zum Gedenken
Diese Seite ist zum Gedenken an Helmut Irmscher.
(*26. Januar 1936 in Auerswalde / †09. Januar 2023 in Chemnitz)

Inhalt

  • Vorwort
  • Mein Geburtshaus
  • Hurra wir ziehen um
  • Es gab ständig Bauvorhaben
  • Nach der Krankheit sah die Welt anders aus
  • Im Herbst 1943 nahm der Krieg auch für uns konkretere Formen an
  • Das Jahr 1944 brachte uns immer mehr mit dem Krieg in Berührung
  • In dieser Zeit überschlugen sich die Ereignisse bei uns
  • Der Krieg kommt zu uns!
  • Die "Westfront" rückt näher!
  • Hilfe die Russen kommen!
  • Das Leben nach dem Krieg nimmt Gestalt an
  • Die Neulehrer
  • Ein Päckchen aus Amerika
  • Anhang Klassenfahrten
  • Wanderung zur Rochsburg 14. Juli 1949
  • zwei Tagefahrt nach Gnandstein 4./5. Okt. 1949

  • Erinnerungen

    Dieses Schriftstück wurde durch die Gedanken im Buch "Erkenntnisse von Celestine" ausgelöst. Es dient nur der eigenen Erinnerungssammlung.

    Vorwort

    Foto: privat

    Herr Irmscher war keine Berühmtheit in Politik oder ähnlichen. Aber doch schon bemerkenswert.
    Aufgewachsen in Auerswalde und Oberlichtenau, studiert in Dresden, gearbeitet in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt).
    Mit Dresden müssen für ihn viele gute Erinnerungen verknüpft sein. Jedesmal, wenn die Sprache irgendwie auf die Stadt fiel, fingen die Augen an zu leuchten.

    Nicht unerwähnt darf bleiben, er kam aus "einfachen Verhältnissen", die Eltern waren Bauern. Es war möglich, dass er studieren und in Dresden während dieser Zeit wohnen konnte, ohne dass sich die Eltern fast ruinieren mussten.
    Dieser Fakt wird neuerdings immer gerne ausgeblendet, sagt eben auch viel über das heutige Bildungswesen aus.

    Seine vollständigen Titel sind Dipl.-Ing. Dr. Helmut Irmscher. Für einen Jungen, welcher aus schlichten einfachen Verhältnissen stammt, ist das schon eine beachtliche Leistung. Das ist wahrscheinlich heute viel schwieriger. Es gab auch kein Internet oder Google, also wirklich alles selbst erarbeitet. Heute kaum noch vorstellbar.

    Gearbeitet hat er an der Entwicklung von Strickmaschinen bei "Elite Diamant" was später zu "Textima" gehörte.
    Ein großer Anteil der Maschinen wurde exportiert.
    Mir persönlich sind Dienstreisen nach Iran, Irak, Ägypten, Frankreich und auch BRD bekannt.
    So schlecht können diese Geräte also nicht gewesen sein.

    Bis einem dann eben Anfang der 90er gesagt wurde, das muss alles weg.
    So wurde er 1994 (mit 58!!!! Jahren) in den Ruhestand geschickt. 1995 wurde die Firma abgewickelt.
    Der Begriff "Fachkräftemangel" erzeugt bei mir nur noch einen faden Beigeschmack.

    Foto: privat

    Dies ist aber nicht der Inhalt der folgenden Abschnitte.

    In welcher Beziehung stand ich zu Herrn Irmscher?
    Er war mein Onkel.
    Dies bedeutet also, wenn von folgenden Personen die Rede ist:
    Die Schwester ist meine Mutter, der Schwager mein Vater.
    Die Eltern dementsprechend meine Großeltern.
    Der im zweiten Abschnitt genannte Cousin Günther Reiche ist der Lehrer und auch der Autor über die Lokomotiven aus den Hartmannwerken Chemnitz.

    In der ersten Zeile der Aufzeichnung steht, dass diese Gedankensammlung nur zur eigenen Erinnerung dient.
    Daran habe ich mich auch gehalten.
    Nach seinem Ableben und der Gewissheit, es gibt keine weiteren Verwandten mehr, finde ich es doch richtig, es zu veröffentlichen.

    Es ist ein Bericht, wie ein Kind den Krieg erlebt hat. Die Erzählung reicht auch nur bis kurz nach Kriegsende.
    Beschrieben wird also eine Zeit, die in Vergessenheit gerät, aber nicht in Vergessenheit geraten sollte.

    Wann diese Zeilen geschrieben wurden ist mir nicht bekannt und geht aus den Unterlagen auch nicht hervor.

    Im Anhang sind noch Berichte über zwei Klassenfahrten im Jahre 1949, eine zur Rochsburg, die andere zur Burg Gnandstein.
    Wer mit den Orten nichts anfangen kann, Herr Google hilft gern weiter.

    Es sind Schülerberichte. Wegen des besonderen Aussehen wurden diese nicht abgeschrieben, sondern als Bilder eingefügt.

    Das besondere daran:

    • Die Schrift ist lesbar. Richtiges Schreiben lernen ist wohl doch von Vorteil.
    • Die Ausdrucksweise (die Kinder waren 13 oder 14 Jahre, 8. Klasse) weicht stark von der heutigen ab. Dies sollte mit einfliesen in die Debatte um Strafmündigkeit und Zulassung zu Wahlen.
    • Die Durchführung der Ausflüge würde heute zu Aufständen in den "social Medien" führen. Der Lehrer hätte bestimmt auch ein Problem bekommen. Man fragt sich, was ist aus unserer Jugend geworden.

    Eigentlich sind Klassenausfahrten nichts besonderes. Diese müssen bei den Schülern jedoch einen tieferen Eindruck hinterlassen haben. Nur so kann ich mir erklären, dass die Aufzeichnungen nach 70 Jahren und mehreren Umzügen immer noch existieren. Vielleicht hängt es auch mit dem Zeitpunkt der Ausflüge zusammen.

    Viele der Familiennamen aus dem Dorf sind mir bekannt, etliche auch persönlich. Soweit ich weiß weilt aber niemand mehr unter uns. Sollten Nachfahren (Kinder oder Enkel) hierzu noch Aufzeichnungen besitzen, so können sie sich jederzeit mit mir in Verbindung setzen.

    Mein Geburtshaus

    vor dem Haus in Auerswalde, mit Schwester und Vater
    Aufnahme vom 16.01.1938 (Foto: privat)

    Geboren wurde ich am 26. 01. 1936, einem Sonntag, um 14.30 Uhr in unserem Einfamilienhaus in Auerswalde, Siedlung 186 D. Das ist natürlich keine Erinnerung, es wurde mir erzählt. Wir wohnten in diesem Haus von 1936 bis 1940.
    Mit dieser ersten Phase meines Lebens verbinden mich jedoch viele Erinnerungen.

    In dem Haus und der Familie habe ich mich geborgen und wohl gefühlt. Ich war ein Nachzügler, meine Schwester ist zehn Jahre älter und meine Mutter war bei der Geburt bereits 35 Jahre alt, trotzdem war ich offensichtlich ein Wunschkind.

    Meine Erlebnisse aus dieser Zeit sind alltäglich, ich kann mich an keine dramatischen Ereignisse erinnern.

    So erinnere ich mich an die Ode von Beethoven "Freude schöner Götterfunken", sie hat entweder meine Schwester gesungen oder ich habe sie im Radio gehört. Diese Melodie und später der Text haben mich mein ganzes Leben nicht mehr losgelassen, und vielleicht auch Einfluss auf mein Denken gehabt.

    Zu dieser Zeit habe ich Wachträume gehabt, wobei mir bewusst war, dass es nur Illusionen waren. So sah ich, bzw. stellte ich mir in der Wand über meinem Bett die unterschiedlichsten Erlebnisse vor. An die einzelnen Inhalte kann ich mich nicht mehr erinnern. Die Hauptfiguren darin waren Personen mit den Namen "Noller" und "Nachtenstab"?

    Ich habe davon meiner Schwester erzählt, sie hat sich sehr darüber gewundert.
    Diese Phantasien brachten mir Ärger ein. Von unserem Gartenzaun aus sah ich, wie auf einem Tieflader ein Güterwagen durch Lkws die Dorfstraße entlang gezogen wurde. Danach bin ich sofort ins Haus gelaufen und habe die Neuigkeit erzählt. Wahrscheinlich habe ich es nicht gut genug beschrieben, jedenfalls war die Reaktion meiner Mutter "Ach der Junge hat wieder mal zu viel Phantasie". Das hat mich geärgert und ich habe mir vorgenommen vorsichtiger zu sein.

    Manchmal glaube ich, man bringt bei seiner Geburt auch schon Wissen mit. Einmal habe ich mit meiner Schwester in unserem Garten in den Nachthimmel geschaut, dabei zeigte sie mir einen Stern und sagte, der ist weit weg. Die weiteste Entfernung, die ich damals mit drei Jahren kannte, war die Strecke bis zum Bahnhof in Oberlichtenau. Sie benutzte zu Erklärung diese Strecke und zeigte mir mit den Fingern, dass es vielmals weiter als diese Strecke ist.
    Ich habe mich darüber gewundert, da ich glaubte die Entfernung sei unendlich viel weiter. Bleibt die Frage woher wusste ich das, obwohl ich nicht widersprochen habe.

    Es gab jedoch auch viele alltägliche Eindrücke.

    In der damaligen Zeit fuhren motorisierte Dreiradfahrzeuge, wie es sie heute noch in Italien gibt. Diese Fahrzeuge nannte ich "Mäxautos", meine Eltern gaben sich viel Mühe dass ich sie richtig als Dreiradfahrzeuge ausspreche, aber ich blieb beim "Mäxauto".

    Meine Mutter schneiderte viel. Zu ihren Nähutensilien gehörte auch ein kleines Taschenmesser mit einem Perlmutgriff. Diese steckte in einem kleinen Lederetui aus straffen Leder. Während meine Mutter mit der Nähmaschine arbeitete, habe ich das Messer genommen und versucht die Klappe des Etuis abzuschneiden. Als ich die Hälfte durch hatte, gab es einen großen Skandal. Meine Mutter hatte es bemerkt. Sie war empört, dass ich das schöne Etui beschädigt hatte, noch mehr regte es sie auf, dass ich an das Messer gekommen war.

    Es gab Stellen in unseren Garten an denen ich mich besonders wohl fühlte. In einer Ecke zwischen Schuppen und Garten hatte mein Vater Fichten angepflanzt. Diese zogen mich besonders an. Vielleicht stammt von damals meine Liebe zum Nadelwald.

    Auf der anderen Seite des Gartens war ein Riegel des Gartenzaunes recht morsch. Mit meinen kleinen Fingern konnte ich kleine Holzstückchen leicht herausbrechen, das machte mir Spaß, wurde aber nicht gern gesehen.

    Erinnern kann ich mich auch an ein "Zeppelin"-Luftschiff. Die ganze Familie ging ans Gartentor und wir sahen das Luftschiff über das Haus von Zahnarzt Schnuck fliegen.

