30.05.2023
Wo entsteht gerade grüner Strom? Nutzer der App "EnBW E-Cockpit" können sich sogar vom heimischen Sofa aus darüber informieren: Die App macht transparent, was Windenergie- und Photovoltaikanlagen der EnBW deutschlandweit gerade leisten. In Echtzeit sind Windgeschwindigkeit und -richtung sowie die Intensität der Sonneneinstrahlung zu sehen. Und eben auch, dass Anlagen zeitweise vom Netz genommen sind. In vielen Fällen nicht etwa, weil sie repariert oder gewartet werden, sondern, weil sie zu viel Strom produzieren und das Stromnetz überlasten würden.
Deutschland treibt die Klimawende voran, will weg von fossilen Energieträgern, mehr Strom aus erneuerbaren Energien nutzen und dennoch stoppt bei Wind und Sonnenschein mancherorts die Erzeugung? Einer der Gründe dafür ist das Stromnetz der Bundesrepublik - eine komplexe, über Jahrzehnte gewachsene Infrastruktur mit einer stabilen Frequenz von 50 Hertz. Schwankt diese zu stark, ist die Stromversorgung gefährdet. Nähert sich der Wert einer Frequenz über 50,2 oder unter 49,5 Hertz, müssen Netzbetreiber Ausgleichsmaßnahmen treffen, um Ausfälle zu vermeiden.
Die nötige Stabilität einzuhalten war früher einfacher als heute: Lange Zeit wurde Strom in Deutschland fast ausschließlich zentral von großen Kraftwerken erzeugt. Diese bringen durchgängig die gleiche Leistung, im Gegensatz zu den vielen kleinen und größeren Anlagen für erneuerbare Energie, die heute zusätzlich ihren Strom ins Netz einspeisen.
Das Tausende Kilometer lange Leitungsnetz soll das Rückgrat der Energiewende sein und unter anderem den in norddeutschen Windparks produzierten Strom bis in den stark industrialisierten Süden Deutschlands transportieren. Doch der Netzausbau hinkt dem Ausbau der erneuerbaren Energien hinterher. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind insgesamt 101 Vorhaben mit einer Gesamtlänge von rund 12.300 km geplant (Stand 2022). Davon befinden sich rund 2.600 km noch vor dem Genehmigungsverfahren, rund 7.100 km stecken mittendrin. Erst etwa 1.900 km sind fertiggestellt. Das führt derzeit zu recht skurrilen und kostenintensiven Szenarien: Bläst beispielsweise im Norden zu viel Wind, reichen oft die Netzkapazitäten nicht aus, um den erzeugten Strom in den Süden zu transportieren . Um Stau im Netz zu vermeiden und die Netzstabilität zu sichern, heißt es für die Betreiber der Windparks als Konsequenz: abschalten! Die zu diesem Zeitpunkt im Süden fehlende Energie erzeugen dann Reservekraftwerke, die meist mit Kohle oder Gas betrieben werden. Laut Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft wurden allein 2022 gut drei Milliarden Kilowattstunden Windkraft, die von Anlagen am Land hätten produziert werden können, abgeregelt. "Der Netzausbau muss insgesamt aufholen, um mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt zu halten. Er darf nicht zum Nadelöhr der Energiewende werden", sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.
Um eine Überlastung des Stromnetzes zu vermeiden, setzen die Netzbetreiber auf das Einspeisemanagement, auch Einsman oder Eisman genannt. Ein Eingriff in die Stromerzeugung wird dann nötig, wenn einzelne Netzabschnitte überlastet sind und keinen Strom mehr abtransportieren können.
So funktioniert das Einspeisemanagement
Ausfallarbeit verursacht durch Einspeisemanagementmaßnahmen in GWh (Quelle: Bundesnetzagentur Monitoringbericht 2022)
Der fehlende Netzausbau ist jedoch nicht der einzige Grund für abgeschaltete Windkraft- und PV-Anlagen. Aufgrund der aktuellen Marktsituation lohnt es sich für Betreiber in bestimmten Situationen nicht, trotz optimaler Witterung Strom zu produzieren. Ganz im Gegenteil: Liefe die Anlage, würde sogar Verlust entstehen, weil die Betriebskosten höher als die Einnahmen wären. Die Hintergründe: Der Handel mit Strom findet an der Strombörse oder direkt zwischen Erzeugern und Händlern statt. Die Preise bestimmt der Markt. Laut EEG hat Strom aus erneuerbaren Energien bei der Einspeisung Vorrang. Das heißt jedoch nicht, dass Windkraft- und PV-Anlagen ungebremst produzieren können. Bei Wind und Sonne produzieren alle Windkraft- und PV-Anlagen in derselben Wetterregion gleichzeitig Strom. Dies hat einen Preiseffekt am Markt: Da viel günstig entstehender Strom angeboten wird, sinkt der Kurs - die erneuerbaren Energien machen sich ihren eigenen Preis kaputt. Betreiber müssten also draufzahlen, würden sie ihren produzierten Strom verkaufen. Um diesen Kosten zu entkommen, schalten sie lieber ab.
Abgeschaltete Windräder machen es deutlich: Für die Energiewende genügt es nicht, Windkraft- und PV-Anlagen zu bauen. Entscheidend für den Erfolg der Energiewende ist der Bau von hocheffizienten Übertragungsleitungen, die die erneuerbare Energie aus dem Norden nach Süddeutschland transportieren. Die EnBW und ihre Tochter TransnetBW sind an gleich zwei zentralen Hochspannungs-Trassen beteiligt, die die nachhaltige Energieversorgung Deutschlands künftig sicherstellen: an der 340 Kilometer langen Hochspannungs-Gleichstrom-Leitung Ultranet und an SuedLink. Diese 700 Kilometer lange Höchstspannungs-Gleichstrom-Verbindung ist das größte deutsche Infrastrukturprojekt der Energiewende.
Zudem sind Speichermöglichkeiten erforderlich, die grünen Strom bei Überkapazität zwischenspeichern. Wo möglich, stattet die EnBW inzwischen neue Solarparks mit Batteriespeichern aus, um mehr Strom nutzbar zu machen. Zudem beteiligen wir uns an Projekten wie dem Forschungsprojekt H?Mare, das die Potenziale der Wasserstoffproduktion in Meereswindparks untersucht. Wenn es gelingt, die Energie genau dort umzuwandeln, wo sie entsteht, sollte in Zukunft keine Windradflügel mehr stillstehen.
Quelle: ENBW