Es ist eine erschreckende Umfrage: Mehr als die Hälfte der Frauen glaubt, dass Deutschland für sie unsicherer geworden ist. 58 Prozent gaben in einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" an, dass öffentliche Orte heute für sie weniger sicher seien als früher.
48 Prozent der Frauen meiden bereits bestimmte Gebiete in ihrem Wohnort, 16 Prozent tragen Pfefferspray nach Einbruch der Dunkelheit bei sich, noch mehr überlegen, sich selbiges zuzulegen. Das ergab eine Umfrage der "Bild"-Zeitung.
Sabine: Ich bin 23 Jahre alt und wohne in Berlin. Dort gibt es inzwischen ganze Stadtteile, die ich zu gewissen Tageszeiten nicht mehr besuche. Mein Freund holt mich immer mit seinem Auto ab, ich selber trage immer ein Pfefferspray bei mir, er zur Selbstverteidigung ein Messer und im Auto zusätzlich noch eine Schreckschuss-Pistole. Desweiteren kleide ich mich nicht mehr aufreizend abends, wenn ich doch mal alleine nach Hause muss.
Ich fühle mich nicht mehr sicher und es geht nicht nur mir so, sondern auch dem ganzen Freundeskreis. Die Politiker schweigen das Thema tot. Das hat nichts mit den Flüchtlingen zu tun. Ich glaube, das ist eine Entwicklung wie in den USA. Es bilden sich immer mehr Unterschichten, Armeleuteviertel, ganze Hartz IV-Blöcke mit Menschen ohne oder wenig Perspektive. Daraus entsteht Frust und der Hang zur Kriminalität.
Isabella D.: Die Situation als Frau hat sich für mich sehr wohl die letzten 2 Jahre verändert! Kein Mann kann nachvollziehen, wie man sich als Frau fühlt! Die Angst vor sexueller Belästigung ist bei mir stark gestiegen! Früher gab es ja auch schon Migranten, an Bahnhöfen konnte man sich schon in den 80er- Jahren als blonde Frau nicht wirklich wohlfühlen. Allerdings blieb es meist bei Gegaffe oder bei einem "Tse-Tse", um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Heute werden definitiv Grenzen überschritten!
Das Schlimme hierbei ist für mich der Gedanke, dass der Staat diese Leute permanent laufen lässt!! Mein Staat steht im Fall einer Belästigung null hinter mir. Ich besitze mehrere Pfeffersprays, für alle Jackentaschen. Hand in der Tasche, Finger auf dem Abzug, ich kann mich nur selber verteidigen!! Leider.
Anne K.: Bei Helligkeit fühle ich mich relativ sicher, auch z. B. an Hauptbahnhöfen. Bei Dunkelheit sinkt mein Sicherheitsgefühl, seit Köln meide ich große Plätze, das Handy ist immer dabei, alleine bin ich trotzdem unterwegs. Es geht nicht immer mit Begleitung. Angst habe ich manchmal, immer begleitet mich ein gewisser Respekt. Pfefferspray besitze ich trotzdem nicht.
Ich bin erst 17 und darf noch nicht alleine ein Auto benutzen, weshalb ich bei Dunkelheit öfters auf das Fahrrad angewiesen bin.
Dabei verstecke ich meine (blonden) Haare unter einer Mütze, so fühle ich mich ein wenig sicherer. Schlechte Erfahrungen habe ich bis jetzt nur tagsüber mit deutschen Männern gemacht. Ich bin aber nicht bereit, auch noch bei Helligkeit mein Leben einzuschränken. Ich denke, es wird nie eine 100 % Sicherheit geben, weder für Frau noch Mann.
Melanie D.: Mein Sicherheits-Gefühl hat sich seit eineinhalb Jahren, und speziell nach Silvester in Köln, stark verändert. Ich bin 44 Jahre alt und seit meiner Jugend bin ich als Mädchen und Frau sicherlich abends eh immer vorsichtig und wachsam gewesen. Ich habe mit Ende 20 in Berlin gelebt und bin auch nachts unterwegs gewesen bzw. U-Bahn gefahren. Ich habe mich allerdings nie unwohl gefühlt. Heute würde ich sowas nicht mehr machen.
Jetzt wohne ich in NRW. Das Straßenbild hat sich in der letzten Zeit stark verändert. Immer mehr "südländisch" aussehende Typen sind auch in unserer Kleinstadt unterwegs. Ich wechsel die Straßenseite, wenn mir mehrere von ihnen entgegenkommen. Obwohl mich das sehr von mir ärgert. Schließlich wohne ich seit meiner Geburt in Deutschland, das ist meine Heimat und nicht deren, und da möchte ich mich sicher fühlen.