    Es gibt aber auch Dinge die mir später immer wieder erzählt worden, an die ich mich jedoch nicht erinnern kann.
    Es war die Zeit vor dem 2. Weltkrieg, jeder versuchte sich so gut wie möglich auf den Krieg vorzubereiten, "Hamstern" war streng verboten, aber jeder machte es. Zu dieser Zeit habe ich mich auf den Riegel vom Gartentor gestellt und den Vorübergehenden zugerufen: "Wir haben von allem". Wahrscheinlich habe ich einige Wortfetzen bei meinen Eltern aufgeschnappt und damit ohne Ahnung zu haben, diesen "Geheimnisverrat" begangen.

    Damit enden meine Eindrücke an Auerswalde. Wir zogen nach Oberlichtenau um.

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    Hurra wir ziehen um

    mit Eltern in Oberlichtenau
    Foto: privat

    Vom Umzug selbst kann ich mir nur noch an zwei Bilder erinnern.

    Einmal auf dem Sofa in unserer Wohnküche. Man hatte mir gesagt, dass ich mich auf das Sofa legen soll, um für den Umzug ausgeruht zu sein. Mein Cousin, Günther Reiche, der etwa 15 Jahre älter als ich ist, stieg auf das Sofa und nahm die große Wanduhr ab, irgendwie war das unheimlich.

    Zum anderen an den Umzug nach Oberlichtenau selbst. Meine Schwester ist mit mir zu Fuß nach Oberlichtenau gegangen. Ich hatte meinen Roller mit und vorn an der Lenkstange baumelte ein Strauß von getrockneten Pfefferminztee.

    Mit dem Umzug nach Oberlichtenau begann für mich ein neuer Lebensabschnitt, der nicht mehr ganz so sorglos verlief.

    Meine Eltern hatten ihr Einfamilienhaus verkauft und dafür ein kleines Bauerngut in Oberlichtenau erworben. Der bisherige Besitzer war ein kinderloser Witwer, Herr Teufert, hoch im Rentenalter, der sich zu Ruhe setzen wollte.

    Nachdem der Handel perfekt war, und wir unser Haus verkauft hatten, wollte er plötzlich nicht mehr verkaufen. Der Handel war jedoch nicht mehr rückgängig zu machen, alles war im Grundbuch eingetragen und so mussten die Dinge ihren Lauf nehmen.

    Leider war dadurch von Anfang an eine Spannung mit dem früheren Besitzer vorhanden, der ja weiter im Hause im "Auszug" lebte, und dort die beiden besten Zimmer belegte. Da meine Eltern keine Erfahrungen mit der Führung einer Landwirtschaft hatten war die erste Zeit sehr kompliziert.

    Mit dem Kauf dieser kleinen Landwirtschaft ging für meinen Vater ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Er liebte die Arbeit auf dem Felde, am meisten begeisterte ihn morgens aufs Feld zu gehen und mit der Sense im Morgentau das Gras zu mähen. Ich durfte in späteren Jahren ihm dann beim Zusammenrechen und Aufladen auf unseren großen Handwagen helfen. Er hat nie versucht mir das Mähen beizubringen, das war seine Domäne.

    Meine Mutter war glaube ich nicht ganz so begeistert von dem Wandel. Sie war auch immer die treibende Kraft bei Neugestaltungen und Bauvorhaben. Vielleicht hat sie das anfangs gereizt. Aber im Ganzen glaube ich, dass sie nur meinen Vater zu liebe zugestimmt hat. Wir Kinder und meine Großmutter hatten auf die Entscheidung keinen Einfluss.

    Das gesamte Gut war verwahrlost. An Stelle eines Gartens vor dem Haus, war eine mit dichten Sträuchern umsäumte Grube vorhanden. Sie diente wahrscheinlich früher als Feime (im Freien sorgfältig aufgesetzter Haufen von Getreide, Heu oder Stroh, der zum Schutz gegen Regen mit Stroh oder einer wasserdichten Decke abgedeckt ist) zur Lagerung von Kartoffeln und Rüben.
    Der Boden der Hausflur bestand aus großen Natursteinen, zwischen denen sich Erde befand.
    Die Toilette war nur über den Hof in Höhe des Misthaufens zu erreichen, die Türen und Zäune mussten erneuert werden.

    Mein Vater kam jedoch jeden Wochentag erst abends nach Hause und dann ging es noch aufs Feld, Arbeit gab es dort immer, auch die Tiere mussten mit Futter versorgt werden. Meine Mutter war den ganzen Tag mit Arbeiten im Stall und auf dem Feld eingedeckt. Sie war sichtlich mit ihrem Los unzufrieden.

    Am Wochenende arbeiteten beide gemeinsam auf dem Feld, aber auch an der Reparatur des Weges zum Gut.

    Mein Vater war mit der neuen Situation innerlich einverstanden. Auch die Freiheit auf seinem Feld, gefiel ihn. Für Freizeit und Muse blieb jedoch kaum Zeit übrig.

    Meine Großmutter sagte den berühmt gewordenen Satz: "Welcher Teufel hat Euch geritten hierher zu ziehen".

    Mein Vater war gerne Landwirt obwohl ihn Beruf und Landwirtschaft stark belastet haben.

    Grasmähen mit der Sense, am liebsten morgens im taufrischen Gras, begeisterte ihn. Ich musste später oft das Gras zusammen rechen und auf den Wagen laden, aber er hat mir nie gezeigt wie man mit der Sense Gras mäht. Ich war aber auch nicht neugierig darauf! Er zeigte mir das freie Land, was man von unserer Wiese vor dem Haus sehen konnte. Er war davon begeistert.

    An vielen Stellen versuchten meine Eltern zu reparieren und Neues zu bauen. Sie waren abgespannt, die Ruhe von früher gab es nicht mehr.

    Der Umzug erfolgte im Juni 1940. Im September nach einen unruhigen Sommer ereignete sich im September das nächste Ereignis, das ich immer im Gedächtnis behalten werde. Wir waren von der Grumeternte gerade zurück. Es war Abend. Meine Mutter hatte das Abendessen gerade fertig, es gab Bratkartoffeln mit Spillingskompott, als ein schweres Gewitter aufzog.

    Wir haben uns aber durch das Gewitter nicht stören lassen und mit Appetit gegessen. Durch die Verdunkelungsrollos, es war ja Krieg, waren die Blitze auch nicht stark zu sehen.

    Meine Schwester sagte gerade noch, "es klötzert wie mit Holzpantoffel", als bei uns der Blitz einschlug, und zwar in einer Form wie ich es später nie wieder gehört habe.

    Es wurde hell und sofort absolut finster. Die Lampe über dem Tisch wurde auf unser Essen geschleudert, aus der Esse die durch die Essküche lief wurden Steine herausgerissen und der Ruß verteilte sich in der Küche, die Wasserleitung an der Spüle war auch verbogen - aber uns war seltsamerweise nichts geschehen. Als erster soll ich mich mit der Frage gemeldet haben "Lebe ich noch?"

    Als wir nach draußen gehen wollten, sahen wir eine große Anzahl Schiefer auf dem Hof liegen.

    Der Auszügler, mit dem wegen der Vorgeschichte Funkstille herrschte, rief meinen Vater, dass er noch die Funken ausmachen sollte. Der Blitz hatte zwar eingeschlagen, aber auf dem trockenen Boden war es nicht zum Brand gekommen. Die Glutstellen konnten von meinem Vater und Herrn Teufert leicht beseitigt werden.

    Zu diesen Vorfall erzählte uns der Auszügler eine seltsame Geschichte.

    Vor sehr langer Zeit nahm der Vorbesitzer des Hauses eine schwer erkrankte Zigeunerin auf und pflegte sie gesund. Als Dank dafür sprach sie, bevor sie die Familie wieder verließ, einen Feursegen über einen Erbtrog aus, der seit dem auf den Boden des Hauses stand. Im Jahre 1836 brannte bei einer Feuersbrunst das Dorf ab, so auch der linke und rechte Nachbar, aber dieses Haus blieb verschont.

    Bei diesem Blitzeinschlag hat es auch nur leicht neben dem Erbtrog gebrannt und dann war das Feuer ausgegangen.

    Wie auch immer, der Erbtrog hat seinen Ehrenplatz auf dem Boden behalten.
    Erstaunlich war, dass der Blitz nur in dem Raum gewütet hat, wo wir saßen und die anderen Räume und Ställe unbehelligt ließ.
    Wir waren am kommenden Tag noch ganz benommen, außerdem roch es im Gebäude nach Schwefel? Es wurde von einem kalten Schlag gesprochen, aber auch von einem Kugelblitz, aber die Wahrheit wird wohl im Dunklen bleiben.

    Nach diesem Ereignis kamen umfangreiche Reparaturarbeiten auf die Familie zu, vom Klempnern, Elektrikern, Dachdeckern aber auch der Neubau eines Blitzableiters. Die meiste Arbeit blieb bei meinen Eltern hängen.

    Unser Verhalten bei Gewittern hatte sich nach dieser Zeit total geändert, so wurde bei Gewittern die Kassette mit allen wichtigen Unterlagen auf den Tisch gesetzt und wir setzten uns daneben.

    Das Leben ging mit viel Arbeit für meine Eltern weiter, meine Mutter klagte oft über das schwere Leben. Sie hatte viel weniger Zeit für uns.
    Mein Vater baute in den Wintertagen nach Feierabend an einer neuen Haustüre, aber auch an einen neuen Erntewagen.
    Mit den Nachbarbauern kamen langsam normale Beziehungen zustande, wobei wir immer die Kleineren und Abhängigen waren.

    Im Frühjahr 1941 spielte ich mit dem gleichaltrigen Nachbarsohn und seinen um ein Jahr älteren Bruder Rudi auf der Wiese vor unserem Haus. Der ältere Bruder, Rudi, sagte, dass es etwas ganz Besonderes ist ein vierblätteriges Kleeblatt zu finden. Wie es der Zufall will, habe ich zuerst eines gefunden. Daraufhin stellten beide fest, dass ein vierblättriges Kleeblatt nichts Besonderes ist, wichtig ist es ein zweiblättriges zu finden. Hier waren die beiden Brüder überaus erfolgreich. Hinterher wurde mir auch damals schon klar, dass ich für dumm gehalten wurde.
    Irgendwie hätte ich das Gefühl zweitrangig zu sein.

    Diese Abhängigkeit bestand auch für meine Eltern. Wir hatten keine Pferde, für schwere Feldarbeiten wie Pflügen und Säen mussten wir die Nachbaren bitten uns mit ihren Pferden, natürlich gegen Bezahlung, zu helfen. Diese Arbeiten haben sie natürlich erst ausgeführt, nachdem die Arbeiten auf ihren Feldern abgeschlossen waren, dadurch konnte der günstigste Saattermin usw. nicht eingehalten werden. Dieser Umstand brachte Ernteverluste und belastete meine Eltern stark.

    Im Frühsommer 1941 ging ich mit meinen Eltern aufs Feld, die Heu mähen wollten, auf dem Feld kam jemand zu uns und sagte, dass wir mit Russland im Krieg ständen. Meine Eltern kamen in eine furchtbar bedrückende Stimmung. Diese Stimmung hat sich bei mir so eingeprägt, dass ich sie bis heute nicht vergessen habe. Irgendwann danach hat mein Vater auf dem Atlas Russland gezeigt. Diese riesige grüngemalte Fläche, neben dem kleinen Deutschland, hat mich damals beeindruckt. Trotz des offenbar härter werdenden Kriegsgeschehens führten wir ein ganz normales Leben.

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    Es gab ständig Bauvorhaben.

