, will seit neun Jahren wissen, was die Stasiunterlagenbehörde über ihn gesammelt und herausgegeben hat.
© Illustration: Pajovi?/BLZ. Foto: Maurice Weiss/OSTKREUZ

Ordner um Ordner füllt sich mit Papier, und auf jedem Blatt steht sein Name oder vielleicht der eines Freundes. Eine deutsche Behörde hat all diese Seiten in den vergangenen 14 Jahren angelegt, ausgedruckt und ordentlich abgeheftet. Den Brei gekocht, wenn man so will.

Die Stasiunterlagenbehörde. Eine Bundesbehörde, die dafür zuständig war, Akten aus der Vergangenheit aufzubewahren und auszuwerten, angelegt von der Staatssicherheit in der DDR, einem Land, das einem Überwachungswahn verfallen war und jeden seiner Bürger im Blick behalten wollte.

Wie jede Behörde produzierte natürlich auch jene für die Stasiunterlagen selbst Akten. Aber in diesen Massen zu einer einzelnen Person und seinem Umfeld? Einem Mann, der zwar Kontakte zur Staatssicherheit hatte, aber nie selbst ein Spitzel war?

Bernd Lammel ist 70 Jahre alt, ein Fotograf aus Ost-Berlin, der in seinem Job bis heute viel unterwegs ist. Seit neun Jahren schlägt er sich außerdem mit der Behörde des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" herum, der BStU. Seit eine Journalistin des RBB die Behauptung in die Welt setzte, er sei IM, ein inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, gewesen. Der Film der Journalistin lief in der Abendschau, der Nachrichtensendung für Berlin, und dauerte knapp drei Minuten. Sein Leben, sagt Lammel, sei seit diesen drei Minuten nicht mehr dasselbe.

Im engsten privaten Umfeld wandten sich Menschen von ihm ab. Es sei so schmerzhaft gewesen, dass er nicht will, dass man die Details aufschreibt. Auftraggeber und Redaktionen kündigten ihm die Zusammenarbeit. Bis heute hört er im Deutschen Journalistenverband, dem DJV, in dem er sich seit Jahrzehnten als Gewerkschafter engagiert: Es habe da doch mal Stasivorwürfe gegen ihn gegeben.

"Stasivorwürfe" wird man nicht wieder los. Das erlebt fast jeder, dem sie mal gemacht wurden. Auch deshalb sind diese Vorwürfe nach 1989 zu einer so mächtigen Waffe gegen Menschen, vor allem gegen Ostdeutsche, geworden. Selbst wenn sie sich schnell als falsch oder überzogen herausstellten.

So wie bei Bernd Lammel. Der Beitrag, der ihn zum IM erklärte, lief 2015 im Fernsehen, kurz vor einer wichtigen Wahl im Bundesverband des DJV. Es hatte zuvor lange Streitigkeiten in der Gewerkschaft gegeben: zwei Lager, einem gehörte Lammel an. Der Landesverband Berlin beauftragte schnell ein Gutachten zu den Vorwürfen bei einer Historikerin, die zur Staatssicherheit geforscht hatte. Es war ein Jahr später fertig und entlastete Lammel. Es gibt keine Verpflichtungserklärung von ihm, keine IM-Berichte. Es gibt nur sieben Berichte eines Stasi-Majors über Treffen, die Lammel nie abgestritten hat.

Bernd Lammel war auch in der DDR schon Fotograf, er dokumentierte das Alltagsleben, machte Bilder von Musikern, Bands, arbeitete nebenher als DJ. Er schmuggelte Fotos in den Westen, sie erschienen dort ohne seinen Namen, er dokumentierte Proteste und Treffen der Opposition, es gibt beeindruckende Bilder von ihm aus dem Wendeherbst, sie zeigen die Kraft des Widerstands gegen die Diktatur.

Er sei als alleinerziehender Vater unter Druck gesetzt worden, mit dem Stasi-Mann zu reden, sagt Lammel. Er erzählte ihm von Besuchen in der britischen Botschaft und im Französischen Kulturzentrum in Ost-Berlin, belanglose Informationen, er verriet nichts, was der Stasi von Nutzen war, nannte nie Namen anderer Gäste oder von Menschen aus seinem Umfeld. So geht es auch aus dem Gutachten hervor.

