Nicht abschieben, nicht festnehmen

Bin Laden-Leibwächter, Taliban, IS-Frauen:

Warum Deutschland gegen viele Gefährder machtlos ist

Lediglich zehn Gefährder wurden seit Januar 2017 nach Angaben des Innenministeriums aus Deutschland abgeschoben. Das hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte jüngst angekündigt, dass künftig häufiger und schneller abgeschoben werden soll. Vor allem gegen straffällig gewordene Asylbewerber und Gefährder müsse härter durchgegriffen werden.

Wie schwer sich der Staat damit jedoch tut, zeigen drei aktuelle Fälle:

1. Ex-Leibwächter Bin Ladens

Sami A. gehörte wohl der Leibgarde des 2011 getöteten Al-Kaida-Anführers Osama bin Laden an, er wird von den Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft. Seit Jahren bemühen sich die Behörden, den Tunesier abzuschieben.

Nun ist bekannt geworden, dass der 42-Jährige aufgrund eines Abschiebungsverbots wohl für Jahre nicht außer Landes gebracht werden kann. Er und seine Familie werden also auch weiterhin monatlich 1168 Euro nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen.

Sami A. lebt in Bochum, hat Frau und Kinder. Seine Familie besitzt nach früheren Angaben des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit mehreren Jahren muss sich der Mann jeden Tag bei der Polizei melden.

Warum kann er nicht abgeschoben werden?

Wenn es sich bei den Gefährdern um Ausländer handelt, dann könnten sie grundsätzlich abgeschoben werden. Nach Paragraf 58a des Ausländergesetzes können Landesbehörden die Betreffenden abschieben, wenn das der „Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“ dient. Bei „besonderem Interesse“ kann auch das Bundesinnenministerium eingreifen.

Der Fall Sami A. zeigt, wie schwierig sich das in der Praxis gestaltet: Bei dem Tunesier verweist das NRW-Flüchtlingsministerium auf eine unanfechtbare Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom April 2017. Demnach drohten dem 42 Jahre alten Mann bei einer Rückkehr nach Tunesien „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“. Auch gebe es keine anderen Länder, die bereit oder verpflichtet wären, ihn aufzunehmen.

Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) sagte, dass der Tunesier wahrscheinlich dauerhaft geduldet werden müsse. Es sei denn, es gebe eine diplomatische Zusicherung des tunesischen Staates, dass Sami A. weder Folter noch Tod drohten und seine Menschenwürde geachtet werde. Um diese diplomatische Zusicherung bemüht sich das Bundesinnenministerium laut Stamp seit Längerem erfolglos. "Der Bund muss die diplomatischen Bemühungen forcieren", sagte der Minister weiter.

2. Taliban-Kämpfer Thomas K.

Vor zwei Monaten wurde der mutmaßliche Taliban-Kämpfer Thomas K. in Afghanistan gefasst. Nach Angaben der deutschen Ermittler soll der 36-Jährige der radikalislamischen Gruppe als Militärberater gedient haben. Spätestens Anfang 2013 habe der Deuschpole sich im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet den Taliban angeschlossen, teilte die Behörde am Donnerstag mit.

Jetzt ist Thomas K. nach Deutschland überstellt wurden. Der zuständige Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof ordnete Untersuchungshaft an. Ihm wird Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation zur Last gelegt.

Warum kommt Thomas K. nun zurück nach Deutschland?

Bei dem mutmaßlichen Taliban-Kämpfer handelt es sich um einen deutschen Staatsbürger. Deswegen muss Deutschland ihn zurücknehmen, wenn Afghanistan ihn ausliefern will. Die Staatsanwaltschaft prüft die Haftbefehle. Ihnen wird dann in Deutschland der Prozess gemacht. So droht Thomas K. als mutmaßlicher Terrorist nun ein Strafprozess vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht.

3. IS-Frauen

Zwei deutsche IS-Frauen sind mit drei kleinen Kindern aus dem Nordirak nach Deutschland zurückgekehrt - und auf freiem Fuß. Das berichtete die "Welt" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Es handle sich um eine Deutsch-Türkin aus Hessen und eine Konvertitin aus Baden-Württemberg, die radikale Salafistinnen sein und sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben sollen.

Gegen die Frauen lagen keine Haftbefehle vor. Sie seien daher bei der Ankunft in Frankfurt am Main am Donnerstag nicht festgenommen worden. Zuletzt waren sie den Angaben zufolge in einem kurdischen Frauengefängnis in Erbil festgehalten worden.

Warum kehrten die Frauen nach Deutschland zurück?

Die Bundesanwaltschaft, die gegen die Islamistinnen ermittelt, bestätigte, dass Haftbefehle beantragt und vom Bundesgerichtshof abgelehnt worden seien. Jetzt prüfe der 3. Strafsenat den Fall. Laut "Welt" hatte der Bundesgerichtshof die Haftbefehle mit der Begründung abgelehnt, dass eine konkrete Terrorunterstützung nicht bewiesen sei. Im vergangenen Jahr hatte Generalbundesanwalt Peter Frank angekündigt, verstärkt gegen Dschihadistinnen vorgehen zu wollen.

Mehr als 80 deutsche Dschihadisten sollen sich dem Bericht zufolge aktuell in Nordsyrien und im Irak in Gefangenschaft befinden. Hinzu kämen noch zahlreiche Kinder, die teilweise dort geboren wurden. Zehn Kleinkinder, bei denen durch DNA-Proben eine Verwandtschaft geklärt werden konnte, wurden bislang nach Deutschland gebracht. Wollen die Frauen nach Deutschland zurückkehren, hat der Staat keine andere Wahl, als sie aufzunehmen. Die Sicherheitsbehörden sind sich bewusst, „dass von Rückkehrern ein erhebliches Bedrohungspotenzial ausgehen kann und es jederzeit zu einer verstärkten Rückreisewelle kommen kann“, teilte das Innenministerium mit.

Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden sagte, es versuche, schon in Haft dort Kontakt aufzunehmen, "um zu wissen, wer da zurückkommt und welche Erfahrungen sie dort gemacht haben".

Im Video: Bundesländer schoben seit 2017 zehn Gefährder ab - ausgerechnet Bayern hält sich zurück


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