    Das erste große Bauvorhaben war der Bau einer Toilette, die vom Haus aus zugänglich sein musste. Dazu waren viele bauliche Veränderungen im Haus, aber auch der Anbau eines massiven Häuschens an der Stirnseite des Hauses erforderlich.

    Mit diesen Anbau war die Baubehörde in Chemnitz absolut nicht einverstanden. Sie sah das einheitliche Aussehen des Bauerndorfes gefährdet. Viele Vorsprachen meiner Eltern brachten nichts, erst der Einfluss der Frau einer "hochgestellten Persönlichkeit" änderte die Situation und wir durften Bauen. Wer diese Frau war kann ich nicht mehr sagen. Sie muss uns im Herbst 1941 besucht haben. Wir hatten Korn gemäht und es zu Puppen aufgestellt. Damals gab es noch nicht so viel Unkrautvertilgungsmittel wie heute, und damit waren zwischen den Getreidehalmen auch Korn- und Mohnblumen.

    Die Mohnblumen bildeten am Kopf der Puppen einen schönen Kontrast zu dem Gelb des Strohs. Sie lobte, dass wir an den Kopf der Puppen diese Blumen eingebunden hatten, das stimmte natürlich nicht und war reiner Zufall. Meine Eltern ließen es aber gut sein und amüsierten sich hinterher darüber.

    Durch den Bau wurde das Haus total umgekrempelt. Von der Wohnung aus konnte das Klo nun über das Waschhaus direkt erreicht werden und zwar ein massives Klo, keine Bretterbude. Der Auszügler wollte sein Klo weiter von außen erreichen, darum wurde das Häuschen geteilt und für die eine Seite ein Zugang vom Hof geschaffen. Meinen Eltern war das glaube ich ganz recht.

    Weitaus größere Veränderungen gab es jedoch im Haus. Der Kuhstall wurde geteilt und auf die Hälfte der Fläche reduziert und mit einer automatischen Tränke modernisiert. Das reichte, schließlich hatten wir nur zwei Kühe.

    Dieses Waschhaus erhielt einen geglätteten Betonfußboden genauso wie der Flur. Das Waschhaus erhielt einen Abwasseranschluss zur Senkgrube. Ein Kochkessel wurde gesetzt von dem ein viereckiges "Abzugsrohr", quer zum Haus, zur Esse führte.

    Die Senkgrube war faktisch eine abgedeckte betonierte Bodengrube, die ausgeschöpft werden muss. Bis zur Bauabnahme war das auch so, dann schlug mein Vater ein Loch in die Wand und über eine schon vorher gelegte Rohrleitung floss das Wasser schließlich in die Dorfbach.
    Auf diese Art lernte ich den Umgang mit Behörden kennen.

    Es ist mir im Nachhinein noch unverständlich wie meine Eltern die umfangreichen Bauarbeiten neben der Landwirtschaft und dem Beruf erledigen konnten.

    In Erinnerung ist mir im Herbst 1942 noch der Schulanfang geblieben, mit einer großen Zuckertüte und ein paar kleinen Tüten. Die Schule war im ersten Jahr nur interessant. Es gab viele neue Dinge zu sehen, angetan hatte es mir der Buchstabenkasten.

    Mit dem gleichaltrigen Nachbarjungen gab es in dieser Zeit ein relativ gutes Verhältnis. Meine Eltern hatten einen noch von vor dem Krieg stammenden Märklinkatalog, mit vielen Bildern und Preisangaben. Mit dem Nachbarjungen habe ich gemeinsam eine Eisenbahnanlage gebaut, indem wir uns einen Betrag vorgaben und wir danach Lokmotiven, Wagen Geleise und Bahnhöfe aussuchten.

    Meinen Eltern war das dann gar nicht recht, sie glaubten, dass wir unzufrieden würden, weil es ja damals so was nicht zu kaufen gab. Wir wussten, dass es so war und sind nie auf den Gedanken gekommen so etwas zu verlangen.

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    Nach der Krankheit sah die Welt anders aus

    Im Herbst 1943 erwischte mich eine ziemlich schlimme Krankheit, eine Lungenentzündung und Hirnhautreizung.

    An die Krankheit selbst kann ich mich gar nicht erinnern. Meine Eltern hatten mein Bett in der Stube aufgeschlagen, damit es nicht so kalt war. Meine Erinnerung setzt erst wieder ein als ich in der Stube im Bett lag und Buttermilch zu trinken bekam.

    Als ich dann aufstehen sollte und wollte stellte ich mit Ãœberraschung fest, dass ich nicht mehr laufen konnte. Aber das hat sich dann wohl schnell wieder gegeben.

    Ich kann mich erinnern, dass ich mit meiner Mutter zum Ohrenarzt nach Chemnitz gefahren bin. Von diesem Besuch hielt ich gar nichts, meine Mutter hat mir den Besuch versüßt, indem sie mir 100g Jagdwurst versprochen und dann auch gegeben hat. Da wir Selbstversorger waren, d.h. selber schlachteten, gab es nur Hausmacherwurst, die war bestimmt besser, aber was man nicht hat ist einem besonders wertvoll. Viel Neues muss sich beim Ohrenarzt nicht ergeben haben.

    Erinnern kann ich mich, dass meine Eltern für mich ein Stärkungspaket bestellt bzw. irgendwie organisiert. Es enthielt Traubenzuckerwürfel, die ich gern mochte und Lebertran den ich gar nicht liebte.

    Trotzdem stellte diese Krankheit einen tiefen Einschnitt in meinem Leben dar. Danach war ich nicht mehr so "beweglich", so konnte ich mit der Klasse nicht mehr ins Freibad, in den Ohren war etwas zurückgeblieben. Sportlich wurde ich immer mehr zur Niete, damit wurde ich zum Außenseiter.

    Meine schulischen Leistungen gingen nach der Krankheit stark zurück. Es gab aber keine Versetzungsgefahr. In den kommenden Jahren habe ich bei den schulischen Leistungen mehr als aufgeholt. Das Abseitsstehen als Außenseiter blieb jedoch. Es führte zu Hänseleien und anderen unangenehmen Momenten, so dass ich manchmal die Pausen fürchtete.

    Irgendwie muss ich weinerlich in dieser Zeit gewesen sein, aber das hat sich gegeben.

    Meine Großmutter, Lina Unterdörfel, kenne ich nur als kranke Frau. Sie war gelähmt. Ihre Lähmungen wurden ständig schlimmer. Sie war ans Bett gefesselt und lebte nur noch in der Stube. Meine Mutter musste sie nahezu rund um die Uhr betreuen. In den späteren Jahren schlief meine Mutter nicht mehr im Schlafzimmer, sondern auf dem Sofa neben ihr. Das war eine große Belastung, auch für beide Elternteile.

    Meine Großmutter blieb bis zuletzt bei klarem Verstand. Da meine Mutter wenig Zeit hatte, wurde Großmutter zu meinem Gesprächspartner. Sie gab mir Bücher zu lesen und sprach auch über ihre Gedanken.

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    Im Herbst 1943 nahm der Krieg auch für uns konkretere Formen an.

    Ich erinnere mich, dass ich mit meiner Schwester in Frankenberg auf dem Jahrmarkt war. Sie hat mir dort einen kleinen Anstecker, ein phosphoreszierend leuchtendes Segelschiff, gekauft. Dieses Schiff leuchtete im Finsteren phosphoreszierend.

    In der Nacht war wieder Fliegeralarm und die Flak schoss wie wild. Natürlich wurden alle Lichter gelöscht, die Verdunkelung der Fenster war ja nicht hundertprozentig. Auf dem Flur waren wir allseitig von dicken Wänden umgeben, damit konnten uns wenigstens die Splitter von den Flakgranaten nichts anhaben. In der absoluten Finsternis war ich an dem kleinen grünen Schiff zu identifizieren. Am nächsten Tag brachten dann andere Schüler Granatsplitter mit in die Schule.

    Meine Eltern machten sich sorgen, dass auch mein Vater zum Militärdienst eingezogen wird. Die "Uk Stellungen" der Betriebe wurden immer mehr gekürzt. So wurde auch dem Obermeister in Vaters Betrieb Wellfleisch und hausschlachtene Wurst zugesteckt.

    Meine Schwester war mithelfende Familienangehörige, aber in dieser verrückten Zeit drohte ihr die Dienstverpflichtung. Irgendwie haben das meine Eltern abgewendet. In dieser Zeit wurde das Lied "Bomben, Bomben - Bomben auf Engeland" im Radio oft gesungen - meine Schwester wandelte das Lied ab und sang "Bomben, Bomben - Bomben aufs Arbeitsamt".
    Jedenfalls ist sie um die Verpflichtung herumgekommen.

    In diesem Jahr hatten meine Eltern so gut wie nie frei. Schließlich haben sie aber doch einen Tag freigemacht. Wir sind gemeinsam an die Kriebsteintalsperre nach Lauenhain gefahren. Hier kam die nächste Pleite. Die Engländer hatten mit gezieltem Luftangriff irgendwo in Deutschland eine Staumauer zerstört und damit die gesamte Gegend hinter der Mauer unter Wasser gesetzt.

    Die Regierung hatte daraufhin aus den Stausee das Wasser abgelassen. Wir konnten nur den Schlamm bewundern und sind wieder nach Hause gefahren.

    In diesem Herbst habe ich das Erste Mal die Kühe gehütet. Eine ziemlich langweilige Tätigkeit. Das Kühe hüten sollte ich im Wechsel mit meiner Schwester ausüben. Meine Schwester beschwerte sich dann immer, ich wäre ein "Fünfminuten Kuhjunge". Das stimmte aber nicht ich war sehr lange bei den Kühen. Ich erinnere mich, die Übungen der Flakhelfer beobachtet zu haben. Sie schossen auf eine Flugzeugatrappe, die von einem Doppeldecker gezogen wurde. Sie haben selten getroffen. Man konnte die schwarzen Explosionswolken genau verfolgen.

    Wir waren Selbstversorger und schlachteten jedes Jahr ein Schwein, manchmal auch ein Kalb. Das Schwein wurde gewogen und die Fleischmenge uns irgendwie zugerechnet. Es ist möglich, dass beim Gewicht auch gemogelt wurde, aber dem waren offensichtlich Grenzen gesetzt. Das Fleisch musste dann eine bestimmte Zeit reichen. Es wurde viel Wurst und Pökelfleisch eingekocht.

    Die Sorge war nun, dass ein Glas aufging und das Fleisch verdarb. Meine Aufgabe bestand oft dann, die Gläser zu überprüfen und nachzusehen ob eines aufgegangen war. Leider befand sich der Inhalt dann schon nicht mehr im einwandfreien Zustand, aber es durfte ja nichts verderben und wurde in der Regel gegessen.

    Ich konnte oft an dieses Fleisch nicht mehr rann, und suchte mich zu drücken.

    Zum Schlachtfest wurde regelmäßig Familie Reiche eingeladen und jeder konnte vor allem beim Wellfleischschneiden so viel Fleisch essen wie er vertragen konnte. Da wir sonst mit dem Fleisch haushalten mussten habe auch ich stark zugelangt. Ich kann mich entsinnen, dass es mir hinterher manchmal im Magen schlecht bekommen ist.