Sieben Treffberichte. Das Gutachten der Historikerin, das ihn entlastete, ist 26 Seiten lang. Und acht Jahre alt. Der Verdacht gegen Lammel hält sich trotzdem, das Gerücht, auch im DJV wird es weiter herumerzählt. Der Lammel sei bestimmt trotzdem IM gewesen, heißt es. Aber er habe auch Solidarität von Kollegen und Freunden erlebt, sagt Bernd Lammel.

Vor vier Jahren bekam er mit, dass die Journalistin des RBB weiter bei der Stasiunterlagenbehörde nach belastendem Material gegen ihn suchte und nun Zugriff auf private Post von ihm bekommen wollte. Die lag in der Behörde, weil die Stasi auch ihn seit 1974 überwacht hatte, Lammel eines ihrer Opfer war. Die Journalistin arbeitete für das Magazin Kontraste. In dieser Redaktion hatten einst auch Roland Jahn, der damalige Leiter der Stasiunterlagenbehörde, und seine Pressesprecherin gearbeitet. An die Post von Lammel kam die Journalistin nicht. Sie versuchte es mit einem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz, IFG, scheiterte damit.

Lammel blättert in seinem Büro durch einen Ordner mit Unterlagen aus der BStU.
© Maurice Weiss/Ostkreuz

Und brachte Lammel auf eine Idee. Er stellte selbst einen solchen IFG-Antrag. Am 22. Dezember 2020, zwei Tage vor Weihnachten. An die BStU. Wer hatte sich dort wann nach ihm erkundigt, was hatte man über ihn herausgegeben?

Der Verdacht klebte an ihm, die Nachforschungen hörten nicht auf. Es war sein Versuch, die Kontrolle zurückzuerlangen über die Erzählung, über sein eigenes Leben.

Der Antrag wurde schnell bewilligt. Lammel konnte im Januar 2021 in die Behörde fahren. Dort standen jene 16 Aktenordner zu seiner Person. Es handelte sich nicht etwa um Stasiakten, nicht um Material aus Zeiten der DDR. Sondern um Akten, die angefallen waren, als Journalisten in der Behörde nach Material zu ihm geforscht hatten.

Er las sieben Tage lang in den Ordnern, bekam Kopien von etwa 170 Seiten. Er fand die Namen von 164 Verwandten, Bekannten, Kollegen aus der Gewerkschaft. Darunter Dutzende Leute, die er lange nach dem Ende der DDR kennengelernt hatte, Westdeutsche, Freunde aus dem Ausland. Zu all diesen Menschen hatte die Behörde nach Stasiunterlagen gesucht - um herauszufinden, ob unter ihnen nicht vielleicht ehemalige Spitzel waren oder sich Hinweise auf eine Spitzeltätigkeit von ihm finden ließen. Sie alle waren offenbar nur in die Recherchen geraten, weil sie Bernd Lammel kannten.

"Mir hat tagelang der Kopf geschwirrt", sagt er. So ging es auch jedem, dem er die Geschichte erzählte. Wie konnte das alles sein? Solche ausufernden Recherchen? Schrieb nicht das Stasiunterlagengesetz einen behutsamen Umgang mit den Akten des Unterdrückungsapparats vor?

Im Gesetz, verabschiedet im November 1991, steht in Paragraf 1: Es solle den Einzelnen davor schützen, "dass er durch den Umgang mit den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird" und "die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes" gewährleisten und fördern. In dieser Reihenfolge.

In der Stasiunterlagenbehörde gibt es 18 Ordner mit Informationen zu Lammel. Er hat nur einen Teil des Inhalts erhalten.
© Maurice Weiss/Ostkreuz

Bernd Lammel wollte alles haben, was in den 16 Ordnern zu ihm abgeheftet war. Aber als er zwanzig weitere Kopien abholen wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass das nicht mehr gehe. Eine Begründung dafür habe er nicht bekommen, sagt er. Dann hörte er lange nichts von der Behörde.

