Kampf gegen Pandemie Ungeimpft und bald arbeitslos? Wieso Pfleger Henning Lachmann alles aufs Spiel setzt

FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer

Mittwoch, 02.02.2022, 14:31

Ab 16. März gilt in Deutschland eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal. FOCUS Online sprach mit einem Krankenpfleger aus dem Klinikum Itzehoe, der sich nicht impfen lässt und nun um seinen Job bangt, den er eigentlich liebt. Henning Lachmann erklärt, warum er die Corona-Schutzimpfung ablehnt, welche inneren Konflikte er derzeit durchlebt und was er bei einer Kündigung notfalls tun würde. dpa / privat Protest gegen die Corona-Impfpflicht in Düsseldorf, Krankenpfleger Henning Lachmann.

Henning Lachmann (29) ist mit Leib und Seele Krankenpfleger. Seit fast zehn Jahren arbeitet er im Klinikum Itzehohe in Schleswig-Holstein. Jeden Tag pendelt er 40 Kilometer zur Arbeit, kümmert sich im Schichtdienst um Patienten, wäscht sie, versorgt ihre Wunden, gibt ihnen Medikamente und Essen, wechselt Verbände, begleitet sie zur Toilette.

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Lachmann liebt seinen Job, könnte sich keinen anderen vorstellen. "Ich bin mit Herz dabei", sagt er im Gespräch mit FOCUS Online. Natürlich sei es oft anstrengend. Um die Belastung besser zu verkraften und seine Gesundheit zu schonen, hat er seine Arbeitszeit vor zwei Jahren auf 33 Stunden pro Woche verkürzt. Mit dem Monatslohn von 2200 Euro ist der alleinstehende Mann zufrieden. "Ich komme mit dem Geld gut aus."

Impfpflicht: Krankenpfleger liebt Job - und muss nun zittern

An Arbeit mangelt es dem Pfleger und seinen Kollegen in der Abteilung "Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie" nicht. Die Station verfügt über insgesamt 36 Betten plus vier Notfallbetten, in denen Patienten nach Operationen an Galle, Darm, Bauchspeicheldrüse oder Gefäßen versorgt werden. "Die Betten sind fast immer belegt", sagt Lachmann. "Eigentlich dürfte ich nie arbeitslos werden."

Doch das könnte sich schon bald ändern. Grund: Ab dem 16. März 2022 gilt in Deutschland eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal. Laut Infektionsschutzgesetz müssen Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungs- und Pflegediensten, Geburtshäusern und anderen medizinisch-pflegerischen Einrichtungen bis zu diesem Tag Nachweise über einen vollen Impfschutz oder eine Genesung vorlegen - oder eine ärztliche Bescheinigung, dass sie nicht geimpft werden können.

privat Krankenpfleger Henning Lachmann

Skepsis, Angst, Unsicherheit: "Ich lasse mich nicht impfen!"

Dieser Umstand könnte für Henning Lachmann zum Problem werden, denn einen solchen Nachweis wird er seinem Arbeitgeber nicht vorzeigen. "Ich lasse mich nicht impfen!", erklärt der Krankenpfleger gegenüber FOCUS Online. "Aus verschiedenen Gründen." Der wichtigste: "Ich habe Angst."

Lachmann weiß, dass Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt sich gegen das Coronavirus haben impfen lassen, ohne dabei Schaden zu nehmen. Er kennt die Zusicherungen von Gesundheitspolitikern und Wissenschaftlern, die Impfstoffe - ob von Biontech, Moderna, AstraZeneca, Pfizer oder Johnson & Johnson - seien sicher und schützten vor schweren Krankheitsverläufen. Und natürlich weiß er, dass die Impfpflicht im Gesundheitsbereich nicht aus Willkür beschlossen wurde, sondern um besonders gefährdete Menschen besser zu schützen.

Dennoch ist er skeptisch. Er hat Vorbehalte.