    Die Wurst und die anderen Dinge wurden im neuen Kessel im Waschhaus gekocht. Vom Dorf kamen dann Leute und holten mit einem Krug Wurstbrühe, die nach dem Kochen übrigblieb. Diese Brühe war wohlschmeckend und nahrhaft. Für wichtige Leute wurde dann in den Krug Wellfleisch gegeben. Wichtige Leute waren die Verwandtschaft, wichtige Leute aus Vati\'s Betrieb, aber auch Leute aus dem Dorf. Diese Verluste schmerzten meine Mutter tief, waren aber unumgänglich.

    Wir waren nicht nur Selbstversorger mit Fleisch und Wurst, sondern auch mit Butter und Quark.
    Butter Quark und Kartoffeln waren, so ist es mir in Erinnerung mit unser Hauptnahrungsmittel. Es gab regelmäßig mit wenigen Ausnahmen, abends Kartoffeln und Quark.

    Dazu musste aber zunächst einmal Butter und Quark hergestellt werden.
    Der erste Schritt bestand darin, die frische Milch in große tönerne Schüsseln zu gießen und kalt zu stellen, meistens erfolgte das im Keller. Mit großen flachen Kellen wurde dann der Rahm abgeschöpft und in Tontöpfe gefüllt. Die Tontöpfe wurden warm gestellt in der Regel in der Küche neben dem Ofen, um zu Säuern.

    Wenn genügend Sauerrahm beisammen war wurde gebuttert. Er kam in die Buttermaschine. Die Buttermaschine hatte die Form eines aufrecht stehenden hölzernen Fasses mit Deckel.

    An der Seite befand sich ein Drehling mit einfacher Übersetzung. Dieser trieb einen Holzquirl an, der den Sauerrahm durchquirlte bis in ihm Butterklumpen schwammen. Das Buttern, d.h. das Drehen des Drehlings, war Arbeit für mich und meine Schwester.

    Diese Beschäftigung war sehr langwierig, besonders im Winter konnten es Stunden dauern, bis der Erfolg eintrat. Diese Arbeit war sehr monoton. Ärgerlich war, dass meine Mutter mich ich oft ermahnte gleichmäßig zu drehen.

    Die Butter wurde dann gesalzen und in hölzerne Formen gepresst. Die Butter sieht in meiner Erinnerung viel gelber aus und schmeckte auch kräftiger, als heutige Butter vom Supermarkt. Die Buttermilch wurde, abgesehen von Trinkmilch, Buttermilch-Götzen usw., zur Quarkbereitung aufgesetzt. Sie kam dazu in Buttermilch-Säcke auf ein Lattenrost, über einen großen Topf, damit die Molke heraustropfte. Zur Beschleunigung des Vorganges legte man einen Stein obenauf Das Ergebnis war der Quark den es abends gab.

    Am Anfang war das Buttern legal, später gab es Einschränkungen. Meine Eltern mussten Teile von der Buttermaschine abgeben, um nicht mehr Buttern zu können, aber mein Vater baute sie nach. Noch später wurde es gefährlich. Heimlich haben wir Milchkannen auf einer Decke in der Stube gerollt um Butter herzustellen, aber gebuttert haben wir immer.

    An Weihnachten 43 kann ich mich erinnern, meine Eltern schenkten mir eine Spur 0 Eisenbahn zum Aufziehen. Mein Vater bastelte einen Bahnübergang mit Häuschen dazu.

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    Das Jahr 1944 brachte uns immer mehr mit dem Krieg in Berührung.

    Es gab fast regelmäßig Fliegeralarm, auch am Tag und nicht wie bisher nur in der Nacht. Die silbrig glänzenden Bomberverbände zogen über uns hinweg. Es fielen in unserer Nähe zunächst keine Bomben, dafür lagen nach jeden Vorbeiflug Silberstreifen auf den Feldern. Diese sollten die Radarortung der Maschinen stören.

    Mein Vater hatte eine gepauste Deutschlandkarte auf eine Sperrholzplatte mit etwa 50 cm Kantenlänge aufgeklebt, in deren Mitte Chemnitz sich befand, um Chemnitz waren in Schritten von 50 km konzentrische Kreise gezogen. Diese Karte diente zur Einschätzung der Luftwarnungsmeldungen die Stündlich und manchmal auch zwischendurch kamen. Bei einem bestimmten Abstand wurde dann Alarm ausgelöst.

    Ich erinnere mich wenn dann die Meldung kam "Schwere Bomberverbände im Anflug auf Magdeburg - Dessau" gab es bei uns gleich danach Alarm. Durch die Häufung von Luftalarmen kam es zu Unterrichtsausfällen. Bei Voralarm wurden wir nach Hause geschickt.

    Aber auch der Unterricht veränderte sich. Der Raum fürs Werken wurde ausgeräumt und mit vielen Kästen von Seidenraupen belegt. Diese Seide würde für die Herstellung von Fallschirmen benötigt. Wir mussten jeden Tag eine ganze Menge von Maulbeerblättern und frischen Zweigen abliefern, die wurden für die Fütterung der Raupen benötigt. Wichtig war zu wissen wo solche Sträucher wuchsen.

    Außerdem erhielten wir die Aufgabe, Breit- und Spitzwegerich zu sammeln und 500g Trockenmasse abzuliefern. Dieses Kraut sollte zur Behandlung verwundeter Soldaten dienen. Ein Pfund habe ich nie zusammenbekommen, trotzdem haben wir alle eine Karte bekommen auf dem der Führer allen Helfern für den Einsatz dankt.

    Die Nervosität" von mein Vater zum Wehrdienst eingezogen, oder noch schlimmer verhaftet zu werden nahm zu.

    Ich erinnere mich, dass mein Vater aufgeregt nach Hause kam und erzählte: "Der Hering-Wirt ist mir begegnet, ich habe ihn freundlich mit \'Guten Abend\' gegrüßt, er hat mich nur finster angesehen und \'Heil Hitler\' gesagt". Meinem Vater machte diese Belanglosigkeit sorgen.

    Noch gut erinnern kann ich mich daran, dass ich vom Spielen nach Hause kam und der Ortsgruppenleiter der NSDAP war bei meinen Eltern. Es herrschte soweit ich mich entsinnen kann eine entspannte Stimmung. Ich bin auf den Ortsgruppenleiter zugegangen habe ihm artig die Hand gegeben und "Guten Abend" gesagt. Wie eine Furie fuhr mich meine Mutter an und schrie "Was haben wir dir immer gesagt, wie heißt das". Ich wusste wirklich nicht was ich falsch gemacht hatte. \'Heil Hitler\' sagt man kam dann. Der Ortsgruppenleiter überging dieses kleine Zwischenspiel.

    In der Schule wurde der Hitlergruß mit richtiger Armstellung geübt, aber zu Hause kannten wir den Gruß grundsätzlich nicht.
    Zu dieser Zeit kamen mir Gedanken, dass Deutschland den Krieg verlieren könnte. Meine Mutter gab mir auf diese Frage keine richtige Antwort, jetzt ist mir klar warum.
    Ein Plakat in einem Schaufenster in Frankenberg ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Es zeigte einen "Bolschewisten" mit einem blutigen Messer zwischen den Zähnen, der begleitet von Panzern und Explosionen auf uns losging.

    Überall in den Schaufenstern und an den Litfaßsäulen waren zwei Plakate zu sehen.
    Das eine zeigte eine schwarze Schattengestalt mit Schlapphut, unter dem stand geschrieben "PST Feind hört mit". Eine direkte Warnung mit Niemanden über wichtige Dinge zu reden.
    Das andere zeigte einen Kobold mit listigen Augen und einen großen prall gefüllten Sack auf dem Rücken, den Kohlenklau. Eine Aufforderung überall zu sparen.
    Die Geheimhaltung war mit dem Glauben an Wunderwaffen, die Deutschland angeblich noch hatte und bald einsetzen würde.

    Die Erste war die V1, der Urtyp für die heutigen Cruise Misseil\'s.
    Als Zweitens kam die V2, eine Rakete.

    Beide Waffen wurden hauptsächlich gegen England eingesetzt, sie brachten dort auch Unruhe, aber am Kriegsverlauf änderten sie nichts. Es schwirrten Gerüchte über alle möglichen Wunderwaffen, aber näheres erfuhren wir nicht. Mein Vater baute schon lange keine Werkzeugmaschinen mehr. Er musste ein Modell für einen kleinen kreiselförmigen Körper bauen, genaues wusste er auch nicht. Alles war geheim.

    Trotzdem wurde im engsten Kreis über viele Dinge gesprochen.
    Erinnern kann ich mich, dass wir beim "Seifertschuster" Schuhe zur Reparatur gebracht haben. Er erzählte meiner Mutter heimlich, dass jetzt nach der Landung in der Normandie die Bomber dort nicht mehr gebraucht würden und wir verstärkt bombardiert würden. Er hatte das im Rundfunk, natürlich im Feindsender, gehört. Solche Äußerungen waren in der damaligen Zeit gefährlich.

    Noch stärker ist mir eine Fahrt nach Ottendorf, zum Höhnich, Bernhardt, einen entfernten Verwandten in Erinnerung. Er reparierte für uns irgendetwas. Es war kurz nach dem 20. Juli 1944. Er kam auf das Attentat zu sprechen, da sprang er auf, trommelte auf den Tisch und rief: "Das durfte nicht schiefgehen, das durfte nicht schiefgehen,..."
    Eine sehr gefährliche Äußerung in für die damalige Zeit.

    Wie sehr damals Deutschland schon von den Alliierten kontrolliert wurde zeigte mir ein kleiner Vorfall.
    Ohne dass es Alarm gegeben hatte, fiel ein großer verzinkter leerer ovaler Körper auf das Dach eines Hauses und beschädigte es. Der Körper rollte auf die Straße, er war etwa 3m lang und hatte einen Durchmesser von etwa 1,5 m. Wir Kinder haben um das Ding herumgestanden. Später wurde uns erzählt, dass es ein Zusatzbenzinkanister von einen Fernaufklärer gewesen ist, der abgeworfen wurde oder abgefallen ist. Es wurde uns klar, dass feindliche Maschinen über uns waren, ohne von uns bemerkt zu werden.

    Ein etwas mysteriös wirkender Zwischenfall ist mir aus dieser Zeit noch in Erinnerung.

    Ich hatte wieder einmal Mandelentzündung an der ich nach meiner Krankheit öfters litt und lag in der Küche auf dem Sofa. An diesem Herbstabend gab es wieder einmal Fliegeralarm, aber es passierte nichts Schlimmes. Der Himmel war bedeckt, es war stockdunkel.

    Nach der Entwarnung ging meine Schwester auf den Hof und durchs Tor auf den Weg. Sie sah ein Licht, wie von einer Stalllaterne, in etwa einem Meter Höhe ganz gleichmäßig entlang schweben. Sie dachte es wäre der Sohn des anderen Nachbarn, und ging dem Licht neugierig entgegen. Als sie sich dem Licht bis etwa einem Meter genähert hatte stieg es kerzengerade in die Höhe. Sie bekam einen großen Schreck, rannte weg und kam ins Haus zurück. Mein Vater ging darauf in den Garten. Er sah das Licht (oder ein anderes) in gleichmäßiger Höhe durch den Garten schweben. Es durchquerte den Gartenzaun und die Hecke ohne Veränderung von Geschwindigkeit und Höhe.

    Obwohl ich das Ereignis nicht selber erlebt habe ist es mir in Erinnerung geblieben und hat mich beeindruckt. Eine einleuchtende Erklärung dazu habe ich nie bekommen.

