Von Matthias Gebauer
12.09.2021, 13.41 Uhr
Annegret Kramp-Karrenbauer sorgt mit einer Personalentscheidung kurz vor der Bundestagswahl für Unruhe im Verteidigungsministerium und heftige Kritik der Opposition. Nach SPIEGEL-Informationen hat die Ministerin ihrem engsten politischen Vertrauten Nico Lange in der ersten Septemberwoche durch die Entfristung seines Arbeitsvertrags eine permanente Position im Ministerium gesichert.
Lange, den Kramp-Karrenbauer 2019 bei ihrem überraschenden Wechsel ins Verteidigungsministerium aus der CDU-Zentrale mitgebracht hatte, kann durch die Entfristung nach der Bundestagswahl auch bei einem Ministerwechel im Wehrressort bleiben. Derzeit fungiert der Politikwissenschaftler als Chef des Leitungsstabs und soll von dort aus das Ministerium direkt unterhalb der Ministerin steuern.
Im System von Kramp-Karrenbauer spielt der 46-jährige Lange seit Jahren eine zentrale Rolle. Schon als Ministerpräsidentin des Saarlands holte sie Lange, der zuvor auf diversen Posten bei der Konrad-Adenauer-Stiftung aktiv war, als Treiber für Innovationen in ihr Team in Saarbrücken. Als Kramp-Karrenbauer dann als Parteichefin nach Berlin wechselte, zog Lange an ihrer Seite mit in die CDU-Zentrale ein.
Der AKK-Vertraute macht kein Geheimnis daraus, dass er erzkonservativ ist. Nach dem Abitur diente der in Mecklenburg-Vorpommern geborene Lange von August 1993 an fast sieben Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Dann studierte er an der Uni Greifswald Politik- und Kommunikationswissenschaften. Nach seiner Magisterarbeit, die er 2005 abgab, ging er für die Parteistiftung der CDU zuerst in die Ukraine und dann in die USA.
Langes Weltbild ist von Feindbildern geprägt. Außenpolitisch sieht er Russland und China als akute Bedrohungen für den Westen. Innenpolitisch fährt er auf Twitter regelrechte Hetzkampagnen gegen alle anderen Parteien. Auch die SPD, derzeit noch Regierungspartner der Union, stellt er regelmäßig als Gefahr für die Sicherheit Deutschlands dar. Im Ministerium wittert er hinter jeder Bürotür einen potenziellen Verräter.
"Dass die Ministerin kurz vor der Bundestagswahl ihrem engsten Berater noch schnell den Vertrag entfristet, ist schlichtweg unanständig."
Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann (FDP)
Die Personalie Lange sorgt im Wehrressort seit Tagen für Gerede. Kramp-Karrenbauer hatte den Polit-Berater bei ihrem Amtsantritt mit einem auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag mit einem Grundgehalt von rund 10.000 Euro (Besoldungsstufe B6) und einer persönlichen Zulage von noch mal gut 1200 Euro monatlich installiert. Die Befristung, so der damalige Arbeitsvertrag, sollte "zur Erprobung des Beschäftigten" dienen.
Dass der Vertrag nun, nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl, entfristet wurde, sichert Lange eine dauerhafte Position. Bei seinem Gehalt müsste AKKs CDU-Buddy auch bei ihrem Ausscheiden auf der Ebene eines Unterabteilungsleiters eingesetzt werden. Im Haus sorgt dies für Kopfschütteln, da Lange einzig wegen seiner engen Verbindung zu AKK ins Haus kam. Seitdem hat er sich im Apparat und unter den Verteidigungspolitikern viele Feinde gemacht.
In den letzten Tagen hatte das Ministerium einiges versucht, um Details des Deals geheim zu halten. Erst nach vielen Windungen antworte man am Freitagabend auf eine entsprechende schriftliche Frage der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Obfrau im zuständigen Bundestagsausschuss hatte Wind von dem fragwürdigen Vorgang bekommen und Aufklärung verlangt.
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und ihr umstrittener Berater: "Management by Jeans - an den entscheidenden Stellen Nieten"
Von Matthias Gebauer und Konstantin von Hammerstein
Aus dem einseitigen Schreiben von Staatssekretär Thomas Silberhorn an Strack-Zimmermann geht jedoch nur schemenhaft hervor, dass man Lange mit der Entfristung eine dauerhafte Position gesichert hat. So schreibt CSU-Mann Silberhorn, der Arbeitsvertrag werde "nach erfolgreichem Ablauf der Erprobungszeit" unbefristet weitergeführt. Dass diese Entfristung vor einigen Tagen vollzogen wurde, bleibt unerwähnt.
Ebenso geht das Ministerium überhaupt nicht auf die durchaus ungewöhnliche Zulage von immerhin zwölf Prozent des Grundgehalts ein. Laut dem ersten Arbeitsvertrag von 2019, der mit dem Innenministerium ausgehandelt wurde, soll der Bonus bis Herbst 2023 weiter gezahlt werden. Strack-Zimmermann hatte ausdrücklich danach gefragt.
Die FDP-Abgeordnete ist einigermaßen fassungslos. "Dass die Ministerin kurz vor der Bundestagswahl ihrem engsten Berater noch schnell den Vertrag entfristet, ist schlichtweg unanständig", sagte Strack-Zimmermann dem SPIEGEL, "zumal Lange als Chef des Leitungsstabs maßgeblich für das miserable Management des Ministeriums verantwortlich ist."
Hinzu komme, so die FDP-Abgeordnete, dass das Ministerium sie nicht umfänglich informiert hat. "Mir eine offensichtlich gekürzte Antwort vorzulegen, ist nicht nur dumm und dreist, sondern zeugt von einer ausgeprägten Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament", so Strack-Zimmermann.
Neben der Personalie Lange gab es kurz vor der Wahl weitere interessante Posten-Rochaden. So sollen mindestens drei der begehrten Leitungsposten der Besoldungsstufe B7 im Geschäftsbereich des Ressorts kürzlich mit CDU-nahen Beamten und Beamtinnen besetzt worden sein. Zudem wurde ein weiterer konservativer Beamter aus dem Kanzleramt als Vizechef der Politikabteilung im Ministerium installiert.
Aus Sicht von Insidern illustrieren die Personalien, dass Kramp-Karrenbauer tatsächlich daran glaubt, dass sie noch eine weitere Legislaturperiode Ministerin bleiben kann. Öffentlich hat sie diese Ambition schon häufiger geäußert. Aus der CDU heißt es dazu, Kanzlerkandidat Armin Laschet habe AKK für den Fall eines Wahlsiegs der Union bereits angeboten, weiter im Bendlerblock regieren zu können.
Einziger Haken: Derzeit sieht es so gar nicht danach aus, dass die CDU am Wahltag als stärkste Kraft dasteht. In diesem Fall würde wohl eine andere Partei den Chefposten im Wehrressort übernehmen. Spätestens dann würde Lange "wie eine Fehlfarbe" auf einem gut bezahlten Leitungsposten im Haus sitzen, heißt es im Ministerium.
Quelle: Annegret Kramp-Karrenbauer versorgt ihren Chef-Berater mit sicherem Posten - DER SPIEGEL