Morgens 5.30 und abends ab 20 Uhr muss ich mit den Hunden raus. Ich habe eine starke Blendtaschenlampe, ein Pfefferspray und eine Trillerpfeife dabei, aus Sicherheitsgründen.
Martina K.: Ich bin schon seit langer Zeit immer mehr entsetzt und wütend, dass wir Frauen als Opfer im Stich gelassen werden. Ich selber fahre nicht mehr allein mit dem Fahrrad meinem Mann durch die Obsthöfe entgegen und meide, wenn es dunkel wird, den öffentlichen Nahverkehr. Außerdem habe ich Bedenken, im Sommer alleine im Garten unseres Heimatmuseums zu arbeiten.
Eigentlich hatte ich gedacht, dass mich mein Alter allmählich anfängt zu schützen. Aber wenn man sich einmal die Mühe macht, und deutschlandweit Tageszeitungen und Polizeiberichte durchforstet, findet man für das Jahr 2016 mindestens 6 Vergewaltigungen von Rentnerinnen und drei versuchte Vergewaltigungen, eine davon endete tödlich. Die Opfer waren zwischen 60 und 90 Jahre alt. Die Jahre davor liest man immer nur vereinzelt, ein bis zwei Fälle pro Jahr, von solchen für mich absolut widerwärtigen Taten.
Es wird Zeit, dass endlich etwas für uns Frauen getan wird und der Opferschutz über den Täterschutz gestellt wird. Ich wünsche mir, dass wir Frauen uns hier wieder zu Hause fühlen können. Im Moment ist es leider nicht mehr mein Deutschland und darüber bin ich entsetzt. Und so verwerflich Vergewaltigungen im Familienkreis auch sind, sie betreffen aber nicht meine Sicherheit, da ich in einem absolut intakten Umfeld lebe, wie wohl auch der größere Teil der deutschen Frauen.
Kerstin T.: "Schon lange fühle ich mich als Frau nicht mehr sicher. Überall passieren Belästigungen, Vergewaltigungen und Überfälle. Besonders betroffen hat mich der Fall der getöteten Joggerin Carolin gemacht. Ich laufe selbst und finde es besonders schlimm, dass das am helllichten Tag passiert ist.
Ich fühle mich allein sehr unwohl und vermeide es abends oder nachts allein unterwegs zu sein. Stets und ständig trage ich Pfefferspray bei mir."
Ute S.: "Nein. Ich habe nichts geändert. Weder mein Verhalten, noch meine Kleidung. Ich habe auch keine Angst, im Dunkeln allein unterwegs zu sein. Ich fahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu jeder Tag- oder Nachtzeit. Ich habe mich nicht bewaffnet.
Ich habe noch nie wegen mir entgegenkommender Männer die Straßenseite gewechselt, und werde nicht damit beginnen. Ich bin in meinem Leben zirka 20 mal sexuell übergriffig belästigt worden. Das erste Mal mit 16, das letzte mal vor einem Jahr mit 52. Es hat mich nie zu einer Verhaltensänderung veranlasst."
Natalie B.: "Gelegentlich kommen Rufe auf der Straße, was ich vorher nicht kannte und sehr unangenehm finde, wenn ich alleine unterwegs bin. Um ein Haar wäre ich an Silvester 2015/2016 nach Köln gefahren. Ich habe mich glücklicherweise dagegen entschieden, habe seitdem aber Menschenmassen in der Dunkelheit gemieden.
Sowieso gehe ich nirgendwo im Dunkeln allein hin. Wenn ich mit der Bahn an unserem kleinen Bahnhof ankomme, steht mein Vater immer dort, um mit mir durch die einsame Unterführung zu gehen.
Ich habe mir vor ein paar Monaten zwei Dosen Pfefferspray bestellt von Amazon. Zwei, um sicher zu gehen, in beiden Winterjacken immer eine dabei zu haben. Das hilft etwas, weil ich rein körperlich jedem Angreifer unterlegen bin. Wieso das alles? Es beunruhigt mich sehr, dass nicht mal der deutsche Staat weiß, wer sich hier aufhält."
Anne R.: "Tagsüber, wenn ich unterwegs bin, fühle ich mich absolut sicher. Nachts, wenn ich von Freunden alleine nach Hause laufe, habe ich die Schlüssel zwischen den Handknöcheln, bereit um zuzuschlagen. Das Handy am Ohr, in der Hoffnung, dass mein Freund, dem ich zu jeder Minute sage, wo ich gerade bin, mitbekommt, wenn mir was passiert und die Polizei alarmiert.
