Von
Matthias Gebauer und
28.03.2023, 08.06 Uhr
Das Schreiben ist vier Seiten lang, vertraulich und strotzt vor Zahlen. Kein Wunder, denn es ist eine Mail des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages. Darin bittet FDP-Mann Florian Toncar, der Parlamentarische Staatssekretär bei Finanzminister Christian Lindner, die Parlamentarier an diesem Montag höflich um mehr Geld.
Die Bundesregierung, das ist die Botschaft des Schreibens, will die Militärhilfe für die Ukraine in den kommenden Jahren dramatisch ausweiten. Dafür braucht sie die Einwilligung des Haushaltsausschusses, doch der wird sie ihr nicht verwehren. Bis auf Linke und AfD gibt es im Bundestag in der Frage der Unterstützung der Ukraine eine parteiübergreifende Mehrheit.
Bisher hat Berlin im laufenden Haushaltsjahr 2,2 Milliarden Euro für die "Ertüchtigung von Partnerstaaten im Bereich Sicherheit, Verteidigung und Stabilisierung" eingestellt. Mit diesem Geld bezahlt das Verteidigungsministerium einen Großteil der Waffenlieferungen an die Ukraine, aber auch die Nachbeschaffung von Systemen, die aus Beständen der Bundeswehr abgegeben wurden.
Diese Summe soll schon in diesem Jahr mehr als verdoppelt werden, um 3,2 Milliarden auf dann über 5,4 Milliarden Euro. Das entspricht exakt der Summe, die das Verteidigungsministerium in Absprache mit dem Auswärtigen Amt beantragt hatte.
Doch das ist nicht alles. In den kommenden Jahren sollen noch einmal zusätzlich 8,8 Milliarden Euro für "Verpflichtungsermächtigungen" bereitgestellt werden. Das Verteidigungsministerium kann also Verträge in der entsprechenden Höhe abschließen. Bisher war dafür nur eine Milliarde Euro eingeplant. Insgesamt wird die Ukrainehilfe damit von heute 3,2 Milliarden auf über 15 Milliarden Euro erhöht.
In einer geheimen Sitzung sollen die Haushälter des Parlaments am morgigen Dienstag erfahren, was von dem zusätzlichen Geld für die Ukraine angeschafft werden soll. Die massive Ausweitung der Hilfe hat viele von ihnen überrascht, und zwar positiv.
"Aufgrund der hohen materiellen Verluste der ukrainischen Streitkräfte sind neue Materiallieferungen erforderlich"
Schreiben des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss
"Aufgrund der hohen materiellen Verluste der ukrainischen Streitkräfte sind neue Materiallieferungen erforderlich", begründet das Finanzministerium den Mehrbedarf, "für die bedarfsgerechte nachhaltige Ausstattung der ukrainischen Streitkräfte müssen unverzüglich zahlreiche Beschaffungsverträge abgeschlossen werden, die Zahlungsverpflichtungen auch für künftige Haushaltsjahre begründen."
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Dabei gehe es um Material "in den Bereichen Luftverteidigung, gepanzerte Kettenfahrzeuge, Munitionsversorgung für die von Deutschland gelieferten Waffensysteme und Artillerie", heißt es in dem Schreiben an den Haushaltsausschuss. Denn wer Waffen liefere, gehe "grundsätzlich eine Folgeverpflichtung" ein, diese Waffensysteme auch in Zukunft durch Munition, Wartungs- und Serviceleistungen einsatzbereit zu halten.
Die Mehrausgaben seien "sachlich unabweisbar", schreibt der Staatssekretär, "da ohne eine andauernde Unterstützung der Ukraine die schwerwiegende Gefahr besteht, dass die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor unterliegt, mit unvorhersehbaren Konsequenzen für die europäische Friedensordnung".
Das Finanzministerium will die Mehrausgaben offenbar nicht durch einen Nachtragshaushalt finanzieren, sondern durch pauschale Minderausgaben in allen Ressorts und Geld, das bewilligt, aber bisher nicht ausgegeben wurde, etwa "Kosten im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19-Pandemie".