Die Pandemie begann und ging vorüber. Lammel hielt an seinem IFG-Antrag fest. Die Stasiunterlagenbehörde, am 3. Oktober 1990 gegründet, wurde am 17. Juni 2021 aufgelöst. Ihre Akten gingen in das Bundesarchiv über, auch viele Mitarbeiter wechselten dorthin. Im Juli 2023 bekam Lammel von dort einen Brief, mit dem er fast nicht mehr gerechnet hatte. "Die von Ihnen begehrten Unterlagen werden Ihnen teilweise zugänglich gemacht", für die Bearbeitung des Antrags falle eine Gebühr von 500 Euro an, weil der Verwaltungsaufwand so hoch gewesen sei. Mehr darf eine Behörde nicht verlangen, wenn sie einen IFG-Antrag erfüllt.

Man habe den Inhalt von nun "18 Leitzordnern" darauf prüfen müssen, ob es "schutzwürdige Interessen" von 49 anderen Personen gebe. Lammel hatte zwar die Vollmachten von 30 Personen an die Behörde übersandt, die es nicht für nötig hielten, dass ihre Namen geschwärzt werden, aber das schien keine Rolle zu spielen. Man habe Arbeit an eine Anwaltskanzlei namens Fieldfisher ausgelagert, schrieb ihm das Bundesarchiv. Allein dort seien "mehr als 280 Stunden" angefallen.

Eine weitere, erstaunliche Zahl in dieser Geschichte. Sieben Treffberichte eines Stasi-Majors, 26 Seiten Gutachten, 18 Aktenordner in der Stasiunterlagenbehörde. 280 Stunden Arbeit in einer weltweit tätigen Großkanzlei.

Fieldfisher hat seinen Hauptsitz in London, 22 Niederlassungen weltweit, mehr als 1500 Mitarbeiter, davon mehr als 200 in fünf deutschen Städten. Die meisten davon in Hamburg. Dort wurden Lammels Aktenordner durchgesehen. Wenn man von Fieldfisher erfahren will, wieviel eine Anwaltsstunde bei ihnen gekostet hat oder üblicherweise kostet, ruft sofort ein freundlicher Sprecher zurück und sagt, dass er dazu nichts sage. Auch das Bundesarchiv gibt keine Auskunft zur Höhe der Kosten. Zu der Frage, wieviele Arbeitsstunden insgesamt angefallen seien, in der Kanzlei und im eigenen Haus, habe man "keine Angaben vorliegen".

Auf die Frage, wie oft im Jahr Unterlagen zur Bearbeitung herausgegeben werden, antwortet ein Sprecher des Bundesarchivs, man beauftrage "externe Kanzleien mit der Bearbeitung von rechtlichen Angelegenheiten nur dann, wenn es aufgrund des Ausmaßes und der Komplexität der Angelegenheit einer Unterstützung eigener Kapazitäten bedarf".

Lammel in seinem Büro in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Hierher kam auch der Stasi-Major, der ihn unter Druck setzte.
© Maurice Weiss/Ostkreuz

Lammel hat gerechnet. Er vermute, dass eine solche Kanzlei "bestimmt 300 Euro pro Stunde" abrechne. Das wären 84.000 Euro insgesamt! Juristen, die in Großkanzleien gearbeitet haben, sagen, dass es wohl eher 600 Euro pro Stunde seien. Das wären dann 168.000 Euro. Aus Steuergeldern.

Bernd Lammel überwies die 500 Euro und wartete weiter. Noch einmal vier Monate lang. Dann erhielt er per E-Mail ein Dutzend verschlüsselte PDF-Dateien. Nachdem er sie alle geöffnet und ausgedruckt hatte, lagen 729 Seiten vor ihm.

Sie waren zu großen Teilen geschwärzt.

Im April dieses Jahres sitzt Bernd Lammel in seiner Wohnung in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, in die damals der Stasi-Major kam, um ihn auszuhorchen und unter Druck zu setzen, "doch endlich kooperativer zu sein", wie er sagt. In den Räumen stehen Lichtanlagen für seine Aufträge als Fotograf, seine Frau Betty arbeitet am Computer an der neuen Ausgabe des kleinen Medienmagazins, das sie gemeinsam herausgeben.

