Samstag, 10.04.2021, 18:09
Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu. Doch das ist nicht die größte Sorge von Christian Karagiannidis, Leiter des Intensivregisters. Der 47-Jährige hat Angst, dass die Situation an deutschen Kliniken zu einem anderen Zeitpunkt noch viel dramatischer sein wird: Nach der Pandemie.
Das DIVI-Intensivregister informiert täglich über die Anzahl freier Intensivbetten in Deutschland. Der Leiter des Registers, Christian Karagiannidis, zeigt sich aber nicht nur über die aktuelle Lage auf den Intensivstationen besorgt. Der 47-Jährige befürchtet, dass die wirklich schwere Zeit für deutsche Kliniken erst nach der Corona-Pandemie beginnt.
Es sei dabei lediglich eine Frage der Zeit, wann das geschehe. "Es macht einfach einen Unterschied, ob in der ersten Welle 3000 Covid-Patienten auf den Intensivstationen liegen und das Personal hoch motiviert ist. Oder ob jetzt 5000 Covid-Patienten - die ja zusätzlich zu allen anderen Patienten kommen - auf den Stationen liegen und das Personal inzwischen ausgebrannt ist."
Je länger die Überlastung dauere, desto mehr Krankenhauspersonal werde seinen Job kündigen. Gerade die Jüngeren würden das nicht mehr mitmachen. So gehe laut Karagiannidis "eine ganze Generation" von Klinikmitarbeiter verloren.
Er prognostiziert, viele Kliniken müssten angesichts des "galoppierenden Personalmangels" schon bald um ihre Existenz kämpfen. "Ich sehe da mittlerweile ganz schön schwarz", resümiert der Wissenschaftler.
Karagiannidis, der zudem das ECMO-Zentrum der Lungenklinik Köln-Merheim leitet, fordert als Maßnahme nun einen sofortigen, harten Lockdown für mindestens zwei Wochen. Auf Twitter hatte er sich mit einem Appell an die politischen Entscheidungsträger gerichtet: "Wie hoch sollen die Zahlen denn noch steigen, bevor ihr reagiert??? Wir verpassen jede Ausfahrt zur Senkung der Zahlen."
Die deutsche Bevölkerung sei bei der Befolgung der Maßnahmen zwar sehr diszipliniert, doch die Virusvariante B.1.1.7 habe uns "ausgetrickst". Schließlich verbreite sich diese Variante im Gegensatz zum "Wildtyp" vermehrt in der jüngeren Bevölkerung und treffe vor allem Kinder und Berufstätige.
Regionale Sondermodelle seien zwar genau das, was man benötige, "allerdings nicht zum jetzigen Zeitpunkt". In Anbetracht der aktuellen Lage brauche es bundesweite, einheitliche Regelungen.
Quelle: focus vom 10.04.2021