Verdrehte Fakten: In Dunja Hayalis Doku sind Deutsche eine Gefahr für Migranten

Sophie-Marie Schulz

25.08.2025, 17:10 Uhr

In ihrer Sendung "Am Puls" befasst sich Hayali mit dem Sicherheitsgefühl der Deutschen. Doch statt nüchtern zu analysieren, werden Täter verharmlost und Ängste als diffuse Empfindung dargestellt. Eine Kritik.

Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali begibt sich in der Doku "Am Puls" auf die Suche nach Antworten auf die Frage, ob die wahrnehmbare Unsicherheit begründet ist.
Felix Korfmann Überschrift: Am Puls mit Dunja Hayali - Die Innere (Un-)Sicherheit/ZDF

Ein unsichtbarer Nebel liegt über dem Land. Er begleitet Frauen auf dem Heimweg durch dunkle Gassen, liegt über Bahnhöfen, Parks und Hauseingängen. Dieser Nebel, der sinnbildlich für ein nicht wegzudiskutierendes gesellschaftliches Angstgefühl steht, ist allgegenwärtig und unsichtbar zugleich. Er ist ein Teil der Lebensrealität von Millionen Deutschen, die lieber ins Taxi steigen, als die U-Bahn zu nehmen. Die ihre Kinder in die Schule bringen, anstatt sie alleine gehen zu lassen.

Doch was ist, wenn der Nebel der Angst nur eine Einbildung ist? Wenn wir uns etwas einreden, was gar nicht existiert? Und wenn sogar wir selbst es sind, vor denen man sich fürchten sollte? Die Moderatorin Dunja Hayali begibt sich in der ZDF-Doku "Am Puls" auf die Suche nach Antworten und gibt gleich zu Beginn zu, "ein Gefühl der Unsicherheit" zu verspüren. Der Grund: "Die Zahl der Angriffe auf Menschen mit Migrationsgeschichte liegt auf einem Rekordhoch."

Das Problem ist nicht die Gewalt, sondern die Empfindsamkeit der Bevölkerung

Ein Satz, der in den ersten Minuten des Beitrags mit dem Titel "Die Innere (Un-)Sicherheit" fällt und ein Problem offenbart: Anstatt den Nebel ernsthaft zu analysieren, versucht Hayali ihn wegzudeuten, zu relativieren und die Verantwortung nicht auf die angsterfüllten Menschen, sondern insbesondere auf die Medien zu schieben.

Journalisten, so ihre scheinbar selbstkritische Einsicht, seien Teil des Problems. Wenn ein Täter einen Migrationshintergrund habe, dann werde tagelang berichtet, bei deutschen Tätern sei nach einem Tag Schluss. Eine Studie, so Hayali, belege das. Dass die Polizeistatistik seit Jahren deutliche Anstiege bei Gewaltdelikten und insbesondere bei Messerangriffen zeigt, wird zwar kurz erwähnt, aber anschließend mit einer steigenden Zahl von Anzeigen begründet. Wie dem auch sei, ein strukturelles Problem liege in keinem Fall vor, so zumindest der Tenor.

In Magdeburg trifft Dunja Hayali den Syrer Anas, der einen Messerangriff überlebt hat.
Felix Korfmann/ZDF

Das Problem ist also nicht die Gewalt, sondern die Empfindsamkeit der Bevölkerung und die Sensationslust der Medien. Und trotzdem befragen Hayali und ihr Team mehrere Passanten, wollen wissen, ob sie sich am Bremer Bahnhof sicher fühlen. Die Mehrheit verneint. Hayalis Reaktion? Sie lässt die Aussagen, getreu dem Verfahren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von einer Expertin einordnen. Julia Ebner, Autorin und Extremismusforscherin, bestätigt, dass Emotionen für die Wahrnehmung der Befragten verantwortlich seien.

In Ebners 2023 erschienenem Buch "Massenradikalisierung: Wie die Mitte Extremisten zum Opfer fällt" werden diese Erkenntnisse vertieft, im Gespräch mit Hayali geht es aber dann doch weniger um ihre Bücher und ihre darin beschriebenen "riskanten Undercover-Missionen" in "Impfgegner"-Kreisen, sondern um die wahren Ursachen. Hayali zählt auf: prekäres Umfeld, Bildungsferne, wenig Geld, Traumata, Fluchterfahrung. Die Expertin nickt zustimmend.