Experten: "Schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten"

"Ich vertraue dem Impfstoff nicht. Ich habe Angst davor", sagt Henning Lachmann zu FOCUS Online. Er wisse, dass bislang nur "in extrem wenigen Fällen" schwere Nebenwirkungen aufgetreten sind, Herzmuskelentzündungen zum Beispiel, Thrombosen, allergische Reaktionen und Nervenschäden.

Zur Einordnung: Das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat Ende Dezember 2021 aufgelistet, bei wie vielen der 123 Millionen Impfungen es zu Auffälligkeiten kam, die bundesweit bis Ende November verabreicht wurden. Demnach wurden bis dahin 1,6 Verdachtsfälle pro 1000 Dosen gemeldet - das entspricht 0,16 Prozent. Betrachtet man nur die schwerwiegenden Reaktionen, liegt die Melderate bei 0,2 Verdachtsfällen pro 1000 Impfdosen - 0,02 Prozent.

Fazit der Experten: "Nach derzeitigem Kenntnisstand sind schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten und ändern nicht das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe."

Henning Lachmann: Höchstpersönliche, private Entscheidung

Doch all das kann Krankenpfleger Lachmann nicht überzeugen. Aus seiner Sicht werde "in der Öffentlichkeit viel zu wenig über Impfschäden gesprochen". Das mache ihn "noch skeptischer". Und vielleicht würde ausgerechnet er zu der sehr kleinen Gruppe gehören, die schwere Nebenwirkungen erleiden. Ein weiteres Argument: "Trotz Impfung kann ich mich mit Corona infizieren und andere Menschen anstecken."

Sich nicht impfen zu lassen, sei seine höchstpersönliche, ganz private Entscheidung, betont der 29-Jährige, der weder ein Corona-Leugner noch Querdenker oder Verschwörungstheoretiker ist. Für ihn spielt es keine Rolle, dass bereits im Juli letzten Jahres 94 Prozent der deutschen Klinik-Ärzte und 90 Prozent des Pflegepersonals vollständig geimpft waren. Er sagt: "Ich bin jung und gesund, ich kann auf die Impfung verzichten."

Pflegekräfte: "Wir arbeiten mit Herz, nicht mit Impfpflicht!"

Mit dieser Einstellung steht er nicht alleine da. Tausende Mitarbeiter in Kliniken und Pflegeheimen in ganz Deutschland haben sich bislang nicht gegen Corona impfen lassen - und wollen es auch nicht tun. Viele schauen sich schon jetzt nach neuen Jobs um, tragen ihren Protest auf die Straße ("Wir arbeiten mit Herz, nicht mit Impfpflicht!") und wenden sich in offenen Briefen an die Politik. Ihre Kernforderungen: "Wir bitten eindringlich darum, das Arbeitsverbot für Pflegerinnen und Pfleger, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind, zu überdenken."

Als Krankenpfleger, der hautnah mit geschwächten Patienten in Kontakt kommt, ist sich Lachmann seiner großen Verantwortung dennoch bewusst. Bevor er seine Arbeit auf der Station beginnt, macht er stets einen Antigen-Test, so wie es Krankenhausleitung ungeimpften Mitarbeitern vorschreibt. Einmal zeigte der Test ein falsch-positives Ergebnis an. Der anschließende PCR-Test bewies: falscher Alarm, kein Corona.

Kein Zugang und kein Gehalt für ungeimpftes Personal

In wenigen Wochen wird Henning Lachmann ein negativer Corona-Test wohl nicht mehr ausreichen, um das Krankenhaus überhaupt betreten zu dürfen. Schon Mitte Dezember 2021 informierte der geschäftsführende Vorstand des Klinikums Itzehoe sämtliche Mitarbeiter über die künftigen strengen Regeln.
In dem Brief heißt es:

"Wer bis 15. März nicht über einen vollständigen Impfschutz verfügt, wird ab 16. März freigestellt. Der Mitarbeiter kann im Klinikum und den angeschlossenen Einrichtungen grundsätzlich in keinem Bereich mehr eingesetzt werden, folglich wird auch kein Gehalt mehr gezahlt (auch keine Sozialleistungen!). Es handelt sich um gesetzliche Vorgaben, an die wir gebunden sind. Es wird keinerlei Ausnahmen geben."