Aber das mache ich schon seit eh und je. Das ist nichts Neues für uns Frauen. Das hat nichts mit der Silvesternacht in Köln zu tun. Nichts mit Flüchtlingen. Denn hier in Dortmund werden Übergriffe auf Frauen von Männern jeglicher Hautfarbe, jeglichen Alters und jeglicher Staatsbürgerschaften begangen."
Uschi J.: "Morgens verlasse ich im Halbdunkel das Haus auf dem Weg zur Arbeit, abends komme ich im Dunkeln zurück - es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich schon in der Früh oder um 17:00 Uhr ein mulmiges Gefühl habe auf dem Heimweg an den Stadtrand.
Handtaschenraub, sexuelle Übergriffe - dabei handelt es sich ja meist auch um unterschiedliche Tätergruppen - aber in der Summe muss man damit ständig vor irgendwas auf der Hut sein. Ich selbst leide seit den Vorkommnissen in Köln und vielen anderen Städten an einem Dauerunwohlgefühl und ich bin wütend, von Männern plötzlich wieder wie ein rohes Stück Fleisch begafft und behandelt zu werden.
Ich war in den 70er Jahren in einer Grenzstadt mit hoher Kriminalität in der Frauenbewegung. Damals haben wir skandiert: "Wir holen uns die Nacht zurück" und sind damit in der Nacht zunächst in Gruppen durch die Straßen gegangen. In München habe ich mich immer halbwegs sicher gefühlt und war - auch beruflich bedingt - abends immer viel unterwegs und immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß. Das geht jetzt nicht mehr. Heute haben wir nicht mal mehr den Tag!"
Kati L.: "Ich lebe in einer Kleinstadt in Hessen und auch ich fühle mich nicht mehr so sicher wie noch vor einigen Jahren. Bis vor einem halben Jahr bin ich noch ziemlich unbedarft nach Hause gelaufen. Je nach Schicht endet meine Arbeit gegen 21, 23 oder auch mal 2 Uhr nachts. Das Auto habe ich mir bisher gerne gespart und der Heimweg von rund 45 Minuten ist nach einer langen Schicht auch eine schöne und erholsame Abwechslung.
Bisher war mir der Heimweg auch nie mulmig. Aber im letzten Jahr sind ein paar unschöne Dinge hier passiert (Schlägereien und auch sexueller Missbrauch gegenüber Frauen). Nicht nur habe ich mein Haus mittlerweile zusätzlich abgesichert, sondern ich laufe auch nicht mehr heim. Meine Schichten mache ich nur noch bis 21 Uhr. Das schränkt mich zwar ein und ich bekomme oftmals keine vollen Schichten mehr (das heißt mir fehlt am Monatsende Geld), aber mir geht Sicherheit dennoch vor!
Dennoch muss ich sagen, ich hätte da vor einem Jahr nie drüber nachgedacht! Die Sicherheit hat einfach abgenommen! Daher auch die Absicherung der Häuser oder Wohnungen. Da hätte doch vor ein paar Jahren beim Hausbau noch niemand drüber nachgedacht."
Anonym: "Ich fühle mich schon seit meiner Kindheit nicht so richtig sicher in Deutschland. Dazu habe ich hier zu viel Gewalt erlebt. Von Deutschen. Im Elternhaus, aber auch auf offener Straße. Zusammengeschlagen von einem deutschen Halbwüchsigen ohne Migrationshintergrund. Keiner der vielen Passanten hat mir übrigens geholfen.
Das dürften alles Deutsche gewesen sein, damals gab es in dem Ort, in dem das passiert war, kaum Ausländer. Trotzdem bin ich nicht so naiv zu glauben, nur Deutsche würden gewalttätig oder sexuell übergriffig. In meiner Stadt wurden seit der Flüchtlingskrise mehrere versuchte Vergewaltigungen durch "Südländer" publik gemacht.
Deshalb habe ich mich bewaffnet. Ich trage mit Farbstoff versehendes Pfefferspray sowie einen Taschenalarm mit mir herum. Ob das im Ernstfall ausreichen wird? Ich weiß es nicht. Aber ich fühle mich damit sicherer."
Eduvigis D.: "Mein Verhalten im öffentlichen Raum hat sich drastisch verändert: Ich gehe in kein Schwimmbad mehr, mache keine Abendspaziergänge im Wald, meide gewisse Haltestellen komplett, meide den Hauptbahnhof in den Abendstunde, trage abends keine kurzen Röcke.
Ich habe zwei Kinder, eines eine Tochter und um die habe ich richtig Angst. Einen Selbstverteidigungskurs soll sie machen und Pfefferspray mitnehmen, wenn sie älter wird und dann auch mal abends unterwegs ist."
Den Artikel bei Focus-online finden sie hier