Mittwoch, 20.01.2021, 18:18
In Deutschland wird der Lockdown bis 14. Februar verlängert - und das Land stöhnt unter der Pandemie-Last. Anders als viele europäische Staaten braucht Finnland keinen Shutdown - weil das Land an einigen wichtigen Stellen auf das Virus reagiert wie asiatische Länder. Ein Blick auf die Todesraten in der Coronapandemie im Ländervergleich enthüllt auch Nicht-Experten schnell, dass Finnland viel weiter bei der Bekämpfung der Coronapandemie ist als Deutschland. Denn während bei uns die Zahl der Coronatoten in großen Schritten auf die traurige Marke von 50.000 Opfer zugeht, sind es in Finnland derzeit noch nicht einmal 625. Ins Verhältnis zur wesentlich kleineren Bevölkerung gesetzt bedeutet dies, dass in Deutschland fünfmal so viele Menschen am Covid-19-Virus sterben.
Doch was machen die Finnen eigentlich anders als wir?
Ein Vergleich der Maßnahmen zwischen Finnland und Deutschland zeigt, dass die Finnen vor allem schneller und rigoroser auf die ersten Alarmsignale der Pandemie reagiert haben. Das fing schon an mit einem harten Lockdown zu einem Zeitpunkt, als die Infektionszahlen in Finnland noch sehr niedrig waren. "Das frühe Handeln, noch bevor die Zahlen anstiegen, erweist sich auch langfristig als einer der wichtigsten Faktoren", erklärte Mika Salminen, Direktor der finnischen Gesundheitsbehörde THL, der "Welt". Konkret bedeutete dies: Schon im März verhängte die finnische Regierung einen harten Lockdown über zwei Monate. Es wurde sofort ein Ein- und Ausreiseverbot verhängt. Schulen und zahlreiche andere Einrichtungen wurden geschlossen, nur auf eine Ausgangssperre wurde verzichtet.
Finnland folgt mit dieser Strategie vielen asiatischen Ländern, die aufgrund ihrer Erfahrung mit früheren Epidemien wie dem Sars-Virus von 2003 schon wertvolle Erfahrungen gesammelt hatten. Relativ harte Einschränkungen mit einer sehr frühen Reaktion gilt als Erfolgsrezept, mit denen auch asiatische Länder wie China, Taiwan oder Südkorea auf Epidemien reagieren. Taiwan etwa ordnete schon zum Jahresende 2019 Gesundheitschecks für Passagiere an, die aus Wuhan kamen - und damit jener Stadt, in der Pandemie ihren weltweiten Anfang genommen haben könnte. Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen ist dort einstellig.
Ein weiterer großer Unterschied ist, dass die Finnen es auch im Sommer nicht an Wachsamkeit mangeln ließen, als die Infektionszahlen allein schon witterungsbedingt überall zu sinken begannen. Zwar wurde hierzulande viel darüber diskutiert, wie gefährlich es sein würde, die Menschen im Sommerurlaub verreisen zu lassen. Die deutschen Epidemiologen hatten vor allem jene Regionen wie die Türkei und den Balkan vorab im Blick. Denn traditionell verbringen dort viele Emigranten, die in zweiter und dritter Generation in Deutschland leben, mit der gesamten Familie den ganzen Sommerurlaub, und dies nicht selten in großen Familienverbänden unter einem Dach.
Doch während die finnische Regierung wie auch die meisten asiatischen Länder die Reisemöglichkeiten für ihre Bürger als Vorsichtsmaßnahme stark einschränkten, konnten die Deutschen sich völlig frei bewegen. Diese Freiheit in der Hauptsaison des Sommers gab der zweiten Welle im Herbst mit der Explosion der Infektionszahlen einen kräftigen Schub. Und während in vielen Bundesländern zusätzliche Stellen an den Gesundheitsämtern wieder abgebaut wurden, hatten die Finnen die Deutschen bei der Schaffung zusätzlicher Testkapazitäten überholt, noch bevor die große Reiserückkehrerwelle einsetzte.
Und auch, was digitale Zukunftsstandards betrifft, ähnelt Finnland eher asiatischen Technologienationen wie Taiwan oder Japan. Davon profitieren die Finnen ebenfalls während der Coronapandemie. Zum einen, weil in den Schulen und Universitäten digitale Lernmethoden seit Jahren Alltag und die Lehreinrichtungen entsprechend gut ausgerüstet sind. Der Umstieg auf Home Schooling war technisch kein großer Akt, während es in Deutschland sowohl an Soft- als auch Hardware mangelt.
In Finnland haben die Bürger mittlerweile ein deutlich größeres Vertrauen in digitale Sicherheitsstandards gewonnen. So wurde bereits 2010 eine elektronische Gesundheitskarte von der Regierung in Helsinki eingeführt, auf der Gesundheits- und Sozialdaten der Bürger gespeichert werden. Was in Deutschland allein aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken nicht möglich scheint, hat in Finnland für eine deutlich höhere Akzeptanz auch bei einer Corona-Warn-App gesorgt, wovon die Finnen zuletzt profitieren konnten. Ist es hierzulande nur jeder vierte, der die App auf seinem Smartphone installiert hat, nutzt sie in Finnland jeder Zweite.
Quelle: focus vom 20.01.2021