Verein setzt Cheerleader ab - doch erst damit werden Frauen zum Sex-Objekt degradiert

Gastbeitrag von Birgit Kelle

dpa/Rainer JensenbildDie Cheerleader von Alba Berlin werden bald nicht mehr während den Spielpausen tanzen.

FOCUS-Online-Gastautorin Birgit Kelle

Dienstag, 01.10.2019

Wer genau degradiert gerade Cheerleader zu reinen Lustobjekt und zum Beiwerk des männlichen Sports? Jene, die sich ihre Shows bei Sportevents gerne ansehen, ihnen zujubeln und sie tatsächlich auch noch attraktiv finden?

Oder jene, die beim Anblick schöner jungen Frauen, die in knapper Kleidung freiwillig und mit Begeisterung vor klatschendem Publikum ihrem Sport nachgehen, nichts anders zu erblicken vermögen, als halbnackte Opfer männlicher Sexualphantasien?

Ich bin gerade verwirrt, denn die Argumentationen, die sich derzeit ins feministische Korrektheits-Nirvana hochschrauben sind widersprüchlich.

Cheerleading soll nicht mehr zeitgemäß sein

Klar ist nur, Cheerleader sind aktuell die neuentdeckten Sexobjekte im Sport, das muss sofort unterbunden werden, ich bin sicher der Jugendschutz ist auch gefährdet. Eine neue #metoo-Welle rollt an. Nicht auszudenken, was los wäre, würden alle Cheerleader Deutschlands ihr Publikum anzeigen, man habe ihnen beim Tanzen unter den Rock geschaut.

Der Basketball Verein "Alba Berlin" lässt ab sofort seine Cheerleader, die Alba Dancers, nicht mehr bei den Basketball-Spielen wie bisher in den Pausen aufspielen. Das Ganze im Namen der Gleichberechtigung und zur Vermeidung des Transportes eines falschen Frauenbildes. Cheerleading als "attraktiver Pausenfüller" für die Basketball-Spiele der Männer sei nicht mehr zeitgemäß. Gut, immerhin gesteht man noch ein, dass es nicht einer gewissen Attraktivität entbehrt. Aber man will stattdessen basketballspielende Frauen gleichberechtigt in den Fokus der Öffentlichkeit bringen.

Über die Gastautorin Kerstin PukallDie Publizistin Birgit Kelle

Birgit Kelle ist freie Journalistin, Kolumnistin verschiedener Online-Medien und Autorin der Bücher "Dann mach doch mal die Bluse zu" (ADEO) und "GenderGaga" (ADEO). Zuletzt erschien ihr Buch "Muttertier".

Cheerleading ist ein knallharter Sport

Das lässt nun mehr Fragen offen, als es auf den ersten Blick beantwortet, denn was genau ist denn nicht zeitgemäß? Dass die Frauen sexy gekleidet sind und somit hübsch anzusehen? Oder ist es die Tatsache, dass sie nur als "Pausenfüller" bei den Männer-Spielen auftreten? Was wäre, wenn sie in den Pausen der Frauen-Spiele auftreten, wäre es dann in Ordnung, und was ist, wenn sich Frauen am Anblick der Mädchen erfreuen, ist das dann ok, oder ist nur das lüsterne Gaffen mitteleuropäischer Männer problematisch?

Cheerleading ist ein knallharter Sport, eines meiner Nachbarsmädchen betreibt es mit großer Intensität und Freude. Die Mädchen und jungen Frauen sind unglaubliche Akrobatinnen, haben stahlharte Muskeln und grandiose Ausdauer. Ach ja, und Spaß haben sie übrigens auch. Sie treten bei Wettkämpfen und Meisterschaften an und wenn sie bei Sportevents ihr Können zeigen dürfen, sind sie stolz auf den Applaus. Die ersten Cheerleader, die ich selbst live im Stadion gesehen habe, seilten sich von der Decke des Stadions unter Feuerwerk runter aufs Spielfeld ab und zeigten eine bombastische Show. Es war Anfang der 2000er Jahre in Düsseldorf.