Bernd Lammel hievt zwei Ordner auf einen Glastisch. Er blättert durch Seiten, die aussehen wie billige Kopien von abstrakten Kunstwerken. Weißer Rand, riesiges schwarzes Rechteck aus Druckertinte. Oft ist nur eine kryptische Titelzeile zu lesen: "BStU Recherche SAE", ein paar Stichworte: "Organisationsindex = Britische Botschaft", ein Datum.

Aus den Seiten, die nicht komplett geschwärzt sind, hat er erfahren, dass die Stasiunterlagenbehörde offenbar nach jedem seiner Anrufe in den vergangenen Jahren eine "Gesprächsnotiz" verfasste und abheftete. In einer steht unter anderem, er habe "seine gegenwärtige psychische Belastungssituation" geschildert. Zu einer anderen ist handschriftlich hinzugefügt, dass er nochmals angerufen habe, "und bat, diese Info vertraulich zu behandeln". Ist es üblich, den Inhalt von Telefonaten zu protokollieren, selbst persönliche Informationen, ohne das dem Anrufer zu sagen? Das frage er sich. Und auch: "Ist das eigentlich erlaubt?"

Das Bundesarchiv antwortet auch auf diese Fragen nur per Mail. Mit zwei Sätzen. Es verweist auf seine "Geschäftsordnung, die auf der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) basiert. Die Geschäftstätigkeit der Verwaltung folgt dem Grundsatz der Schriftlichkeit."

Lammel sucht in den Akten nach Hinweisen: Wie weit gingen die Recherchen gegen ihn?
© Maurice Weiss/Ostkreuz

Lammel nimmt zwei weitere Seiten heraus, ausgedruckte E-Mails. In einer teilt eine Sachbearbeiterin aus dem "Referat AU 5 (Forschung und Medien" im Jahr 2015 einer Frau mit, dass eine Nachforschung "entgegen unseren Hoffnungen" nichts ergeben habe: "Ich bedauere Ihnen nichts Erfreulicheres mitteilen zu können und verbleibe mit freundlichen Grüßen" Der Name der Frau ist geschwärzt. In einer anderen Mail geht es darum, dass jemand einen Antrag zum Haus in Falkensee gestellt habe, in dem Bernd und Betty Lammel leben. "Es kursieren Gerüchte, wonach es sich um ein ehemaliges MfS-Grundstück handeln soll." MfS, Ministerium für Staatssicherheit. Eine Kollegin habe "etliche Akten durchgesehen", aber nichts gefunden.

Es zieht sich ein Eifer durch die Seiten, die nicht unlesbar gemacht worden sind. Von Journalisten, die Antrag um Antrag stellten, um Lammel etwas vorwerfen zu können, aber auch von Behördenmitarbeitern, die dem Verdacht folgten, Recherchen anstellten zur alten und neuen privaten Adresse von Lammel, in Reisekader-Dateien, zu Gewerkschaftskollegen. Und die Akten herausgaben. "4369 Seiten an die Journalistin des RBB", sagt Bernd Lammel. Die Zahl steht auf einem Ausgabeprotokoll. Und es ist nur eines von mehreren. "Was steht in diesen Akten, wo sind sie?"

Hierzu lässt das Bundesarchiv auf Anfrage der Berliner Zeitung wissen, die 4369 Seiten seien auf einen Medienantrag zu einem "Sachthema" herausgegeben worden, "welches nicht allein auf eine Person beschränkt war". Dazu muss man wissen: Man kann als Journalist keinen Antrag stellen, alle Stasiunterlagen zu einer Person zu sehen. Man kann aber den Antrag stellen, zur Rolle von Fotografen in der DDR recherchieren zu wollen. Am Beispiel einer Person.

Sollten Mitarbeiter, die mit Stasiunterlagen umgehen, die Hoffnungen von Journalisten teilen, belastendes Material aufzuspüren? Und sollten sie x-beliebigen Gerüchten nachgehen? Das Bundesarchiv antwortet auf diese beiden Fragen: "Das Ziel von Recherchen ist es, Unterlagen zum Thema eines Antrages zu finden." Man bearbeite "rechtlich zulässige Anträge" und gehe "den im Antragszweck genannten Recherchehinweisen der Antragstellerinnen und Antragsteller nach".

