Stand: 29.10.2021 | Lesedauer: 5 Minuten
Von Hannelore Crolly
Mehr als 65 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen würde das Umweltbundesamt (UBA) gern anders verteilt sehen. Denn dieser dicke Batzen Geld ist nach Überzeugung von UBA-Präsident Dirk Messner bisher noch "umwelt- und klimaschädlich eingesetzt". Ein Kurswechsel in der Förder-Praxis des Bundes würde umgehend eine "Win-win-Konstellation" bescheren, sagte Messner bei der Präsentation von Vorschlägen seines Amtes.
Würde also die steuerliche Bevorzugung oder Förderung von Dienstwagen und Diesel-Kraftstoff, von Flugreisen und tierischen Lebensmitteln beendet, argumentiert Messner, dann würden Klima und Umwelt unmittelbar profitieren. Denn 54 der 65 Milliarden Euro würden zur Luftverschmutzung beitragen. Freuen könne sich aber auch der künftige Finanzminister, weil ein zweistelliger Milliardenbetrag frei werde. Und der "sozialen Gerechtigkeit" werde auch noch gleich Genüge getan.
Derzeit profitieren laut UBA vor allem Bezieher höherer Einkommen von Vergünstigungen, und Messner nannte es unfair, dass Steuern von Normalverdienern genutzt würden, um hohen Einkommensklassen den Dienstwagen zu finanzieren. Die Summe - bei dem Dienstwagenprivileg geht es laut UBA um drei Milliarden Euro jährlich - sollte stattdessen in den öffentlichen Nahverkehr fließen, fordert das Amt.
Quelle: pa/photothek/Janine Schmitz
Hört sich simpel an, zumal Messner versprach, dass einige seiner Vorschläge wie die Abschaffung der Pendlerschale oder die steuerliche Gleichbehandlung von Diesel und Benzin sehr zügig umgesetzt werden könnten. Aber in der Praxis gibt es stets einen massiven Widerstand, wenn Subventionstöpfe geschlossen oder an andere Empfänger verteilt werden. Messner, der seit Jahren für eine andere Subventionspraxis plädiert, weiß das natürlich, gibt sich aber trotzdem zuversichtlich wie lange nicht mehr.
"Wir sehen ein Gelegenheitsfenster", sagte der Präsident mit Blick auf die gerade entstehende Ampel-Regierung. "Ich sehe Bewegung bei der Debatte, aus umweltschädlichen Subventionen umweltfreundliche zu machen." Das könne man "sogar mit der FDP besprechen".
Die Liberalen seien schließlich marktwirtschaftlich orientiert und stünden daher "Subventionen, also Marktverzerrungen", kritisch gegenüber. Insgesamt ist Messner daher zuversichtlich, dass es unter der neuen Regierung Rahmenbedingungen geben wird, "um über die Marktkräfte Klimaneutralität zu erlangen".
Die Verhandler von SPD, FDP und Grünen haben versprochen, eine Investitionsoffensive zu starten. Das wird teuer, aber Steuererhöhungen soll es nicht geben. Die Mittel sollen laut Ankündigung der künftigen Koalitionäre daher unter anderem aus der Streichung von Subventionen und anderen Staatsausgaben kommen, die als "umwelt- oder klimaschädlich" eingestuft werden.
Subventionsabbau
Ampel-Pläne gegen "klimaschädliche" Ausgaben könnten Millionen Bürger hart treffen
Um für diese Verhandlungen Futter zu liefern, hat das Umweltbundesamt nun also Vorschläge zusammengestellt. Die Zahlen, auf denen sie basieren, stammen zwar noch aus dem Jahr 2018. Aber die Tendenz, was die geförderten Gebiete angehe, sei unverändert, so Amtsressortleiter Andreas Burger.
Allein sechs Milliarden Euro könnte der Staat demnach mehr an Steuern einnehmen, wenn die Pendlerpauschale abgeschafft würde. Über acht Milliarden Euro an Steuermindereinnahmen beschert die Diesel-Förderung, ungefähr ebenso viel die Energiesteuerbefreiung von Kerosin. "Diese Subventionen sind aus der Zeit gefallen", so Messner.