Die Landeshauptstadt von NRW leistete sich damals mit "Rhine Fire" ein professionelles American Football-Team nebst Cheerleadern, den "Pyromaniacs". Die Ladies trugen ihren Namen zu Recht, sie waren heiß. Es gab einen großen Zulauf unter den Bewerberinnen, man musste durch harte Auswahlverfahren, um einen Stammplatz im Team der Tänzerinnen zu bekommen. Irgendwo in einer Kiste im Keller besitze ich noch den original Pyromaniacs-Fotokalender der heute wahrscheinlich sämtlichen Vertreterinnen der neuen Feminismus-Prüderie Atemnot bescherten. Seit dem Wochenende wissen wir nämlich, dass es Frauen degradiert, wenn Männer den Sport machen, und Frauen "nur" die Pausenunterhaltung geben. Seehofer schaltete sich ein

Damals wussten wir das noch nicht, da lief das unter "grandiose Show". Hoffentlich verrät das keiner den Amerikanern. Dort sollen Jennifer Lopez und Shakira beim nächsten Super-Bowl die berühmte Halftime Show bestreiten. Nicht, dass Jennifer Lopez absagt, weil ihr eine deutsche Feministin steckt, sie sei in Wahrheit nur ein Pausenclown des Männersports.

In Deutschland hat sich Horst Seehofer persönlich bereits in die Debatte eingeschaltet, es ist also ernst! Er plädiert für mehr gemischte Cheerleading-Teams, wegen Gleichberechtigung und so. Gemischte Cheerleading-Teams verstünden es durchaus auch, zu begeistern und "das würde auch viel stärker unsere Gesellschaft und die Zusammensetzung der Fans abbilden", sagt der CSU-Sport-Experte.

Nun, wenn es danach ginge, müssten auch ein paar Hässliche, ein paar Dicke, große Anteile Unsportlicher, ein paar Rollstuhlfahrer, ein Schalke-Fan und unbedingt eine schwarze Transfrau in den Kader aufgenommen werden. Diversity ist ja ganz wichtig. Feminismus und Islamismus kommen sich am nächsten

Darum geht es im Kern aber gar nicht. Kein Mensch möchte Cheerleader sehen, die den Querschnitt der Gesellschaft abbilden. Wer ins Ballett geht, tut dies auch nicht. Spitzensport definiert sich per se dadurch, dass die Besten einer Fertigkeit sich miteinander messen und nicht Lieschen Müller gegen den biertrinkenden Hooligan tanzt. Es ist in Wahrheit die aufreizend gekleidete, hübsche junge Frau, die von der Bildfläche entfernt werden soll. Sie ist der ständige Affront einer feministischen Bewegung, die vor allem mit einem nachweislich schon immer ein Problem hatte: Der freiwillig zur Schau gestellten Weiblichkeit.

Es ist die offene Bluse. Das Dirndl-Dekolleté. Der Bikini. Die Hotpants, die High Heels und der Minirock. Man könnte formulieren: Es ist der Punkt, an dem sich Feminismus und Islamismus am nächsten kommen. Beide ertragen es nicht, wenn Frauen selbst entscheiden, wieviel Haut sie öffentlich zeigen, wie sie ihre Reize einsetzen oder dass sie sich gar dazu entscheiden, diesen Vorgang nicht als Unterdrückung, sondern als Emanzipation zu betrachten. Der einzige Unterschied ist nur: Im Feminismus zensieren Frauen, im Islamismus tun es nach wie vor die Herren.

dpa/Andreas GoraSind bald Geschichte: Cheerleader bei den Bundesliga-Heimspielen von Alba Berlin.

Die Debatte ist ja auch nicht neu. Weder im Sport noch in der Werbung, wo genau nach demselben Schema Werbekampagnen und -Plakate als sexistisch und entwürdigend klassifiziert werden, immer dann, wenn darauf Frauen einfach nur schön sind. Im feministischen Diskurs gilt die Frau, die ihre körperlichen Reize zeigt und ausspielt schon lange als Verräterin der Frauenemanzipation, weil sie den Fokus mehr auf den Hintern, statt auf das Hirn lenkt. Nach diesem Denkschema torpediert jedes Boxenluder den finalen Sieg des Frauenkollektivs. Und das hat diesen Mädchen auch tatsächlich den Hals gekostet. Die sogenannten Grid-Girls auf den Siegertreppchen des Motorsports sind der Sexismus-Polizei bereits genauso zum Opfer gefallen, wie die Nummerngirls beim Boxen.

Männnliche Cheerleader mit nacktem Oberkörper wären Publikumserfolg

Spannend ist ja, dass der Sexismus-Faktor des Cheerleadings nach den Argumentationsmustern der aktuellen Claqueure für die Entscheidung bei Alba Berlin offenbar davon abhängt, in welchem Rahmen Cheerleading betrieben wird. Also Cheerleading im eigenen Wettkampf ist noch ok, Cheerleading in der Pausenshow beim Basketball der Herren gilt wiederum als sexistisch. Was wäre nun, wenn sie in der Pause beim Frauen-Basketball tanzen? Ist das in Ordnung oder immer noch Sexismus? Was wäre, wenn sie als Tanzgruppe bei der Möbelhaus-Eröffnung auftreten oder beim Stadtfest. Pausenclown oder Sport?