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    In dieser Zeit überschlugen sich die Ereignisse bei uns.

    Mein Vater erkrankte im Spätherbst 1944 an einer Lungen- und Rippenfellentzündung schwer, so dass wir das Schlimmste befürchten mussten. Der Arzt, Dr. Bunge, war ein SS-Arzt. Er hatte keine Ahnung und kannte unsere Familie nicht, wahrscheinlich war ihm der Tod ziemlich gleichgültig.
    Meine Mutter hat einen anderen Arzt privat gewonnen und bezahlt. Die Behandlung wurde mit seinen Mitteln und Methoden fortgesetzt, mein Vater überlebte und erholte sich langsam wieder. Dr. Bunge schrieb ihn noch lange krank, so dass er erst im Februar 1945 wieder zur Arbeit konnte.
    So schlimm die Krankheit auch war, sie hatte auch ihre guten Seiten. In dieser Zeit wurden alle noch wehrfähigen Männer zum Kriegsdienst eingezogen. Rückstellungen durch die Betriebe gab es nicht mehr. Meinen Vater hätte es bestimmt auch erwischt. Keiner weiß was dann geschehen wäre.

    Der Gesundheitszustand meiner Großmutter verschlechterte sich immer mehr. Sie nahm die Zeit meiner Mutter stark in Anspruch. Unsere Stube war fast nur noch ein Krankenzimmer.

    Die Nervosität im ganzen Land stieg bedrohlich an.
    Regelmäßig gab es Fliegeralarm und wurde auch Berlin bombardiert, aber auch viele bekannte Städte wurden durch Bomben zerstört.
    Alle hofften davonzukommen.

    Das drückt sich auch in Aussprüchen der damaligen Zeit aus, wie:

    • Der Gruß "Bleibe übrig !"
    • oder "Genießt den Krieg, der Frieden wird schrecklich !"

    Unser Nachbar dichtete angesichts der täglichen Bombardierung:

    Chemnitz mit den Essen,
    das werden wir nicht vergessen.
    Dresden werden wir schonen,
    da wollen wir drin wohnen.

    Von der Stadt wurden die Geschäfte auf das Dorf ausgelagert. In das Haus meiner Großmutter väterlicherseits, etwa 100 m von unserem Haus entfernt, wurde eine Apotheke, Herr Tonn, ausgelagert.

    Weihnachten 1944 blieb trotz all der Probleme ein schöner Höhepunkt mit all seinen Ritualen und auch Geschenken.

    Wir lebten jetzt ziemlich eingeengt, der Christbaum Stand in der Küche und auch die Geschenke bekamen wir in der Küche. Das Stubenmöbel war irgendwo im Hause verstaut. Neben dem Bett meiner Großmutter war nun auch das Bett meiner Mutter in der Stube mit aufgestellt, da sie auch nachts für meine Großmutter da sein musste.

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    Der Krieg kommt zu uns!

    Neben den Schreckensmeldungen von der Front, den regelmäßigen Fliegeralarm und den Gerüchten über den baldigen Einsatz von Wunderwaffen spürten wir den Krieg auch an den Flüchtlingsströmen die durch unser Dorf zogen.

    Kommissionen gingen durch die Haushalte um nachzusehen ob sich Flüchtlinge einquartieren ließen. Unser Wohnraum war so beengt, dass wir davon verschont blieben.

    Es gab punktförmige Bombenangriffe auf Betriebe in Chemnitz, erinnern kann ich mich an eine schwarze Rauchfahne am Horizont.
    In den ersten Monaten, wenige Tage nachdem mein Vater gesund geschrieben wurde und wieder auf Arbeit ging, gab es vormittags Alarm. Meine Mutter rief mich ins Haus und trug mir auf in der Stube Blumen zu gießen.

    Als ich dem ersten Blumenstock auf der Fensterbank Wasser gegeben hatte gab es einen furchtbaren Schlag. Der Fensterflügel vor mir sprang auf, gleichzeitig sah ich eine schwarze Fontäne auf Löfflers Grundstück in den Himmel steigen und kurz danach schlugen Erdklumpen auf unseren Grundstück ein.

    Ich rannte in die Küche. Dort stand versteinert meine Mutter.

    Begleitet von rauschen erfolgten weitere Explosionen, in einigen Metern. Plötzlich sah ich einen grauen Körper unmittelbar vor dem Küchenfenster am Augustapfelbaum einschlagen. Ich glaubte, "das ist das Ende".

    Meine Mutter zog uns, meine Schwester und mich, in den Vorraum. Dieser Raum war von etwa einen dreiviertel Meter starken Wänden umgeben.
    Wir konnten uns nicht entschließen in den Keller zu gehen, da er uns, bei der Stärke der Bomben, bei einem direkten Treffer keinen Schutz geben konnte. Wir fürchteten im Gegenteil, bei einem nahen Einschlag, verschüttet zu werden.
    Hier konnten wir nicht nur das Zischen und die Einschläge hören, sondern auch das brummen der Flugzeugmotoren. Nachdem die Motorengeräusche leiser wurden und wir noch unverletzt waren schöpften wir wieder Mut.
    Aber das teuflische Spiel wiederholte sich noch einige Male.

    Der Höllentanz dauerte wahrscheinlich nicht länger als eine halbe Stunde.

    In dieser Zeit habe ich Todesängste gehabt wie nie zuvor, und danach in meinem Leben. Es war das Gefühl des Ausgeliefertsein und der völligen Hilflosigkeit.

    Nachdem es Entwarnung gegeben hatte, gingen wir vorsichtig aus dem Haus.

    Es gab nur geringe Schäden an den Gebäuden. Überall lagen Flugblätter herum. Einige habe ich aufgehoben und gelesen.
    Den genauen Wortlaut habe ich nicht behalten, aber sinngemäß stand dort, dass wir unseren Führer beseitigen sollten und kapitulieren, sonst würden wir alle vernichtet.

    Der Sinn dieser Worte der Herren Amerikaner ging mir erst später ein.

    Meine Mutter nahm mir die Flugblätter schnell weg und verbrannte sie im Ofen, schließlich war der Besitz von feindlichen "Propagandamaterial" streng verboten.

    Mein Schrecken über den grauen Gegenstand der in unseren Garten fiel löste sich auch auf. Es war nur die Umwandlung einer Flugblättertonne.

    Des Nachbars Sohn, Seidel Rudi, inspizierte das bombardierte Gelände, dabei explodierte eine Zeitzünderbombe. Es zerriss ihm die Lunge, er war sofort tot.

    Insgesamt hatte unser Dorf nur 12 Tote zu beklagen.

    Die Bomben waren um etwa 100 m hinter den Häusern eingeschlagen, waren also über uns hinweggezischt.

    Bezeichnenderweise war eine Familie unter den Toten, die in einem "sicheren" Erdbunker Schutz gesucht hatten. Gegen einen direkten Treffer dieser Bomben half nichts.

    Über den Luftschutzkeller musste an der Wand mit weißer Farbe "LSR" geschrieben werden, um Rettungskräften einen Hinweis zu geben. Von uns wurde diese Abkürzung mit "Leichensammelraum" übersetzt, leider stimmte das oft.

    Das Leben ging weiter, wenn auch hektischer.
    Der Unterricht fiel durch Fliegeralarm oft aus, jede Woche kamen neue Schüler in unsere Klasse. Es waren Kinder von Flüchtlingen, die in unserem Dorf Unterschlupf gefunden hatten. Lange Treck\'s mit Pferdewagen zogen durch unser Dorf.
    Nachts gab es nicht nur Fliegeralarm, oft hörten wir auch aus der Entfernung die Bombardierung und sahen den Schein der brennenden Städte.

    Besonders der 13. Februar ist mir in Erinnerung.

    Es war zwar üblich, dass Bomber in der Nacht über uns hinweg brummten. An diesen Tag war das Brummen so intensiv und bedrückend, dass wir sogar kurzzeitig entgegen unserer sonstigen Gewohnheit in den Keller gegangen sind. Es erfolgte dann auch die Bombardierung einer Stadt. der rote Schein am Himmel, vor allem aber das Flackern und sogar leichte Erschütterungen zeigten uns die schwere des Angriffes. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass Dresden brennt. Wir haben auf Frankenberg dann auf Freiberg getippt.
    Es war aber die Zerstörung Dresdens.

    Am 5. März traf es Chemnitz.

    In Erinnerung ist mir geblieben, dass an diesem Tag sehr viel Schnee gefallen war. Auf dem Scheunendach lag er mindestens 25 cm hoch. Nach dem furchtbaren Bombardement, was wir auch im Hause spürten, sind wir nachdem es ruhiger wurde ins Freie gegangen. Der Schnee schimmerte rosa, es war ein solches Leuchten, dass man Zeitung lesen konnte. Wir gingen vor das Tor und sahen einzelne Bomber im Tiefflug über uns. Eigentlich waren wir leichtsinnig, bei der Helligkeit und dem Schnee waren wir gut zu erkennen und konnten abgeschossen werden. Aber damals hat sich eine gewisse Leichtsinnigkeit eingeschlichen.

    Mein Vater war vor Beginn des Bombardements vor dem Hof und hat beobachtet wie die "Christbäume", gesetzt worden. Diese wurden aber vom Wind weiter nach Süden getrieben, so dass sich das Bombardierungsfeld weiter von uns entfernte. ("Christbäume" nannte man die Leuchtbojen die von den Pfadfinderbombern gesetzt wurden, um das Vernichtungsfeld zu markieren). Er beobachtete auch wie die Bomber Phosphor über der Stadt ausgossen, was wie ein schillernder Vorhang ausgesehen haben muss. In der Morgendämmerung kamen dann rußverschmierte Chemnitzer aus der Stadt bei uns im Ort an, die den Angriff überstanden hatten.

    In dieser Zeit wurde auch die Hysterie vor feindlichen Spionen immer mehr angeheizt. Vielleicht waren die Befürchtungen der Staatsmacht auch berechtigt.

    In einem benachbarten Einfamilienhaus der Familie Buschmann wurde in der Schleusenanlage ein Fallschirm gefunden. Ihr Ziehsohn, Hermsdorf, Hans, war kurz vor dem Angriff auf Chemnitz von einem englischen Flugzeug abgesprungen und hatte den Fallschirm bei seinen Eltern versteckt. Die Eltern wurden verhaftet, der Sohn konnte seine "Mission" erfüllen.

    Die Eltern kamen mit dem Leben davon, da vor Ende des Prozesses der Krieg zu Ende war. Die Karriere von Hermsdorf, Hans begann unmittelbar nach Ende des Krieges.

    Für einige Tage war er Bürgermeister in Oberlichtenau, dann für ein paar Tage Bürgermeister in Chemnitz. Die Russen suchten nach ihm, er konnte entkommen - ging nach Bonn - und wurde in der SPD ein großes Tier.

    Ob er die Bombardierung auf Chemnitz mit gelenkt hat bleibt für immer offen.

    Das Leben ging zwischen Fliegeralarm und der Angst, dass unser Vater zum Volkssturm eingezogen wurde weiter, wenn auch unruhiger. Kriegsgefangene, oder wer auch immer, hatten die Blindgänger ausgegraben und entschärft. Eine solche Bombe lag vor \'Löfflers\' Gut, am gemeinsamen Wege, der auch zu unserem Haus führte. An der vorderen Rundung war an den Bomben der Zünder entfernt worden. Man konnte durch das Loch konnte man da gelbliche Pulver erkennen.

