"Verbraucher so richtig schröpfen" Jetzt rechnet Deutschland mit Habecks Gasumlage ab Britta Pedersen/dpa
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht wegen der geplanten Gasumlage in der Kritik.

Samstag, 27.08.2022, 06:13

Schon ab Oktober müssen Hunderttausende Verbraucher in Deutschland wegen der Gasumlage tiefer in die Tasche greifen. Das sorgt für Unmut - bei Unternehmern, Gewerkschaften, Politikern und Ethikern. Sogar die Grüne Jugend fällt Habeck jetzt in den Rücken.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht im Kreuzfeuer. Wegen der Gasumlage, die sein Ressort eingeführt hat und die die meisten Verbraucher ab Oktober zahlen müssen.

Die Abgabe umfasst netto 2,4 Cent pro Kilowattstunde Gas und soll - so die Idee - angeschlagene Gasversorger retten. Das stößt allerdings zunehmend auf Kritik. Nicht nur bei normalen Bürgern, sondern auch bei Politikern, Unternehmern und Ethikern.

Kritik an Gasumlage: "Handwerklich extrem schlecht gemacht"

Da ist zum Beispiel die CDU, die die Gasumlage am liebsten ganz abschaffen würde. Generalsekretär Mario Czaja bezeichnete das Vorhaben als "handwerklich extrem schlecht gemacht" , Jens Spahn sprach von einer "Chaos-Umlage" und CDU-Mann Thomas Heilmann von einem "Irrweg".

Überraschender ist aber die Gasumlagen-Kritik, die Habeck aus den eigenen Reihen erntet. "Die Regierung sollte das Wohl der Menschen und nicht das Recht auf Gewinne in den Mittelpunkt stellen", sagte die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, dem Magazin "Der Spiegel".

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Sarah-Lee Heinrich (l) und Timon Dzienus freuen sich nach ihrer Wahl als Bundessprecher der Grünen Jugend.

Mit Blick auf die Idee ihres Wirtschaftsministers ergänzte sie: "Die Gasumlage war von Anfang an der falsche Weg." Es könne nicht sein, "dass die Gesellschaft jetzt die Verluste tragen soll, während viele Unternehmen in dieser Krise Übergewinne gemacht haben".

"Das kann man den Menschen, die nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen sollen, überhaupt nicht erklären", sagte Heinrich. Sie fordert stattdessen die Einführung einer Übergewinnsteuer und eines Gaspreisdeckels.

Und auch SPD-Chefin Saskia Esken sagte der "Rheinischen Post", der Klimaminister müsse "dafür sorgen, dass Leistungen aus der Gasumlage der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Konzerne gerecht werden". Unternehmen, die in anderen Bereichen "gutes Geld verdienen", müssten sich selbst helfen.

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Kritik an Habeck aus der Wirtschaft: "Hochgradig unausgegoren"

Daneben haben einige Unternehmer und Verbände ihren Unmut über die Gasumlage geäußert. Der Vorstand des Leverkusener Kunststoffkonzerns Covestro, Klaus Schäfer, sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" am Mittwoch: "Die Umlage ist hochgradig unausgegoren und völlig unfair. Kosten und Nutzen stehen nicht im Gleichgewicht."

Je nach weiterer Entwicklung der Energiepreise rechnet Schäfer mit hohen Mehrkosten für sein Unternehmen. "Da müssen sich später gegenseitig Wettbewerber subventionieren", kritisierte er.

Zudem hätten einige Gasimporteure bereits erklärt, auf die Umlage verzichten zu können. "Das spricht nicht für die Präzision dieses Instruments." Als eine Alternative schlug der Manager eine Gassteuer vor, "die über das ganze Land verteilt würde".

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Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.

Auch aus Sicht des Deutschen Mieterbundes ist der Plan der Bundesregierung für eine Gasumlage bei gleichzeitiger Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas nicht nachvollziehbar. "Ich verstehe die ganze Gasumlage überhaupt nicht", sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten vor einigen Tagen in Berlin.

