Gastautor Gabor Steingart
Montag, 28.11.2022, 11:21
Trump ging, sein Motto blieb: America First.
Weil man diese Überhöhung der eigenen Nation - zumal unter einem demokratischen Präsidenten - so deutlich nicht zelebrieren möchte, werden einerseits amerikanische Sicherheitsinteressen und andererseits die Inflationsbekämpfung als Gründe für die Alleingänge genannt.
Die Zange besteht dabei aus zwei sehr unterschiedlichen Schenkeln:
Der amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) zielt vordergründig darauf ab, die Inflation in den USA zu senken. In Wahrheit handelt es sich aber um ein gigantisches Subventionsprogramm zugunsten der neuen Technologien. Das Gesetzespaket sieht Ausgaben in den nächsten zehn Jahren in Höhe von 369 Milliarden Dollar in Programme für Energiesicherheit und Klimawandel vor und setzt damit die europäische Industrie unter Druck. Gehen oder bleiben? Laut Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire betragen in einigen Fällen die von der US-Regierung angebotenen Subventionen vier- bis zehnmal so viel wie die maximal von der EU-Kommission erlaubte staatliche Unterstützung.
Die Sanktionen der US-Regierung gegen Chinas Halbleiterindustrie setzen einerseits das Reich der Mitte unter Druck. Seit Anfang Oktober beschränkt Washington die Ausfuhr von Produktionstechnologien, die zum Aufbau einer eigenen Chipfertigung in China gebraucht werden. US-Hersteller Nvidia und AMD müssen nun die Exporte ausgewählter Halbleiter von der Regierung genehmigen lassen.
Forschung und Entwicklung sowie die Instandhaltung der bestehenden chinesischen Halbleiterproduktion werden ebenfalls behindert. Es geht im großen Stil darum, Chinas technologische Aufholjagd bei selbstfahrenden Autos, dem 5G-Internet bis hin zu Cloud-Diensten und künstlicher Intelligenz auszubremsen.
Nicht ganz zufällig leidet auch die deutsche Industrie unter den Beschränkungen. Ein Fünftel der weltweiten Halbleiterindustrie entfällt auf die chinesischen Hersteller, deren Kunden und Lieferanten aus Europa angehalten werden, der US-Politik zu folgen. So wurde die Firma ASML aus Holland "von US-Offiziellen", so Bloomberg, unter Druck gesetzt, den Verkauf ausgewählter Maschinen zur Chipherstellung nach China einzustellen. Unter anderem Alan Estevez, der Unterstaatssekretär für Industrie und Sicherheit, wird noch in diesem Monat in die Niederlande reisen, um die Exportkontrollen mit der dortigen Regierung zu diskutieren, so Bloomberg.
Derweil bringen sich die USA als freundliche Alternative in Stellung: Der Exportstopp kam zwei Monate, nachdem US-Präsident Joe Biden den sogenannten CHIPS-Act unterzeichnet hat. 280 Milliarden US-Dollar werden aus der Staatskasse investiert, um eine Halbleiterproduktion auf amerikanischem Boden anzukurbeln. Auch europäische Firmen sind herzlich zum Investieren eingeladen.
Und wie reagieren Wirtschaft und Politik in Deutschland darauf?
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, l.) und Bunxdeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Widersprüchlich.
Im Falle der amerikanischen Milliarden-Subventionen im Rahmen des IRA ist Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Zeitverzögerung aufgewacht.
"Protektionismus lähmt Innovationen. Es geht nicht so sehr darum, unser industrielles Herz zu verlieren, sondern um das Risiko, dass die nächste Welle technologischer Innovationen nicht in Europa stattfinden wird. Denn der IRA kümmert sich um die coolen neuen Sachen."
Beim Vorstoß der USA gegen China allerdings steht die deutsche Industrie alleine da. Habeck und Scholz verfolgen eine sogenannte De-Risking-Strategie. Für den Kanzler ist Business as Usual gegenüber China keine Option mehr. Er stellt klar: "Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern. "
Der Chef des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, weist die Überlegungen für eine Abkehr vom chinesischen Markt energisch zurück. "Ich sehe keinen Grund, warum wir weniger nach China verkaufen sollten. "
Der Chef des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, weist die Überlegungen für eine Ab-kehr vom chinesischen Markt energisch zurück.
Seine Mitgliedsfirmen machen ihm Druck, ein Tänzchen mit den Amerikanern und notfalls auch mit der eigenen, bisher uneinsichtigen Regierung zu wagen:
Mit den USA - deren Wirtschaftsinteressen und ihrer Vertretung im Weißen Haus - hat die deutsche Wirtschaft diesmal einen mächtigen, weil durchsetzungsstarken Gegner vor der Brust. Das von linken US-Demokraten seit Jahren schon propagierte Konzept eines "managed trade", eines politisch gestalteten Handels, hat in Washington die alte Freihandelsdoktrin ersetzt.
Auf den grünen Wirtschaftsminister kann die deutsche Wirtschaft in ihrem Kampf für offene Märkte nicht bedingungslos zählen. Die Politisierung der Handelsbeziehungen entspricht - wie Habeck gestern in Paris erklärte - exakt seinen Vorstellungen: "Die Phase, in der viele dachten, dass Märkte regieren und die Politik sich raushalten sollte, ist definitiv vorbei. Diese Idee war schon vorher falsch."