Stichtag 16. März: "Ich habe Angst um meine Existenz"

Die Mitteilung hat Henning Lachmann aufgewühlt und in einen tiefen inneren Konflikt gestürzt. Spritze oder arbeitslos - vor dieser Entscheidung steht der Krankenpfleger nach zehn Berufsjahren nun. "Ich habe Angst", sagt er zu FOCUS Online. "Ich habe seit Wochen Angst. Angst, meinen Job zu verlieren, Angst um meine Existenz."

Er berichtet von einem "unheimlichen Druck", dem er sich derzeit ausgesetzt fühlt. Er spricht von "Nötigung" und "Erpressung". Dabei meint er nicht seinen Arbeitgeber, der ja nur die gesetzlichen Vorgaben umsetzt, sondern die politisch Verantwortlichen, die die Entscheidung beschlossen haben. "Die haben das sicherlich mit den besten Absichten gemacht, aber für Menschen wie mich sind die Konsequenzen fatal", so Lachmann.

Krankenpfleger: "Mit gebrochenem Herzen und großer Trauer"

Seine Kolleginnen und Kollegen auf der Station wissen bereits, dass er sich nicht impfen lässt. "Gottseidank grenzen sie mich nicht aus, es gibt kein Mobbing oder sowas", sagt der Pfleger. "Sie sind traurig, manche verstehen es auch nicht, aber eigentlich wird nicht darüber geredet." Irgendwann wird Henning Lachmann seine Vorgesetzten informieren müssen, spätestens wenn der Dienstplan für März gemacht wird. Dann wird der langjährige Pfleger erklären, dass man ab 16. März voraussichtlich nicht mehr mit ihm rechnen kann.

"Im schlimmsten Fall werde ich der Klinik mit gebrochenem Herzen und großer Trauer den Rücken kehren", sagt Lachmann. Zugleich erklärt der Pfleger, dass er seinen Arbeitsplatz nicht kampflos räumen werde. "Wenn die Klinik mich am 16. März unentgeltlich freistellen oder sogar kündigen würde, würde ich dagegen klagen."

Lachmann hofft auf Lösung, würde aber auch kämpfen

Lachmann beruft sich auf die Regelungen des am 10. Dezember 2021 geänderten Infektionsschutzgesetzes. Demnach sind Klinikleitungen zunächst nicht gezwungen, Mitarbeiter unverzüglich freizustellen, die ihnen zum Stichtag keinen Impfnachweis vorgelegt haben. Stattdessen müssen sie "unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt" informieren. Laut Bundesgesundheitsministerium entscheide das Gesundheitsamt "nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall über die weiteren Maßnahmen" wie Betretungs- oder Tätigkeitsverbote. Dabei würde "auch die Personalsituation in der Einrichtung" berücksichtigt. Auf Deutsch: Kein Arzt oder Pfleger, der sich nicht impfen lässt, verliert automatisch den Job.

Krankenpfleger Henning Lachmann hofft, dass es für ihn und andere Betroffene mit ähnlichen Vorbehalten "noch irgendeine positive Lösung" geben wird. Falls nicht, erwägt er sogar den Gang nach Karlsruhe. Vorsorglich hat er Kontakt zu Juristen um den Dresdner Rechtsanwalt Frank Hannig aufgenommen, die an diesem Montag eine Muster-Verfassungsbeschwerde online gestellt haben. Die entsprechende Vorlage wurde bereits 6500-mal heruntergeladen.

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Quelle: focus.de