"Messerstecher Ali" versus "Messerstecher Uwe"

Spätestens jetzt ist klar: Die Reportage folgt einem Muster. Jeder Hinweis auf reale Probleme wird sofort relativiert, jeder statistische Befund mit einem Aber versehen. Ja, Messerkriminalität nimmt zu, aber ein Zusammenhang mit Migration sei wissenschaftlich nicht nachweisbar. Ja, Frauen fühlen sich nachts unsicher, aber schuld daran sind genauso deutsche Männer auf Junggesellenabschieden. Ja, es gibt islamistische Anschläge, aber der Täter von Magdeburg sei doch auch ein AfD-Sympathisant gewesen. So werden Sachverhalte nicht erklärt, sondern in eine beruhigende Erzählung eingebettet: Gewalt ist universell, Ursachen sind sozial, der biografische Hintergrund ist irrelevant. Diese vermeintliche Irrelevanz der Herkunft verdeutlicht Hayali anhand einer plakativen Gegenüberstellung: "Messerstecher Ali" versus "Messerstecher Uwe".

Besonders irritierend ist Hayalis Umgang mit der Polizei. In Bremen begleitet sie Beamte auf einer Streife und zeigt sich überrascht über die Überlastung, langwierige Kontrollen und die gesetzlichen Einschränkungen der Einsatzkräfte. "Dass die Polizei so gegen Windmühlen kämpft, war mir nicht klar", kommentiert sie. Dass ausgerechnet eine Journalistin, die sich als "am Puls" versteht, offenbar erst jetzt merkt, wie überlastet die Sicherheitskräfte sind, wirkt weltfremd - und sagt mehr über die Blase der Erzählenden aus als über die Lage im Land.

Auch bei der Auswahl der Opfergeschichten zeigt sich die Schlagseite der Doku. Statt deutsche und ausländische Opfer in gleichem Maße zu Wort kommen zu lassen, wird der Fall eines Syrers hervorgehoben, der von einem Deutschen niedergestochen wurde. Etwas später kommt eine Frau zu Wort, die beim islamistisch motivierten Anschlag in Solingen mit einem Messer verletzt wurde. Ihre Botschaft lautet: "Die meisten Flüchtlinge sind friedlich." Unerwähnt bleibt, dass Statistiken belegen: Straftäter sind mehrheitlich keine deutschen Staatsangehörigen.

Als Hayali den Terroranschlag in Magdeburg im Dezember 2024 erwähnt, betont sie, dass der Täter zwar aus Saudi-Arabien stamme, aber als "Islamhasser" in Erscheinung getreten sei und der AfD nahestehe. Dass er im Gefängnis einen achtseitigen Brief schrieb, in dem er den Anschlag rechtfertigte und neue Drohungen formulierte, verschweigt die Reportage. So wird das Bild bewusst verschoben: weg vom islamistischen Hintergrund, hin zur "rechten Gefahr".

Gewaltbereitschaft aus Habgier, einem inneren Trieb, blankem Hass?

Am Ende der Doku setzt Dunja Hayali dem Ganzen dann die Krone auf, indem sie eine Traumaberatung für Flüchtlinge besucht. Eine Psychotherapeutin legt dar, dass ein Flüchtling in der Situation einer Fahrkartenkontrolle plötzlich gewalttätig werden könnte, weil er sich in diesem Moment an Foltererfahrungen erinnert. Die Therapie sei entsprechend notwendig, um Gewaltausbrüche verhindern zu können. Hayali lobt das Projekt und empfiehlt flächendeckende Umsetzung: "Das ist doch die beste Prävention überhaupt." Gewaltbereitschaft aus Habgier oder blankem Hass? Darüber wird kein Wort verloren. Wer ohne traumatische Vorgeschichte gewalttätig handelt, wird in Hayalis Erzählung unsichtbar.

Ironischerweise sagt die ZDF-Moderatorin ganz am Ende, in der letzte Minute ihrer Dokumentation: "Wir alle sollten versuchen, bei den Fakten zu bleiben, und Klartext reden, auch wenn es manchmal wehtut." Möglicherweise hat Dunja Hayali aufgrund der dicken Nebelschicht, die das Land überzieht, selbst den Durchblick verloren.


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