Und wer zur Hölle glaubt eigentlich, das Recht zu haben, diesen Frauen ihren Sport kaputt zu reden oder darüber bestimmen zu dürfen, in welchem Rahmen ihr Auftritt als geschlechtspolitisch korrekt einzustufen wäre? Ist das nicht die wahre Bevormundung, dass sich hier einzelne Empörte anmaßen, sowohl den Akteurinnen als auch dem Publikum vorzuschreiben, was sie zu lassen hätten?

Wunderbar auch das beliebte Argument, wir würden schließlich auch keine Herren mit Pompomps bewaffnet in der Pause beim Frauensport auftreten lassen. Ja schade eigentlich. Ein paar tanzende Cheerleader Typ Feuerwehrmann mit nacktem Oberkörper wären sicher ein grandioser Publikumserfolg. Der Fehler dieser Argumentationslinie besteht freilich darin, dass es eine rein fiktive Debatte darstellt. Genauso gut könnte man auch sagen, wir lassen ja auch nicht Außerirdische zur Unterhaltung beim Basketball tanzen. Es gibt sie schlicht gar nicht. Und gäbe es sie, würde nicht eine wie auch immer aufgestellte Jury, sondern das Publikum darüber urteilen, ob man sie am Rand eines Spielfeldes beklatsch, ausbuht oder alternativ zum Fasching durchreicht.

Denkt man das zu Ende, wird bei den Cheerleadern nicht Schluss sein. Was ist mit dem Funken-Mariechen im Kölner Karneval? Es droht akut der neue Saisonstart am 11.11. und wieder werden monatelang Hunderte Mariechens durch die Luft gewirbelt werden zur reinen Belustigung des Publikums und unter dem Kommando alter weißer Männer, die traditionell den Schlachtruf "Mariechen tanz!" vorher zum Besten geben. Frauen als Tanzäffchen!

Synchronschwimmerinnen können schon mal final tief Luft holen, bevor ihr Outfit versenkt und durch Burkinis ersetzt wird. Nicht anzusehen diese zur Schau Stellung lieblich schwebender Weiblichkeit. Die Beachvolleyballerinnen und ihre knappen Höschen sind als nächste dran, dicht gefolgt von den Tänzerinnen der Poledance Meisterschaften. Poledance als traditioneller Tanz von Prostituierten in einschlägigen Etablissements geht gar nicht. Die Tänzerinnen werden sicher einsehen, dass sie ein ganz falsches Frauenbild transportieren.

Wer Cheerleader nicht sehen will, kann einfach zu Hause bleiben

Bleibt noch das Schlammcatchen, die zum Sport mutierte Männerphantasie schlechthin. Wikipedia belehrt uns brav, dies sei in den USA, in Fernost und in Osteuropa zwar sehr populär, aber aufgrund seiner "eindeutigen erotischen Konnotation anstößig und deswegen "nicht mit Sport zu vergleichen". Wer genau legt das fest? Ein verklemmter Wikipedia-Kommentator?

Merke: Wenn eine körperliche Ertüchtigung sexuell animierend wirkt, dann ist es kein Sport. Klingt nach der Regel Nummer eins im feministischen Kampfsport. Nacktschwimmen ist also auch raus. Und langsam verstehe ich, warum man die Jungs beim Fußball die Trikots auf dem Feld nicht mehr tauschen lässt, man will verhindern, dass angesichts nackter Oberkörper die reihenweise aufstöhnenden Frauen im Publikum den Sport-Status des Fußballs gefährden.

Nein, nicht jene, die sich Cheerleader gerne anschauen und sich von ihnen begeistern lassen, degradieren diese jungen Frauen zum Sexualobjekt, sondern all jene schmallippigen Fräulein Rottenmeiers, die in Cheerleadern nichts anderes zu erblicken vermögen, als Pausenclowns für Männer und damit sie persönlich und auch ihr Können tatsächlich beleidigen. Insofern hätte ich den Gegenvorschlag: Dies ist ein freies Land. Wer Cheerleader nicht sehen will, kann einfach zu Hause bleiben. Ich bin sicher, man wird sie im Stadion nicht vermissen.


Artikel aus focus online vom 01.10.2019