Von Martin Hesse
28.10.2024, 19.00 Uhr
Foto: Ina Fassbender / AFP
Deutsche Unternehmen planen, in Zukunft mehr im Ausland und weniger in Deutschland zu investieren. Das zeigen die Ergebnisse einer Befragung unter 185 Finanzvorständen deutscher Großunternehmen zwischen dem 12. September und dem 2. Oktober durch die Unternehmensberatung Deloitte.
Demnach sehen heute zwar noch 82 Prozent der Befragten ihren Investitionsschwerpunkt in Deutschland, in fünf Jahren halten jedoch nur noch 63 Prozent der Finanzvorstände den Heimatmarkt für das attraktivste Investitionsziel. Stattdessen blicken sie vor allem verstärkt ins europäische Ausland sowie in die USA und asiatische Märkte wie Indien. Dagegen verliert China als Investitionsschwerpunkt an Bedeutung.
Die Ergebnisse dürften die aktuelle Diskussion um die schwindende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands befeuern. Selbst die Bundesregierung geht in ihrer jüngsten Prognose davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge schrumpft. Für diesen Dienstag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Vertreter von Industrie, Mittelstand und Gewerkschaften geladen, um zu erörtern, wie der Standort wieder konkurrenzfähiger gemacht werden könnte.
Die Deloitte-Studie deutet nun darauf hin, dass vor allem Unternehmen aus Branchen, die besonders unter hohen Energie- und Personalkosten leiden, verstärkt darüber nachdenken, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Erst vor wenigen Tagen hatte eine Umfrage unter Familienunternehmen ergeben, dass auch diese eine Verlagerung ins Ausland planen.
Laut der Deloitte-Umfrage bewerten fast drei Viertel der Befragten aus den Kernindustrien Automobil, Chemie und Maschinenbau (74 Prozent) Deutschland aktuell noch als ein wesentliches Investitionsziel. Mit Blick auf die nächsten fünf Jahre sehen das nur noch 54 Prozent so.
"Die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland, fehlende Nachfrage und hohe Kosten führen dazu, dass die Unternehmen mehr im Ausland investieren", sagt Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte. "Dass dies vor allem in den deutschen Kernindustrien passiert, ist beunruhigend." Deutschland müsse bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und die Erhöhung der Produktivität schaffen.
Die Unternehmen haben der Untersuchung zufolge vorwiegend zwei Motive, verstärkt im Ausland zu investieren: Sie erhoffen sich besseren Zugang zu internationalen Absatzmärkten (40 Prozent) und Kosteneinsparungen (34 Prozent). In der Autoindustrie hoffen sogar 54 Prozent, im Ausland günstiger produzieren zu können. Die Mehrheit der Befragten möchte dagegen Forschung und Entwicklung sowie wichtige IT-Funktionen in Deutschland halten.
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Von einem bisher noch sehr niedrigen Niveau soll Afrika als Standort für das verarbeitende Gewerbe am zweitstärksten wachsen. Aktuell setzt dort noch kein Unternehmen seinen Schwerpunkt, in fünf Jahren werden es Deloitte zufolge voraussichtlich schon acht Prozent sein.
Das Engagement in China soll für die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes dagegen in Zukunft aufgrund wachsender geopolitischer Risiken besonders stark zurückgehen. Das betrifft hauptsächlich Chemie und Maschinenbau.
Allerdings sehen die befragten Finanzvorstände bei höheren Auslandsinvestitionen auch Risiken, vor allem im Bereich von Regulatorik und Compliance. Auch neue Handelsbarrieren schrecken die Manager ab, exportorientierte Firmen sehen sich dem Risiko ausgesetzt, aus politischen Gründen gegenüber lokalen Unternehmen benachteiligt zu werden.