    Die Mutprobe bestand für uns Kinder nun darin, mit einem Nagel oder Stift in dem Pulver zu rühren. Einer führte es aus, wir anderen Standen ringsum, wohlwissend, dass wir bei einer Explosion alle weg gewesen wären. Ich erinnere mich daran, dass es mir dabei kalt über den Rücken lief!

    Doch die Ereignisse überschlugen sich.

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    Die "Westfront" rückt näher!

    Ende März oder zu Anfang vom April näherten sich amerikanische Truppen unserem Dorf. Neben den beunruhigenden Berichten kündigte sich die Front mit Tieffliegern an.

    Wir versuchten bei Flugmotorenlärm sofort einen Unterschlupf auf.
    Erinnern kann ich mich an ein großes Donnerwetter von meinen Vater. Ich sollte irgend etwas im Dorf besorgen. Plötzlich ertönte Motorenlärm, daraufhin bin ich zum nächsten Eingang, unserem Nachbarhaus gerannt. Es ist auch nichts passiert. Mein Vater hatte das beobachtet. Er schimpfte, \'ich hätte mich bei den Motorengeräuschen sofort flach auf den Boden in die Mulde zum Zaun legen sollen\', aber da waren Brennnesseln und ich hatte keine Lust dazu.

    Auf der Straße zur "Wettinhöhe" haben sie später ein Militärfahrzeug erwischt, die Straße war von unserem Haus aus gut zu sehen. Es hat gewaltig geknallt, meine Schwester hat das vom Tor aus beobachtet. Im Pflaster waren die Einschläge noch Jahrzehnte zu sehen.

    Dann kam der Kriegsalarm, mit einem minutenlang anhaltenden Dauerton der Sirene.

    Erinnern kann ich mich an die schwarze Rauchsäule, die vom Militärdepot an der Grenze zwischen Oberlichtenau und Auerswalde hochstiegen. Die Wehrmacht hatte das Depot beim Rückzug angezündet.

    Viele Bewohner unserer Dörfer, auch mein Vater, nutzten die Gelegenheit und versorgten sich aus den Lagern, in denen ja nicht alles gleich verbrannt war, mit nützlichen Dingen. Den Soldaten war es gleichgültig, sie hatten das Depot befehlsgemäß vernichtet.

    Wir hatten nun reichlich Filzstiefel und Gummistiefel, aber auch Taschenlampen und Kerzen, meine Mutter hat aus Fahnenstoffen Kleider geschneidert. Es gab dort viele Dinge, die wir gut verwenden konnten. Später nachdem das Ärgste vorbei war, holten wir mit einem großen Handwagen Eisenbahnschwellen vom Lager, schraubten die Metallbesätze ab und hatten gutes Feuerholz.

    Das Nahen der Front kündigte sich auch mit entfernten Artilleriefeuer an.

    Es bestand die Gefahr, dass mein Vater noch in letzter Minute zum Volkssturm eingezogen wurde, glücklicherweise wurde aus dem Stürmen des Volkes in unserem Ort nichts. Entsinnen kann ich mich an eine kleine ungarische Einheit mit geschulterten Panzerfäusten, die auf der Dorfstraße entlang marschierten.

    Plötzlich sagte man, im Oberdorf sind die Amerikaner.
    Unsere Soldaten waren nur noch im Unterdorf und in Frankenberg.

    Es gab wieder Artilleriefeuer, aber diesmal flogen die die Granaten über uns hinweg. Obwohl ich sie über uns hinweg pfeifen hörte, habe ich nie eine gesehen.

    Da die Situation beunruhigend war sind wir in den Keller gegangen. Erinnern kann ich mich an einen Abend im Keller, wo ich eingeschlafen bin. Mein Vater hat mich als der Beschuss aufgehört hatte, in die Küche getragen. Ich wunderte mich als ich aufwachte und auf dem Sofa in der Küche lag.

    Es war nun April und damit Zeit für das Kartoffel legen. Krieg hin oder her. Lebensmittel mussten angebaut werden. Darum sind wir trotz des über uns kreisenden Artilleriebeobachters aufs Feld gefahren und haben Kartoffeln gelegt.

    Ein anderes Erlebnis, war der direkte "Besuch" eines Amerikaners auf unserem Hof. Ein amerikanischer Soldat hatte drei oder vier einfache Bürger aus dem Oberdorf als Geiseln genommen. Diese mussten vor ihm hergehen, er folgte ihnen unmittelbar mit gezogener Pistole. Er veranlasste sie, an unser Tor zu klopfen. Meine Eltern gingen hinaus und öffneten das Tor. Ich habe hinterher durch die Haustüre geguckt.
    Mit ernster Stimme sprach er meinen Vater an: "Wer Power? ‚ Du Power?". Mein Vater nickte mit dem Kopf ‚ darauf rief er "Oir!". Einer von den Geiseln übersetzte uns: "Er will frische Eier haben". Meine Mutter holte aus dem Stall Eier, danach ist er wieder friedlich abgezogen.

    Danach wurde die Situation ernster.

    Die Amerikaner verlangte von unserem Bürgermeister, dass wir weiße Fahnen heraushängen sollten, sonst würde das Dorf zusammengeschossen.

    Die SS vom unteren Dorf verlangte "Kampfbereitschaft" von uns und sagte, dass jeder der eine weiße Fahne zeigt, erschossen wird.
    Der Bürgermeister zog als Kompromiss auf dem Gemeindeamt eine weiße Fahne auf, die Amerikaner waren damit zunächst zufrieden, jedoch die deutsche Wehrmacht nicht.

    Am kommenden Tag schlich ein kleiner Trupp von Männern in Zivilkleidung mit Gewehren hinter den Gütern vorbei in Richtung Gemeindeamt. Einer drehte sich halb zu mir um. Mein Vater rief mich sofort ins Haus zu kommen. Er war sehr aufgeregt. Wir schlossen Fenstern und Türen.

    Die Schule, Jahrzehnte später Foto: privat

    Kurze Zeit danach explodierte die erste Granate in unserem Dorf. Eilig gingen wir in den Keller. Die Granaten schlugen in nächster Nähe ein. In einen angrenzenden Haus Hummel etwa 100 m entfernt. Es gab nur ein großes Loch in dem Massiven Gemäuer, in meiner Schule etwa 150 m entfernt war in der Stirnseite ein ähnliches Loch vorhanden, bei Mersteins, auch etwa 150 m entfernt brannte das Gebäude ab und an vielen anderen Stellen. Der Beschuss hatte das Ziel, die Gruppe, die unseren Bürgermeister festgenommen hat, aufzuhalten bzw. zu töten. Die Gruppe konnte aber entkommen, aber der Schaden an Gebäuden und Gehöften war beträchtlich.

    Anmerkung: Unser Bürgermeister Fischer kam auch mit dem Leben davon. Er kam zwar in Augustusburg vor Gericht, aber im Verlauf des Prozesses endete der Krieg. Da er aber Parteigenosse war, durfte er nicht mehr Bürgermeister werden. Er arbeitete danach für die Kirche.

    Wir waren danach faktisch Einflussgebiet der Amerikaner. Es wunderte mich, dass trotzdem aus Frankenberg Baufahrzeuge vom Elektrizitätswerk kamen, um die elektrischen Freileitungen zu reparieren, die durch den Artilleriebeschuss beschädigt wurde.

    Doch nach wenigen Tagen ging dieser Spuk zu Ende, die Amerikaner zogen sich, noch im April, zurück!

    Eine kleine Einheit von unserem Militär kam zurück und verschanzte sich im Wald von unseren Nachbarn. Sie sägten Bäume um und errichteten eine Blockhütte.

    Obwohl der Staat in Auflösung war, wurden wieder Bomben, wenn auch nicht in dem Umfang, auf Chemnitz geworfen.
    In unseren Ort wurden gepanzerte Raupenschlepper abgestellt, die uns später als Spielzeuge dienten.

    Das Gefühl der Auflösung war überall zu spüren.

    Durch das Dorf zogen wieder Flüchtlinge. Die Flüchtlinge kamen jetzt nicht mehr aus Schlesien oder Ostpreußen, sondern aus Sachsen. Auch mein Onkel aus Ziegenhain bei Nossen kam mit seinem Auto zu uns.

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    Hilfe die Russen kommen!

    Meine Eltern stellten Überlegungen an, alles in Stich zu lassen und gen Westen zu fliehen, mit der kranken Großmutter! Glücklicherweise wurde diese Idee sofort verworfen.

    Im Radio hörten wir, dass die deutsche Armee bedingungslos kapituliert habe. Als letztes erklang noch ein Teil der fünften Sinfonie von Beethoven, dann schwieg der Sender.

    Es war kein Artilleriefeuer mehr zu hören, auch sonst war alles ruhig, aber die Spannung war unerträglich.
    Durch Mund zu Mund Propaganda hörten wir - die Russen sind im Anmarsch!
    Bald rollten auf der Landstraße Mittweida - Chemnitz endlos scheinende Truppenverbände vorbei.
    Wir standen am Tor lauschten nach den Geräuschen der vorbeiziehenden Truppen und warteten auf die Dinge die kommen würden.
    Eines der Militärfahrzeuge scherte aus und hielt auf unserem Weg am Sportplatz an. Wir zogen uns etwas zurück. Ein einzelner russischer Soldat kam den Weg entlang, trotzdem blieben wir wie versteinert am Tor stehen.

    Er kam auf uns zu und legte mir die Hand auf die Schulter, und sagte im freundlichen Ton:

    "Krieg aus".

    Leider waren die folgenden Begegnungen weniger freundlich. Keiner wusste wie es weitergehen sollte!!

    An den Gemeindetafeln und auch an anderen Stellen konnte man große Aushänge sehen, die überschrieben waren mit:

    Befehl Nr." X"
    und unterzeichnet mit:
    Marschall Schukow.

    Der Inhalt ist mir weitgehend entgangen, aber es war so ziemlich alles für die Bevölkerung verboten und alles Mögliche wurde angeordnet. Natürlich waren Schusswaffen verboten, aber es wurde auch die Moskauer Zeit eingeführt, also die Uhren zwei Stunden vorgestellt.

    Auf dem Gemeindeamt wehte nun eine Fahne mit einem Kreis dann, auf dem stand:
    "Antifaschistische Demokratische Ordnung".
    Ordnung zog damit nicht ein, bestenfalls Angst.

    In unserem Dorf wurden sechs Männer abgeholt, darunter der Ortsgruppenleiter, der Fabrikant Klingner, der Gestapochef gewesen sein soll, der Volkssturmführer und andere. Es gab jede Menge Übergriffe durch das russische Militär.

    Im Nachbargehöft wohnte auch eine junge Frau, deren Mann im Krieg war. Ein Russe hatte ihre Wohnung entdeckt. Ich hörte sie vom Garten aus schreien.

    Meine Eltern sagten mir es sei nichts passiert. Als der Bauer und andere auftauchten, sei er gegangen?

    Ich kann mir auch heute noch nicht vorstellen, dass der Hahn Bauer so viel Mut aufgebracht hat. Die Frau war am nächsten Tag wieder zu sehen. Was war?

