Razzia in NRW Wie ein 21-Jähriger die Clan-Villa für 650.000 Euro finanzierte

Stand: 09.06.2021 | Lesedauer: 3 Minuten

Von Ibrahim Naber
Freier Mitarbeiter Investigation und Reportage

Bei der Clan-Großrazzia in Nordrhein-Westfalen stellten Beamte Hunderttausende Euro, Luxusuhren und Waffen sicher. Eine WELT-Recherche zeigt, mit welchen Finanztricks sich die Clanmitglieder über Jahre bereichert haben sollen - auf Kosten des Staates. Zwei Personen werden bei der Clan-Razzia in NRW aus einem Haus abgeführt
Quelle: dpa/Marcel Kusch

Die letzte Nacht, bevor ein Polizeipanzer vor seiner Villa in Leverkusen vorfuhr, verbrachte Badia Al Z. in einem Duisburger Café. Dass sich der 46-Jährige offenbar für illegales Glücksspiel interessiert, hatten Beamte bereits zuvor bei Observationen festgestellt. In der Nacht auf den 8. Juni soll das Clan-Mitglied gleich an mehreren Runden teilgenommen haben.

Als er im Morgengrauen das Café verließ, nahmen ihn Polizisten fest. Bei ihm fanden sie 3500 Euro, im Mietwagen weitere 14.354 Euro - versteckt unter der Fußmatte.

Die Festnahme des in Beirut geborenen Mannes war der Auftakt einer großen Operation, die am Dienstag folgte. Bei der Großrazzia gegen den Al-Z.-Clan wurden 31 Objekte in Nordrhein-Westfalen durchsucht. Der dortige Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem "Schlag gegen die erste Liga der Clankriminalität". Ermittler gehen Hinweisen auf organisierten bandenmäßigen Sozialbetrug, Gewaltdelikte und Drogenhandel nach.

Hunderte Beamte waren am Dienstag bei der Razzia in verschiedenen Städten in NRW im Einsatz
Quelle: REUTERS

Bis zu 3000 Personen schreiben Behörden dem Al-Z.-Clan bundesweit zu. Sie leben vor allem im Ruhrgebiet, im Rheinland und in Berlin. Recherchen von WELT zeigen jetzt, mit welchen Tricks sich verschiedene Clanmitglieder über Jahre illegal ein Vermögen aufgebaut haben sollen - auf Kosten des Staates und der Steuerzahler.

Im Fokus der Ermittler steht die nun durchsuchte Villa in Leverkusen. Ein Sohn der Familie, Mohamed A. Al Z., erwarb das Haus mit 21 Jahren für 650.000 Euro und vermietete es kurz darauf an Verwandte. Um seine Kreditwürdigkeit zu beweisen, griff der Sohn offenbar zu einem Trick: Ende 2017 gingen monatlich jeweils rund 2900 Euro auf seinem Girokonto ein.

Innenminister Reul zu den Razzien gegen Clankriminalität

Bei Ermittlungen gegen Clankriminalität durchsuchten Spezialkräfte der Polizei rund 30 Objekte in Nordrhein-Westfalen. Zu den Ergebnissen hat sich Innenminister Reul geäußert.

Die Zahlungen sollen als Gehaltseingänge für eine angebliche Mitarbeit bei einer Gebäudereinigungsfirma ausgewiesen worden sein. Die Firma gehörte einem Freund der Familie.

Zudem habe Al Z. laut Ermittlern innerhalb weniger Monate Überweisungen in Höhe von 177.000 Euro erhalten, bei denen oft der Betreff "Geschenk" oder "Darlehen" angeführt war. Auffällig: Die Überweisenden hatten zuvor Beträge in identischer Höhe jeweils in bar auf ihre Konten eingezahlt.

Beim Kauf der Villa kam Al Z. so offenbar auf mehr als 200.000 Euro Eigenkapital. Den fehlenden Betrag soll er über einen Kredit der Sparkasse in Höhe von einer halben Million Euro finanziert haben. Bei der Finanzierung der Immobilie, so der Vorwurf, habe Al Z. gefälschte Gehaltsnachweise eingereicht. Einen Sozialversicherungsnachweis konnte er nicht vorlegen.

Offiziell vermietete Mohamed A. Al Z. die Villa nach dem Kauf an seinen Vater und weitere Familienmitglieder. Die Monatsrate des Bausparvertrages soll durch Sozialleistungen beglichen worden sein, die Badia Al Z. und andere Verwandte erhielten.

Eine Tür der Villa in Leverkusen wurde bei der Clan-Razzia aufgesprengt
Quelle: dpa/Marcel Kusch

Hinter den Sozialleistungsbezügen verschiedener Familienmitglieder sollen gewerbs- und bandenmäßiger Betrug stecken. Das Amtsgericht Düsseldorf verhängte demnach Vermögensarreste in einer Gesamthöhe von knapp 790.000 Euro.

Ermittler in Nordrhein-Westfalen leiteten im Rahmen des Villakaufs insgesamt 15 Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Das Amtsgericht Düsseldorf entschied letztlich über die Beschlagnahmung des Objekts.

Allein die Ergebnisse der Razzien am Dienstag lassen erahnen, was für ein Vermögen sich der Al-Z.-Clan in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. In den 31 Objekten wurde Bargeld in Höhe von 298.184 Euro sichergestellt, zudem 2000 Dollar und 15 Luxusuhren. Weitere Fundstücke: ein Quad im Wert von etwa 25.000 Euro, ein Mercedes Vito (40.000 Euro), zwei scharfe und sechs unbrauchbar gemachte Waffen. Beamte fanden auch Datenträger, die nun ausgewertet werden.

Sichergestellte Waffen bei der Clan-Razzia
Quelle: dpa/-

Finanzermittlungen in NRW legen nahe, dass der Clan Teile seines Vermögens auch in legale Geschäfte investierte - und damit waschen wollte. Mitglieder betrieben unter anderem eine Mietwagenfirma und mehrere Barber-Shops.

Zudem sollen hohe Summen für den Kauf von hochwertigen Autos und Uhren verwendet worden sein. Eine Frau, gegen die im Rahmen der Razzia ebenfalls ein Haftbefehl vorlag, soll diese Geschäfte als eine Art Kassenwart verantwortet haben.


Quelle: welt.de vom 09.06.2021