Nichts hält er auch von einer weiteren Förderung von Hybrid-Autos. Diese seien eine "fragwürdige Form der Begünstigung, mit der nichts für den Klimaschutz getan wird." Die meisten Fahrzeuge seien nämlich fast ausschließlich auf Verbrennerbasis unterwegs. "Als E-Auto fehlt ihnen die Reichweite."
Überhaupt dürften auf den Verkehr und den Energiebereich die massivsten Veränderungen zukommen, sollten die Koalitionäre den UBA-Vorschlägen folgen. Denn mit fast 31 Milliarden Euro fast die Hälfte der angeblich schädlichen Subventionen entfallen derzeit auf Straßen- und Flugverkehr, 39 Prozent auf die Energiebereitstellung und -nutzung.
Das Argument, dass der Verbraucher die Vorhaben schmerzhaft im Geldbeutel zu spüren bekäme, lässt das Bundesamt nicht gelten. Zum einen koste Klimaschutz nun einmal Geld. "Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass, das kann nicht funktionieren", so Messner. Zugleich schlage man ja aber auch Entlastungen vor.
Zum Beispiel eine reduzierte Mehrwertsteuer für Lebensmittel: Der reduzierte Satz von sieben Prozent sollte künftig für tierische Produkte nicht mehr gelten, fordert das Umweltbundesamt. Das würde nicht nur Fleisch und Milch, sondern auch Eier und Honig betreffen.
Die Mehreinnahmen - das UBA geht von rund fünf Milliarden Euro aus - könnten dann aber genutzt werden, um die Mehrwertsteuer für pflanzliche Produkte noch weiter zu senken, zunächst auf fünf Prozent, nach der geplanten EU-Mehrwertsteuerreform womöglich sogar noch weiter. "Brot und viele andere Grundnahrungsmittel würden günstiger", argumentiert das Bundesamt.
Das UBA ist übrigens eine Bundesoberbehörde, die dem Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums zugeordnet ist. Überlegungen, die dort zum Klimaschutz angestellt werden, haben durchaus Gewicht. Ob das aber ausreicht, um kritische Veränderungen wie bei der Fleisch-Steuer oder Pendlerpauschale zu bewirken, ist fraglich.
Klimapläne der Ampel
Das verräterische Wort von der "Transformation" der Gesellschaft
Immerhin haben die Pauschale ebenso wie die Steuernachlässe für verschiedene Kraftstoffe in den vergangenen Jahrzehnten noch jeden Regierungswechsel überlebt. Und die Vorschläge des Umweltbundesamtes, wie die Belastung für Pendler verringert werden könnte, klingen nach heftigem Streit.
Messner schlägt einen Systemwechsel vor, weg von der Pauschale und hin zur Anrechnung der Arbeitsplatzfahrten als "außergewöhnliche Belastung". Dann nämlich könnten auch "Sozialkriterien" eingebaut werden: "Familien mit Kindern beispielsweise könnten deutlich größere Abzugsmöglichkeiten bekommen als Reiche und Alleinstehende." Allerdings hat FDP-Chef Christian Lindner bereits Widerstand gegen ein Ende der Pendlerpauschale und höhere Dieselpreise angekündigt.
Zu den Belastungen durch massive Gas- und Strompreiserhöhungen für die Verbraucher sagte Messner: "Die vernünftigste Antwort auf steigende Energiepreise im fossilen Bereich ist der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien." Nach einer schnellen Lösung oder Entspannung der Lage klingt das nicht.
Und dann sind da noch internationale Vereinbarungen zu berücksichtigen, etwa die Steuerbefreiung für Flugbenzin. Das müsste in zähen Verhandlungen auf EU- und internationaler Ebene geändert werden. Ohnehin werden rund 20 der 65 Milliarden Euro an "umweltschädlichen" Subventionen auf europäischer Ebene reguliert. Die künftige Regierung darf dort mitverhandeln. Durchregieren kann sie nicht.
Quelle: welt.de