    Auch bei uns wurden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Meine Schwester, 19 Jahre alt, war auch in Gefahr. Am Fenstersteg der Schlafstube war ein dickes Seil befestigt, an dem sie sich hinablassen sollte um sich im nahen Gebüsch zu verstecken. Obwohl Russen auch bei uns auftauchten und suchten, musste sie diesen gefährlichen Fluchtweg nie benutzen.

    Aber es gab auch Frauen, die bereitwillig mitmachten!

    Die Tochter vom übernächsten Bauern, die Löffler Ursel, ging mit einem russischen Sergeanten, dem "Fedor". Fedor war wahrscheinlich in Frankenberg stationiert. In Erinnerung ist mir eine Episode im Spätsommer. Wir hatten einen großen Obstgarten mit Apfelbäumen die übervoll rotbäckige Äpfel trugen. Er hatte sich einen Fotografen aus Frankenberg geschnappt und kam mit seinem Motorrad und Löfflers Ursel zu uns und lies sich unter dem Apfelbaum mit ihr im Arm fotografieren.

    Es wurde in den ersten Monaten viel geraubt. Alle versteckten ihre Wertsachen irgendwie. Ãœber dem alten Torbogen zum Waschhaus war ein Hohlraum, in dem waren unsere Wertsachen eingemauert.
    Mein Onkel, der ja auch nicht zurück konnte, hatte sein Auto bei uns im Schuppen versteckt.
    Der Schuppen war so unscheinbar, dass auch unser Nachbar Seidel, Pferde über einen Schleichweg in dem Schuppen versteckte, knapp hinter dem Auto.

    Meine Eltern haben dann immer Blut und Wasser geschwitzt, denn wenn das bekannt geworden wäre hätte uns viel Ärger erwartet, vor allem wegen des Autos. Aber es war auch nicht möglich dem Nachbar die Hilfe zu verweigern.

    Pferde "konfiszieren" oder besser stehlen war an der Tagesordnung.
    Aber es gab auch "Pferdehandel". Die Russen waren immer auf der Suche nach Alkohol. Russen kamen zu unserem Nachbar, Seidel, und boten ihm ein Pferd an, für fünf oder sechs Flaschen hochprozentige Spirituosen. Wir halfen ihm aus mit zwei Flaschen Schnaps und - zwei Flaschen Spiritus. Ich habe nie geglaubt, dass man Spiritus trinken kann!

    Der Handel kam zustande, der Bauer erhielt ein gutes Pferd, die Rosel, die dort noch lange ihren Dienst geleistet hat.

    Geklaut wurde was nicht Niet- und Nagelfest war!

    Meine Eltern hatten zwei neuwertige Fahrräder, die sie in der Scheune abstellten. Durch Ritzen im Tor war jedoch etwas zu erkennen. Zwei Russen auf Organisationstour brachen das Tor auf und fuhren mit den Rädern davon. Zu dieser Zeit waren wir auf dem Feld, die Diebe konnten wir nur noch von hinten sehen!

    Wahrscheinlich hätten wir sie auch nicht aufhalten könne, wenn wir rechtzeitig zurückgekommen wären!?
    Zurückgelassen hatten sie ein Wrack von Fahrrad - ohne Gummibereifung.
    Eine neue Gummibereifung war damals nicht zu beschaffen, dafür gab es Pappblättchen, die in die Feigen gedrückt wurden.
    Das Radfahren mit diesem Gerat war sehr unbequem, es hatte keinerlei Federung und rumpelte fürchterlich. Es wurde von uns "Russenpanzer" genannt.

    Ein einzelner Reiter brachte uns eine andere Aufregung.

    Er ritt den Weg hinter den Gütern lang, vor unserem Haus stieg vom Pferd und hämmerte gegen das Tor. Mein Vater musste aufmachen.

    Meine Mutter und meine Schwester hatten sich unsichtbar gemacht, so waren wir allein mit dem Russen.

    In dieser Zeit waren wir alle sehr einfach und unauffällig gekleidet und waren auf alle möglichen Überraschungen vorbereitet.

    Der Reiter ging auf meinen Vater zu rief "Stoi" und versuchte ihm die Zügel in die Hand drücken, aber mein Vater wich zurück, so als hatte er Angst vor dem Pferd.

    Nach nochmaligem vergeblichem Versuch band er das Pferd an einem Bitzableiterdraht neben dem Fenster an.
    (Anm.: Hinter dem Fenster lag meine gelähmte Großmutter im Bett. Das Pferd war sehr unruhig, der Pferdekopf war direkt über ihren Kopf. Sie hatte große Angst gehabt.)

    Der Reiter schob meinen Vater zur Seite und ging ins Haus.
    Unser Haus war überbelegt und große Werte lagen bestimmt nicht herum.
    Mein Vater flüsterte mir zu, wenn ich dir sage "geh zum Kommissar!", rennst Du los und wartest unten auf der Dorfstraße eine ganze Weile.
    Wir gingen hinter dem Reiter ins Haus. Hier fand er zunächst nichts was ihn interessierte. Im ersten Zimmer lag meine gelähmte Großmutter, er machte die Türe schnell wieder zu. Die Küche und der Kuhstall wurden ignoriert.

    Nun ging es in den ersten Stock.

    Hier öffnete er zuerst die Türe zu unserem Auszügler, Herrn Teufert. Die Wohnung war grauenvoll vernachlässigt. Er kommentierte es mit "Oh Bum Bum", und schloss die Türe. Dann ging er ins Schlafzimmer meiner Eltern, die hell und freundlich war.

    Mit "AH" stürmte er hinein und öffnete die Schranktür und entnahm Kleidungsstücke. Mein Vater sagte zu mir "geh zum Kommissar! ". Ich schwirrte ab und hielt mich auf der Dorfstraße auf.

    Diese Worte hatten jedoch Wirkung gezeigt. Er bedrohte zwar meinen Vater wegen meines Weggehens. Lies aber die Kleidung hängen und begnügte sich mit einen Glas Pfirsischkompott aus dem Nachbarraum.

    Diese verspeiste er in aller Ruhe auf der Bank im Hof.
    Nach längeren warten kam ich zurück. Er saß noch immer da und verließ dann kommentarlos den Hof.

    Es gab noch viele aufregende Erlebnisse in diesen unruhigen Tagen, aber erstaunlicher Weise - sind mir keine Todesfälle in Erinnerung. Nur vom Niederdorf ist mir in Erinnerung, dass Russen dort in einem Haus zwei Männer erschossen hatten.

    Bei unseren Nachbar wurden für eine Nacht russische Soldaten einquartiert, die aßen gemeinsam mit dem Bauer in der Küche. Es floss dabei viel Alkohol, anschließend zerschossen sie mit der Kalaschnikow (Anm.: die Kalaschnikow wurde erst 1947 eingeführt, daher die Bezeichnung AK47. Gemeint ist wahrscheinlich die "PPSh-41".) die Schüssel. Die Durchschüsse im Tisch waren lange noch zu sehen.

    Aus dem Ort kamen öfters Leute und kauften bei uns Milch. Einer brachte einen runden konischen Kegel aus Metall mit. Er gab ihn mir zum Spielen, mit dem Hinweis, es sei ein Kreisel. Am Abend habe ich mich in unserer Wohnküche der Untersuchung dieses Kreisels gewidmet. Das Ding war relativ schwer, am dicken Ende war abgesetzt ein Feingewinde. Die Spitze war keine Kugelfläche sondern leicht nach innen gerundet. Mir wurde klar, dass das Gerät nicht zum Kreisel taugt.
    Daraufhin wollte ich es irgendwie auseinandernehmen. Es ging nicht. und ich begann mit dem Hammer daran zu klopfen, dabei fiel mir auf, dass im Metall der Reichsadler eingraviert war.
    Jetzt kamen mir doch starke Bedenken. Ich zeigte das Ding meinen Eltern, die es auch sofort als Zünder einer Bombe identifizierten, die bekanntlich sehr empfindlich sind vor allem gegen Schläge. Die Explosion hätte gereicht, um mich zu töten.

    Mein Vater stellte es sicher, indem er es auf den Küchenschrank legte. Am nächsten Tag warf er es in Löfflers Bombentrichter, damit hatte es sich.
    Man ging zu dieser Zeit viel gelassener als heute mit Gefahren um.

    Unser Nachbar lies zwei deutsche Soldaten, die sich nach Hause durchschlagen wollten, in seiner Scheune übernachten. Am Morgen waren die beiden fort, aber in der Scheune hatten sie zwei voll funktionsfähige Gewehre zurückgelassen! Waffenbesitz wurde damals mit dem Tode bestraft. Die Gewehre waren zu groß um sie heimlich in den Bombentrichter verschwinden zu lassen. Er versteckte sie unter der Tenne in der Scheune und hofft, dass sie nicht gefunden würden, trotzdem waren sie für ihn eine ständige Bedrohung.

    In dieser Zeit gab es viele Stromabschaltungen. Wir saßen dann abends bei einer Ölfunzel zusammen. Wanderungen zur Toilette erfolgten mit der Kerze in der Hand, es war unbequem.

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    Das Leben nach dem Krieg nimmt Gestalt an

    Trotzdem normalisierte sich das Leben allmählich. Die russischen Kampftruppen zogen ab, dafür kamen die Besatzungstruppen.

    Im Frühjahr 1946 wurde in unsere Wohnung eingebrochen. Wir wohnten im Erdgeschoß, schliefen aber im Obergeschoss. Es ist zwar heute kaum vorstellbar, dass während wir schliefen, die Russen im Erdgeschoß räuberten. Es war überall Unruhe und wir hatten einen festen Schlaf. Sie haben 14 Gläser gepökeltes Schweinefleisch, unser großes Radio und ein paar Flaschen Schnaps mitgehen lassen, dazu meine kleinen Ostereier aus Zuckerguss. Alle Fächer waren aufgezogen und die Sachen lagen auf dem Boden.

    Wir erfuhren, dass eine Panzerdivision abgezogen worden ist und sie sich vor der Heimfahrt mit Kriegsbeute versorgt hat.
    Ob wir die Einbrecher überhaupt hätten vertreiben können ist sehr unsicher.
    Mir sind Fälle im Ort bekannt, wo durch große Aufmerksamkeit vor allem der Nachbarn, sie dann doch abgezogen sind.

    Mein Vater konnte wieder in seinen Betrieb, der Bernhard Escher AG, arbeiten. Allerdings verlief das ganz anders. Die Arbeit wurde eingestellt und die Belegschaft durfte ihre Maschinen demontieren, die gesamte Einrichtung ging als Reparationsleistungen nach Russland. Diese Arbeit widerstrebte allen, sie wurden dazu dienstverpflichtet. Mein Vater klagte über schwere Schmerzen, damit wollte er nur einen Weg aus dem gesperrten Betrieb bekommen. Der sowjetische Arzt akzeptierte das und er durfte zum "deutschen Arzt" gehen, bzw. durch das Tor hinausschlüpfen.

    Mein Vater konnte mit dem Obermeister, dem sogenannten "Ober", Kontakt aufnehmen, und absprechen dass er seine Werkbank, an der er Jahrzehnte gearbeitet hatte, mit nach Hause nehmen durfte. Ich musste beim Transport der mit unseren großen Leiterwagen erfolgte mithelfen.
    Offensichtlich hatte die Werkbank die Russen nicht interessiert.(Anm.: Diese Werkbank hat mir mein Großvater "vererbt". Sie war bis 2020 in meinen Besitz. Dann habe ich sie an einen Tischler weitergegeben mit dem Versprechen, sie mit Sorgfalt zu pflegen.)