Bei der Umlage gehe es ja letztlich darum, Unternehmen zu retten. Dies könnte man, genau wie bei der Bankenkrise von 2008, direkt machen, sagte der Mieterbund-Chef. "Da muss man nicht diesen seltsamen Umweg über die Verbraucher gehen und denen dann hinterher erzählen, "aber wir senken jetzt dafür dann die Mehrwertsteuer", fügte Siebenkotten hinzu.

Viele Menschen mit niedrigem Einkommen könnten nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi durch die Gasumlage außerdem in existenzielle Schwierigkeiten geraten. "Die Bundesregierung ist gefordert, ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das die Menschen vor Energiearmut schützt" , sagte der Vorsitzende Frank Werneke Mitte August. Er forderte einen Gaspreisdeckel für den normalen Verbrauch.

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Kritik von Verbrauchern und Ethikern: "Verbraucher werden geschröpft"

Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Niedersachsen wächst der Ärger vieler Menschen über die geplante Gasumlage. "Uns erreichen vermehrt Anfragen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die über die Einführung der Gasumlage sehr verärgert sind", sagte Julia Schröder, Energierechtsexpertin der Verbraucherzentrale, am Donnerstag.

Existenznöte, aber auch Unverständnis über die Kostenverteilung trieben die Betroffenen um. Die Verbraucherzentrale forderte ein weiteres Entlastungspaket für Verbraucher mit unteren und mittleren Einkommen sowie eine sogenannte Übergewinnsteuer für gut verdienende Energiekonzerne.

Frank Rumpenhorst/dpa
Viele Lebensmittel werden immer teurer.

Angesichts steigender Preise für Lebensmittel und Energie könnten viele Menschen nicht verstehen, dass Privatpersonen zur Kasse gebeten werden und Energiekonzerne, die an den hohen Preisen gut verdienten, finanzielle Hilfen erhalten sollten, erklärte Schröder. Der Alltag sei für viele schon jetzt finanziell kaum noch zu bewältigen.

Auch der Philosoph Arnd Pollmann, der als Professor für Ethik und Sozialphilosophie an der Alice Salomon Hochschule Berlin arbeitet, hält die Gasumlage für ein Unding.

"Sie soll diesen bedauernswerten Versorgern, verstrickt in russische Unternehmungen, unter die Arme greifen, damit sie die Verbraucher dann so richtig schröpfen können", sagte er zuletzt im Gespräch mit FOCUS online. Das Prinzip des "freien Marktes", auf dem Konkurrenz herrsche, habe er immer anders verstanden.

Habeck verteidigt Gasumlage - er hat auch Unterstützer

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigt das Konzept jedenfalls. Er machte am Mittwoch in Berlin deutlich, dass die Umlage der Versorgungssicherheit dient. Es sei unstrittig, "dass das eine schmerzhafte Operation ist und mit Zumutungen verbunden".

Die sozialpolitischen "Unwuchten" müssten durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden. Diejenigen, die sich die hohen Energiekosten und die Umlage nicht leisten könnten, müssten finanziell so unterstützt werden, dass sie durch Energie nicht in Armut gedrängt werden.

Menschen, die die Gasumlage für sinnvoll halten und die Habeck den Rücken stärken, gibt es trotz aller Kritik aber auch. Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller etwa sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ): "Ich kann den Ärger verstehen, es geht aber nur ein kleiner Teil der Umlage an Unternehmen, die das nicht wirklich benötigen, um eine Insolvenz abzuwenden."

Er ist sich allerdings sicher, dass mit künftigen Gesetzesnovellen für mehr Transparenz gesorgt werden kann. "Ich glaube, die Umlage ist zielgenauer als ihr Ruf, auch wenn das so bisher nicht offen nachvollziehbar ist." Die Gasumlage sei notwendig geworden, weil Russland die Gasmengen gekürzt habe, betonte der Präsident der Bundesnetzagentur.

Dadurch seien Importeure, in erster Linie Uniper, gezwungen, auf den Märkten sehr teuren Ersatz zu beschaffen. Gleichzeitig hätten sie die Kosten nicht an die Verbraucher weitergeben dürfen - und wären so von Insolvenz bedroht gewesen.


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