Dienstag, 14.03.2023, 16:26
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP, l-r), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) - die Stimmung in der Ampel-Koalition ist gereizt wie lange nicht mehr.
So dick, dass nicht mehr alle hineinpassen. Deshalb wird ein neues Kanzleramt gebaut, eins, das doppelt so groß wird wie das alte. Und das war schon massiger als das alte in Bonn, das von Helmut Schmidt 1976 bezogen wurde (obwohl es "nur" gut 5000 Quadratmeter größer ist). Lassen wir weg, wo besser regiert wurde, aber eins scheint doch sicher: Regierungsqualität hängt nicht an Regierungsgröße.
Zuletzt hat die Bundesregierung einen Rekord gebrochen: in den Ministerien arbeiten jetzt mehr als 30.000 Mitarbeiter. Damit nicht genug: Die Ampelkoalition gönnte sich 168 neue hochbezahlte Beamte. Hochbezahlt, weil allesamt in der B-Besoldung, was bedeutet: bis 15.000 Euro im Monat. Das ist mehr, als ein Oberarzt in einer Klinik verdient.
Offensichtlich ist, dass die Regierung bei ihren Appellen zum Maßhalten wegen Inflation und Energiepreisexplosion einen Akteur ausgenommen hat: sich selbst. Das macht auch eine andere Zahl deutlich: Es gibt in der Bundesregierung jetzt 37 Parlamentarische Staatssekretäre. Es war einmal normal, dass ein Minister zwei Parlamentarische Staatssekretäre an seiner Seite hatte. Das neue Normal beschreibt eine Verdickung in der Fastenzeit und heißt: Ein Minister, drei bis vier Staatssekretäre.
Der Bundestag aus Vogelperspektive.
Volker Wissings Verkehrsministerium verfügt nun über insgesamt sechs Staatssekretäre - "zur Abdeckung des aus den zusätzlichen Aufgabenbereichen resultierenden Leistungsbedarfs". FDP-Mann Wissing gönnt sich zwei Spitzenmänner mehr als sein Vorgänger von der CSU, Andreas Scheuer. Darf man fragen, seit wann Behörden wie Ministerien besser funktionieren, je mehr Leute sie haben? Zumal dieses Mehr eben nicht die Indianer aufstockt, sondern die Häuptlinge.
Auch damit nicht genug: Inzwischen zählt die Bundesregierung 48 sogenannte Regierungsbeauftragte. Der jüngste zu dieser Aufgabe Berufene quartiert sich bei Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt ein. Robin Wagner von den Grünen darf sich nun "Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem Südkaukasus, der Republik Moldau sowie Zentralasien" nennen. Überhaupt, das Auswärtige Amt. Dort gibt es einen "Transatlantik"-Beauftragten und einen für Polen. Auch einen für den Balkan. Allerdings gerade keinen für Russland, was angesichts der Linie der Ministerin folgerichtig erscheint, aber irgendwie auch fahrlässig wirkt.
Vor Wagner machte Baerbock mit einer anderen Personalie Furore, als sie die ehemalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bei sich einstellte. Und beim grünen Agrarminister Cem Özdemir gibt es nun einen "Tierschutzbeauftragten" - für alles in allem 258.000 Euro im Jahr. Deutschland hat mittlerweile auch einen "Queer-Beauftragten" - Sven Lehmann von den Grünen. Mit ihm ist die LGBTIQ-Lobby in die Regierung eingezogen.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, und das ist die Debatte um den aufgeblähten Bundestag. Die wird gerade reichlich gallig geführt. Es geht um die Reform des Wahlrechts, das die Ampelregierung mit ihrer Mehrheit jetzt durch das Parlament drücken will. Was das eine mit dem anderen zu tun hat?
Nun - der fett gewordene Bundestag mit seinen 736 Abgeordneten steht in gleißendem Scheinwerferlicht, die fett gewordene Bundesregierung aber mästet sich im Schutz der Dunkelheit. Und das ist problematisch. Vielleicht ist es auch gefährlich. Weil der, der kontrolliert, schwächer und der, der kontrolliert werden soll, stärker wird. Und weil auch noch bei den Kontrolleuren eine Verschiebung stattfinden soll: deren Volksnähe nimmt ab.
Was auf folgendes hinausläuft: Die Regierung, die nicht vom Volk kontrolliert wird, wächst - und dehnt ihre (identitätspolitische) Macht aus in die Gesellschaft. Das Parlament, das im Auftrag des Volkes die Regierung kontrolliert, nimmt ab - und verringert dabei obendrein auch noch seine Volksnähe.
Als die Regierung noch in Bonn saß, lautete ein populärer Vorwurf, die Politik werde "unter einer Käseglocke" gemacht. Falls das stimmt, dann muss man sagen: besser geworden ist es sicher nicht. Die Käseglocke wurde abgelöst von einer Dunstglocke. Dunstglocke, weil die Transparenz der Regierung nicht zu-, sondern abgenommen hat.
Und deshalb sollte man es bei einer Diskussion über das Parlament nicht bewenden lassen. Die Debatte über die Größe des Bundestags ist wichtig, aber sie ist auch ein Ablenkungsmanöver. Es geht um mehr als die schiere Zahl von Abgeordneten.
Es geht um Macht und Kontrolle, um "Checks and Balances", um das politische Gleichgewicht im Land. Und da ist es dann keine Kleinigkeit, wenn ein Wahlrecht beschlossen werden soll, bei dem es möglich ist, dass in einem Wahlkreis kein Abgeordneter mehr direkt vom Volk gewählt und nach Berlin entsendet werden kann. Ebenso bedenklich ist es, die Drei-Mandate-Regel abzuschaffen, selbst wenn davon hauptsächlich die Linke profitiert (aber auch der Südschleswigsche Wählerverband).
Wenn die Wahlreform jetzt verabschiedet wird, steht damit noch nicht fest, wie wir das nächste Mal wählen. Denn dieses Gesetz wird vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Vielleicht muss es das auch.