    Feldarbeit Foto: privat

    Nun war unser Vater arbeitslos, besser, ohne festes Einkommen, denn Arbeit gab es in der Landwirtschaft mehr als genug.

    Meine Eltern versuchten die Landwirtschaft noch besser zu nutzen, aber die kleine landwirtschaftliche Nutzfläche, engte die Aktivitäten ein. Meine Eltern versuchten, wo es nur ging Gärten und Ränder zu pachten. Diese mussten wir dann in Ordnung halten und durften das Gras für unsere Kühe mähen.

    Ich erinnere mich an verschiedene Gärten und Ränder. Am günstigsten war ein ganzes Stück Mittelstreifen der Autobahn. Da war Platz, auch zum Heu trocknen und unser Leiterwagen fuhr ganz leicht. Autoverkehr gab es zur damaligen Zeit kaum.

    Mit meiner Schwester und meinem zukünftigen Schwager unternahm ich mit den verbliebenen Rädern eine Radpartie zur gesprengten Autobahnbrücke von Schlegel. Auf der Autobahn war zur damaligen Zeit noch kein Verkehr und so war sie eine ideale Rollstrecke.

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    Die Neulehrer

    Schon im Herbst von 1945 wurde der Unterricht in unserer Schule wieder aufgenommen. Ein Befehl der sowjetischen Behörden verlangte die Aufnahme des Unterrichtes, verbot aber den Lehrern, die uns im "Dritten Reich" unterrichtet hatten, weiter zu arbeiten.

    Woher also Lehrer nehmen? Es wurde zunächst alles aufgelesen was der Gemeindeverwaltung vor die Tür kam und als Lehrer angestellt. Das waren im ersten Jahr, sich heimwärts durchschlagende Soldaten, die irgendwie der Kriegsgefangenschaft entgangen waren.
    Es ist verständlich, dass damit kein niveauvoller und vor allem systematischer Unterricht möglich war.
    Die Lehrer unterrichteten uns nur jeweils wenige Monate und schwirrten dann davon. An einzelne Episoden aus dieser Zeit erinnere ich mich.

    Ein hagerer freundlicher Lehrer war der Biologielehrer. Von Biologie hatte er bestimmt keine Ahnung. Er erzählte uns wie an feuchten Wänden der Erdgräben sich Moos bildet und wie unterschiedliche Formen entstehen können. Begeistert schilderte er uns Leuchtmoos und dass man es auch bei Nacht sehen kann! Er hat alles Beschriebene bestimmt als Infanterist selbst erlebt. Er war nicht lange bei uns.

    Ein früherer Feldwebel übernahm den Geschichtsunterricht. Er war ein übler Geselle. Bei ihm mussten wir nur wenige Sachen aber die jedoch buchstabengetreu auswendig lernen. Sie sind mir bis heute in Erinnerung geblieben. Sie begannen:

    Was jeder wissen muss!
    1914 begann der erste Weltkrieg
    1918 endete der erste Weltkrieg mit einer Niederlage.
    1933 ergriff Adolf Hitler die Macht....

    Es gab noch mehr solcher niveaulose Sätze, die wir auswendig lernen mussten. Trotzdem sind diese Sätze mir heute noch in Erinnerung.

    Ruhe und Disziplin setzte er bedingungslos durch. Es war gerade Winterzeit und da einer von uns im Unterricht geschwätzt hatte, mussten wir im kalten Flur stundenlang stehen. Er verschwand hinter einer Ecke und kam blitzschnell wieder hervor um einen zu erwischen der sich bewegt hat. Irgendwie hat sich einer von uns den Schnupfen geholt. Unsere Eltern haben für eine schnelle Entlassung gesorgt.

    Es gab noch eine ganze Reihe solcher Gestalten, aber allmählich kamen Lehrer, die auch länger blieben.
    Zentrale Vorgaben, etwa einen Lehrplan, gab es offenbar nicht.
    Es wurde viel mit neuen Ideen experimentiert.

    Um ein besseres Klima an der Schule zu schaffen, fasste das Lehrerkollegium den Beschluss, dass sich Lehrer und Schüler in Zukunft mit den Vornamen und mit du ansprechen sollten. Das war eine erhebliche Umstellung in unserem Verhalten, vor allem aber für die Lehrer. Es wurde viel improvisiert, klare Lehrpläne gab es offensichtlich nicht, trotzdem glaube ich, dass wir in dieser Zeit auch etwas gelernt haben.

    Einige Episoden sind mir noch in Erinnerung

    So mussten wir für unseren Deutschlehrer, Herrn Kreher, einen "Duden" mit Oberlichtenauer - Deutsch als Hausaufgabe aufstellen. Jeder Schüler bekam einen anderen Buchstaben zugeteilt.
    Aus unserem Rechtschreibebuch, mit natürlich viel weniger Worten als im Duden, entnahmen wir die Worten und schrieben die Oberlichtenauer Aussprache dahinter. Die Aufgabe versandete aber dann wieder. Es war eigentlich eine recht interessante Aufgabe.

    In dieser Zeit wurde ein Gleisstrang der Eisenbahnschienen demontiert. Die Schienen gingen als Reparationsleistung in die Sowjetunion. Dieser Vorgang erregt die Gemüter, prompt erhielten wir die Hausaufgabe einen Aufsatz zu schreiben, mit dem Titel " Eine Eisenbahnschiene erzählt".
    Natürlich sollte und konnte der Aufsatz nur einen kritischen Unterton enthalten.

    Im Wald zwischen Oberlichtenau und Ottendorf lagen die "Pulverhäuser". In diesen lagerten seit dem Weltkrieg große Mengen Granaten und unterschiedlichste Explosionskörper, teilweise in Bunkern unter der Erde, aber auch in relativ leicht gebauten Häuschen.

    Unsere Armee hat beim Rückzug nur einige, wahrscheinlich die moderneren Waffen in die Luft gesprengt, danach standen diese Lagerstätten offen. Mit meiner Schwester bin ich zwischen den übermannshohen Regalen entlang gegangen. Es waren große Bomben und Granaten, der Ort wirkte auf mich bedrückend.

    Die Russen haben dann später diese Häuser und Bunker in die Luft gesprengt, im gesamten Ort haben dabei die Türen und Fenster gewackelt. Die Granaten und Minen lagen danach weit verteilt in der Umgebung. Diese Gegend war auch danach noch eine wahre Fundgrube, aber auch ein sehr gefährliches Gelände.
    Die neu gegründete Polizei kam zu uns in die Schule und hat uns Dias mit zerfetzten Kinderkörpern gezeigt, die sich dort zu schaffen gemacht haben, um uns abzuschrecken auch in das Gelände zu gehen.

    In diesen Pulverhäusern gab es aber noch große Mengen von Brandblättchen. Die hatten Münzengröße und besaßen in der Mitte ein Loch. Sie sollen für Brandbomben gedient haben. Für uns waren sie jedoch "Handelsware". Man konnte sie geschickt aneinanderfügen und am Ende ein Häufchen aufstapeln. Durch anzünden der "Lunte" fraß sich das Feuer zu dem Häufchen und erzeugt dort eine große Stichflamme und ein starkes Feuer, ein beliebtes Spiel für uns Kinder.

    Es gab auch üble Zusammenstöße. Die um ein Jahr ältere Klasse hatte einen neuen Klassenlehrer bekommen, der ziemlich hart mit den Schülern umging. Er gab einen eine Ohrfeige. Die Klasse fühlte sich ungerecht behandelt und lauerte dem Lehrer abends auf und schlug ihn zusammen. Sie benutzten dazu einen Pumpenschwengel. Der Lehrer wurde so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Klasse drohte die unmittelbare Einweisung in ein Erziehungsheim.
    Die Schulleitung musste jedoch noch in die Wohnung des Lehrers gehen um Unterlagen zu holen. Bei dem Besuch stellten sie in der Wohnung des Lehrers fest, dass dort viel Diebesgut von Einbrüchen in der Umgebung lag. Der Lehrer war ein schon lange gesuchter Einbrecher. Die Klasse kam ohne Bestrafung davon.

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    Ein Päckchen aus Amerika

    Überraschend für mich bekamen wir ein Geschenkpaket aus Amerika von Elsie M. Deanen. Natürlich war ich begeistert, es lagen so viele schöne Dinge drin. Erinnern kann ich mich, an eine Blechdose mit Mazolaöl - einem Olivenöl. An irgendetwas Praktisches kann ich mich nicht erinnern. Es war ein weiterer Punkt der Erfahrungen mit den USA. Die USA haben von meiner frühen Kindheit an meine Phantasien beflügelt.

    Mein Großonkel wanderte zu Beginn der 20 er Jahre in die USA aus. Er konnte dort auch die schwierige Anfangszeit überwinden. Er baute Häuser und verkaufte sie bezugsfertig. Sein Geschäft ging wahrscheinlich gut, er wollte es erweitern. Im Jahr 1935, wo ich noch nicht geboren aber bereits unterwegs war, besuchte er uns.

    Dabei bot er meinen Vater an, in seiner Firma als Tischler anzufangen. Als Modelltischler war er dazu in der Lage. Meine Eltern haben sich das Angebot gut überlegt, es scheiterte daran, dass meine Großmutter schwer krank war und meine Mutter sie versorgen musste. Sie konnte nicht mit.

    Später neckten mich meine Eltern damit, dass ich beinahe ein Amerikaner geworden wäre! Obwohl ich die Ereignisse nur von den Erzählungen kannte, habe ich mir vorgestellt, wie ich von einem Wolkenkratzer in die Tiefe schaute. Amerika war etwas ganz Besonderes, etwas Schönes für mich!

    Der Krieg veränderte meine Meinung über die "Amerikaner".

    Der Bombenterror, das Vorgehen der "Amerikaner" mit Artillerie und Geiseln erzeugten eine tiefe Abneigung, gegenüber diesem Land.

    Doch jetzt traf Post und sogar ein Paket aus Amerika ein.

    Inhalt

    Wanderung zur Rochsburg

    Wir wandern in der Morgen früh bis Göritzhain
    Peter Steinert,
    Heinz Keller

    Unser Weg von Göritzhain zur Rochsburg
    Barbara Helbig

    Wir besichtigen die Rochsburg
    J. Schüßler,
    Klaus Altermann,
    Rolf Ullmann,

    Im Wasser der Mulde nehmen wir ein Bad
    Gisela Hornung,
    Horst Hofmann, Horst Engelmann

    Ein Rätsel hält uns auf
    Christa Löffler,
    Christa Römer,
    Manfred Kretzchmar

    Durchs Brauselochtal verzögert sich unser Weg
    Dietmar Auerbach,
    Heinz Seidel,
    Christa Noetzel

    Eiligen Schrittes suchen wir den Bahnhof Stein
    Ingrid Peckau,
    Giesela Fleischer,
    Helmut Irmscher

    Unser Übergang über die "Beresina" (Chemnitz)
    Irene Schmid,
    Hans-Jürgen Ulbricht, Sigrid Franz

    Unsere Heimfahrt von Stein nach Oberlichtenau
    Helmut Niedergesäß

    Zuspätgekommene suchen einen Weg
    Gisela Günther, Lisa Ranft

    Wanderung zur Rochsburg

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    © infos-sachsen / letzte Änderung: - 26.01.2024 - 09:08