Waffenlieferungen Wie die USA die Europäer zu mehr Ukraine-Hilfe drängen

Stand: 25.10.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Daniel Friedrich Sturm
Korrespondent in Washington

Mit Waffen im Wert von 16 Milliarden Dollar hat die Biden-Regierung die Ukraine bisher unterstützt. Den in Umfragen zu den Midterm-Wahlen führenden Republikanern gefällt das gar nicht. Weil das Geld im eigenen Land gebraucht wird, wollen sie die Alliierten stärker zur Kasse bitten. Seit Kriegsbeginn haben die USA die Ukraine mit Waffenlieferungen im Wert von gut 16 Milliarden Dollar unterstützt - die Republikaner wollen die Hilfen eindämmen
Quelle: AFP/ALLISON JOYCE

Was auf Europa und die Nato noch zukommen kann, das bringt Matt Gaetz regelmäßig in wenigen Zeichen auf den Punkt. "Keine weiteren MILLIARDEN für die Ukraine!", verlangte der republikanische Kongressabgeordnete schon im Juli.

Als Elon Musk, reichster Mann der Welt und Hobby-Außenpolitiker, kürzlich behauptete, die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs steige rapide an, kommentierte Gaetz: "Die Ukraine als internationales Mekka der Geldwäsche aufrechtzuerhalten, ist das nicht wert." Matt Gaetz dürfte dem US-Kongress auch nach den Wahlen am 8. November angehören. Sein Wahlkreis ist stramm republikanisch, vor zwei Jahren holte er hier 65 Prozent.

Kurz vor den Zwischenwahlen wird bei den Republikanern der Ruf nach weniger Hilfe für die Ukraine lauter. Die Republikaner, ohnehin immer stärker von isolationistischen Tendenzen geprägt, sehen in diesen Parolen einen Hebel, um die Demokraten und Präsident Joe Biden unter Druck zu setzen.

Seit Kriegsbeginn haben die USA die Ukraine mit voluminösen Waffenlieferungen im Wert von gut 16 Milliarden Dollar unterstützt, so das Pentagon. Seit der Besetzung der Krim durch Russland sind es mehr als 19 Milliarden Dollar.

Präsident Biden, Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin und die führenden Demokraten lassen keinen Zweifel an dem Einsatz der USA für die Ukraine, für Freiheit und Demokratie. Ihre Rhetorik gegenüber Russland ist eindeutig. Dabei folgt Washington weiter der Leitlinie, die Nato dürfe keine Kriegspartei werden - faktisch längst ein rhetorisches Konstrukt.

Die Republikaner hingegen wackeln, zumal bei ihnen seit einigen Jahren verstärkt Russland-freundliche Töne zu hören sind. Ein Möchtegern-Autokrat wie Donald Trump, der schon vor seiner Präsidentschaft liebesdienerische Briefe an Wladimir Putin schickte, liebäugelt mit autoritären Regierungen samt Kampf für die Macht weißer Christen. Trump hat zwar den Krieg kritisiert, für seine rhetorisch robuste Art aber eher zaghaft.

Einige Republikaner fordern Europa schon jetzt dazu auf, anstelle der USA mehr für die Ukraine zu tun. "Unsere Verbündeten müssen damit beginnen, das Problem in ihrem eigenen Hinterhof anzugehen, bevor sie uns um noch mehr Engagement bitten", sagte der republikanische Außenpolitiker Tim Burchett, Abgeordneter im Repräsentantenhaus, "Politico" zufolge. Auch Burchett dürfte dem nächsten Kongress angehören, bei den Wahlen 2020 holte er in seinem Wahlkreis in Tennessee 68 Prozent der Stimmen.

Über das Zwei-Prozent-Ziel hinausgehen

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Höflich im Ton, entschieden in der Sache verlangt selbst die Regierung Biden mehr Engagement der Europäer. Für Kanzler Olaf Scholz (SPD) bedurfte es des Ukraine-Krieges, dass er sich auf das - gemeinsam 2014 beschlossene - Zwei-Prozent-Ziel der Nato einließ. Jahrelang hatte seine Partei dagegen Front gemacht. Der Richtwert von zwei Prozent sei nur das, "was wir von Verbündeten erwarten würden", sagt inzwischen US-Verteidigungsminister Austin. "Wir würden die Länder ermutigen, über diese zwei Prozent hinauszugehen."

In der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA heißt es: "Während wir unsere eigenen beträchtlichen Beiträge zu den Fähigkeiten und der Einsatzbereitschaft der Nato erhöhen, werden wir darauf zählen, dass unsere Bündnispartner weiterhin mehr Verantwortung übernehmen, indem sie ihre Ausgaben, Fähigkeiten und Beiträge erhöhen." Die USA geben seit vielen Jahren mehr als drei Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Verteidigung aus.

Mit einem wahrscheinlichen Wahlsieg der Republikaner am 8. November, mit ihrer möglicherweise künftigen Mehrheit im Repräsentantenhaus dürfte der Druck auf Deutschland, Europa und die anderen Nato-Partner steigen. Der Kongress hat in den USA das Haushaltsrecht. Die Republikaner könnten Biden drängen, den Verbündeten mehr abzuverlangen, die mit Blockaden oder einem Junktim verbinden.

Je näher dann die Präsidentschaftswahl 2024 rückt, desto umfangreicher dürften die Forderungen an Berlin, Brüssel und andere Hauptstädte werden. Viele Amerikaner leben in wirtschaftlich schlechteren Bedingungen etwa als die Deutschen, von unzureichender Gesundheitsversorgung und teurer Ausbildung ganz zu schweigen. Unter ihnen fehlt oft das Verständnis, warum sich die USA weiter in Europa - konkret der Ukraine - engagieren, während ihre Lebensbedingungen sich verschlechtern.

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Die Regierung Biden sei im eigenen Land vielerorts untätig, sagte kürzlich Kevin McCarthy, republikanischer Minderheitenführer im Repräsentantenhaus: "Sie kümmert sich nicht um die Grenze, und die Leute fangen an, das abzuwägen." Die Ukraine sei "wichtig", aber könne "nicht das Einzige" sein, was Washington tue, "und es kann keinen Blankoscheck geben". Derlei Aussagen dürften in diesen Tagen in den USA, zumal angesichts der Inflation, auf breite Zustimmung stoßen. Die Umfragen zu den Kongress-Wahlen deuten auf gute Ergebnisse für die Republikaner.

Jener Kevin McCarthy, der keinen "Blankoscheck" für die Ukraine will, schickt sich an, neuer Sprecher des Repräsentantenhauses zu werden, die Demokratin Nancy Pelosi abzulösen. McCarthy wäre dann, nach Biden, der zweitmächtigste Mann Amerikas. Seine Lust, dem Präsidenten das Leben schwer zu machen, sollte man nicht unterschätzen.


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