Vollmundig kündigte die deutsche Regierung ein grosses Asylpaket an - doch die wichtigste Massnahme fällt weg Nach dem Messerattentat von Solingen versprachen SPD, Grüne und FDP ein umfassendes Sicherheitspaket. Nun sind entscheidende Passagen abgeschwächt worden.

Beatrice Achterberg

Berlin 12.10.2024, 17.44 Uhr 3 min

Es sollte die entscheidende Kursänderung in der nationalen Asylpolitik sein. Doch vom "Sicherheitspaket" der deutschen Regierung bleibt womöglich nicht viel übrig. Laut Medienberichten wurden die wesentlichen Punkte entschärft.

Der Zustrom von Asylmigranten nach Deutschland ist weiterhin hoch.
Imago / Photo2000

Das sogenannte Sicherheitspaket war eine Reaktion der Regierung auf den islamistischen Terroranschlag in Solingen im August, bei dem ein Syrer bei einem Festival für Vielfalt drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt hatte. Der 26-jährige Mann kam 2022 als Asylbewerber nach Deutschland und war ausreisepflichtig. Seine Abschiebung scheiterte jedoch.

"Unser Sicherheitspaket ist nach dem mörderischen Anschlag von Solingen die richtige Antwort, um unsere Sicherheit zu stärken", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu den Massnahmen am Freitag (11. 10.).

SPD und Grüne gegen Verschärfungen für Asylmigranten

Eine entscheidende Massnahme: Asylbewerber, für die laut Dublin-Regelung ein anderer europäischer Staat zuständig ist, sollten künftig keine Sozialleistungen mehr erhalten, sofern der zuständige Mitgliedsstaat der Rückführung zustimmt. Das würde den Grossteil der Asylmigranten betreffen, die nach Deutschland kommen, da sie vorher sichere Drittstaaten passiert haben.

Doch von den Bundestagsfraktionen der SPD und den Grünen gab es heftigen Widerstand. Man einigte sich schliesslich darauf, dass die Asylbewerberleistungen nur gestrichen werden würden, wenn der Ausreise keinerlei Hürden mehr entgegenstünden. In einem Brief der SPD-Fraktion soll vor "Obdachlosigkeit und Verelendung" der ausreisepflichtigen Migranten gewarnt worden sein.

Rund 522.000 Asylbewerber haben im Jahr 2023 staatliche Leistungen in Deutschland erhalten, wie das Statistische Bundesamt meldete. Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden und Schweden erhalten in Deutschland auch abgelehnte Asylbewerber weiterhin finanzielle Unterstützung.

Ein alleinstehender Asylbewerber erhält etwa 400 Euro pro Monat für den Lebensunterhalt. Nach 36 Monaten haben Asylmigranten, auch abgelehnte, Anspruch auf Bürgergeld, dann erhalten Alleinstehende 502 Euro. Zusätzlich werden bei allen die Kosten der Unterkunft übernommen, und es besteht für sie Anspruch auf gesundheitliche Versorgung.

CDU-Politiker Throm nennt Paket "nahezu wirkungslos"

Neben Änderungen im Asylrecht umfasst das Paket auch Reformen im Waffenrecht sowie eine Erweiterung der Befugnisse der Polizei. Geplant sind unter anderem weitgehende Messerverbote bei Veranstaltungen sowie in Bussen und Bahnen. Zudem soll der Verfassungsschutz zusätzliche Befugnisse erhalten, um die Terrorismusfinanzierung effektiver zu bekämpfen.

Die Kritik an der Abschwächung liess nicht auf sich warten. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, bezeichnete das geplante Sicherheitspaket der Regierungskoalition als "nahezu wirkungslos". Er sagte: "Jetzt wurde das wenige, auf was sich die Minister einigen konnten, von den Koalitionen mehr oder weniger entwertet."

Die entsprechenden Gesetzesentwürfe sollen in der kommenden Sitzungswoche im Innenausschuss verhandelt werden, und am Freitag könnte dann im Bundesrat über sie abgestimmt werden.

CDU-Politiker kritisiert Entschärfung

Bei der Opposition führt der Kompromiss der Regierung zu Verdruss. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries schrieb auf X: "Während Polen das Asylrecht aussetzen will, um die Migration auf ein Minimum zu reduzieren, schnürt die Ampel das ohnehin schon luftige Sicherheitspaket wieder auf."

Laut de Vries, CDU-Mitglied im Innenausschuss, würde das Paket ohne die Leistungskürzungen für sogenannte Dublin-Fälle "weder die illegale Migration noch die islamistische Terrorgefahr nennenswert" verringern. Ausserdem seien die Befugnisse der Sicherheitsbehörden "bis zur Wirkungslosigkeit" aufgeweicht worden, kritisierte de Vries.

Auch Vertreter der Bundespolizeigewerkschaft blicken mit Unverständnis auf die Abschwächung des Asylpakets. Der Gewerkschafter Heiko Teggatz war als Sachverständiger im Innenausschuss anwesend. Auf X schrieb er: "Die öffentliche Anhörung im Innenausschuss war eine Theatervorstellung und eine Verhöhnung der Opfer von Solingen."

Teggatz sagte der NZZ, dass niemand obdachlos werde, wenn das Existenzminimum in Form von Sachleistungen gewährleistet sei. Asylmigranten hätten weiterhin Anspruch auf eine Gemeinschaftsunterkunft, Verpflegung, medizinische Notversorgung. "Das ursprüngliche Sicherheitspaket hätte den Zustrom nach Deutschland drastisch reduziert", sagte der Gewerkschafter.


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