Betty Lammel ist vom Computer aufgestanden und an den Glastisch gekommen. "Die haben nichts gegen Bernd gefunden und deshalb gar nicht mehr aufgehört zu suchen", sagt sie. Und dabei 18 Ordner mit Akten produziert, Kosten über Kosten. "Es ist ekelhaft, wie die in unserem Leben herumgekramt haben", sagt sie. Es erinnere sie an früher.

Sie erzählt, wie die Journalistin des RBB vor der Tür einer Studienfreundin von Bernd gestanden und jene bedrängt habe, mit ihr über ihn zu sprechen. Auch beim Vorbesitzer ihres Hauses in Falkensee habe die Journalistin angerufen und sich erkundigt, woher das Geld für den Kauf der Immobilie stammen könnte.

Die Journalistin ist für Anfragen nicht direkt zu erreichen, man kann ihr nur Fragen über die Pressestelle des RBB zukommen lassen. Die teilt mit, die Kollegin habe "uns übermittelt, dass keiner der von Ihnen geschilderten Sachverhalte der Realität entspricht. Sie weist die mit den Fragen verbundene Unterstellungen in aller Deutlichkeit zurück".

Bernd Lammel in Prenzlauer Berg. Auch zu seiner Frau Betty hat die BStU acht Ordner angelegt.
© Maurice Weiss/Ostkreuz

Seit Jahren lässt sich Bernd Lammel in seinem Kampf gegen den Verdacht und um Einsicht in die Akten der Stasiunterlagenbehörde von Cord Heinichen vertreten. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht, kommt aus dem Westen, mit der Stasiunterlagenbehörde hatte er vorher nie zu tun. Der Fall habe auch ihn erschüttert, sagt Heinichen.

"Es ging letztlich wohl auch darum, Herrn Lammel durch missbräuchliche Nutzung der Stasiakten zur Strecke zu bringen." Es sei definitiv nicht Aufgabe der Behörde, herauszufinden, wie jemand nach 1990 sein Haus erworben hat. Heinichen sieht in solchen Nachforschungen "krasse Verstöße gegen das Datenschutzrecht". Und noch etwas regt ihn auf. Die Kosten! "Es ist aus Steuerzahlersicht eine Frechheit, wenn eine Behörde Dritte beauftragt, Akten durchzublättern und für einen Stundenlohn von geschätzt 500 bis 600 Euro in weiten Teilen zu schwärzen", sagt der Anwalt.

Betty Lammel hat in ihrer eigenen Stasiakte - "einer Opferakte!" - einen Vermerk darüber gefunden, wie sie und ihr Mann sich kennengelernt hätten, 1982, als sie noch bei Carl Zeiss Jena arbeitete und Bernd als Fotograf dort gearbeitet habe. Später sei die Stasi in Bernds Wohnung gewesen, habe notiert, dass es dort "ordentlich" aussehe.

Auch Betty Lammel hat einen IFG-Antrag an die Stasiunterlagenbehörde gestellt. Sie hat erfahren, dass zu ihrer Person acht Aktenordner existieren. "Was steht denn da alles drin?", frage sie sich. Sie habe nur 14 nichtssagende Seiten daraus bekommen. Als ihr Anwalt darauf drängte, alle Ordner einsehen zu dürfen, wurde ihm in Aussicht gestellt, an einem Tag in die Behörde zu kommen. Für eine Stunde. Seitdem habe weder der Anwalt noch sie selbst wieder von der Behörde gehört.

Bernd Lammel bekam im Dezember 2023 noch einmal Post von Fieldfisher, der internationalen Großkanzlei. Man fordere ihn auf, die Kopien, die er drei Jahre zuvor von der Stasiunterlagenbehörde erhalten habe, zurückzugeben. Die Nutzung dieser Seiten sei "nicht statthaft".


Quelle: Berliner Zeitung


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 28.05.2024 - 20:03