Donnerstag, 30.07.2020, 08:37
US-Vertreter hätten in den vergangenen Tagen per Videokonferenz Gespräche mit Auftragnehmern des Projekts geführt um sie auf "die weitreichenden Konsequenzen einer weiteren Mitarbeit an dem Projekt hinzuweisen", berichtet die "Welt am Sonntag".
Dabei hätten sich die Firmenvertreter teilweise bis zu zwölf Vertretern der US-Regierung gegenübergesehen. Diese hätten "in freundlichem Ton sehr deutlich gemacht, dass sie die Fertigstellung der Pipeline verhindern wollen", zitiert die Zeitung einen Beobachter der Gespräche: "Ich glaube, dass die Drohung sehr, sehr ernsthaft ist."
Die Firmen selbst, darunter Unternehmen wie Uniper, Wintershall Dea und Shell waren auf Anfrage der "Welt" nicht bereit, einen Kommentar zum Thema abzugeben. Das Auswärtige Amt erklärt gegenüber der Zeitung, ebenfalls mit den Firmen in Kontakt zu sein und Kenntnis davon zu haben, dass die US-Amerikaner die Unternehmen angesprochen haben. Den beteiligten Konzernen drohen Sanktionen wie der vollständige Ausschluss vom US-Markt oder Einreiseverbote für die Mitarbeiter.
Ein Sprecher der US-Botschaft in Berlin erklärte gegenüber der "Welt": "Die USA haben klar und konsistent auf die Gefahr hingewiesen, die das Nord-Stream-2-Projekt für die gemeinsamen Sicherheitsinteressen Europas darstellt. Und um ebenso klar zu sein: Auch wenn wir die Sanktionen nicht jetzt verhängen, sollten sich die Firmen darüber bewusst sein, dass eine weitere Verbindung mit Nord Stream 2 für sie riskant ist."
US-Außenminister Mike Pompeo hatte vergangene Woche verkündet, die umstrittene Ostsee-Pipeline, die Gas des russischen Konzerns Gazprom von Russland nach Deutschland transportieren soll, falle fortan unter ein Gesetz, das Strafmaßnahmen unter anderem gegen Unternehmen ermöglicht, die Geschäfte mit Russland oder Staaten wie dem Iran und Nordkorea machen.
Die Bundesregierung erklärte daraufhin, sie lehne extraterritoriale Sanktionen ab, da diese "völkerrechtswidrig" seien. Die deutsche Wirtschaft verurteilte die Drohungen als "unfassbaren Tiefpunkt in den transatlantischen Beziehungen".
Nord Stream 2 soll Gas von Russland nach Deutschland transportieren und ist besonders auch in Osteuropa umstritten. Befürchtet wird vor allem eine Schwächung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer, etwa der Ukraine. Auch den USA ist das Projekt ein Dorn im Auge. Die US-Regierung argumentiert, Europa begebe sich in eine Energie-Abhängigkeit von Russland.
US-Präsident Donald Trump hatte bereits Ende 2019 Strafmaßnahmen gegen bestimmte Unternehmen ermöglicht, die am Bau von Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland beteiligt sind. Diese Sanktionen aus dem "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" betreffen allerdings vor allem Firmen, die die Schiffe zur Verlegung der Rohre stellen. Der Bau der Pipeline musste deswegen unterbrochen werden. Die Sanktionen haben den Bau der Pipeline verzögert, aber nicht - wie von den USA angestrebt - gestoppt. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich optimistisch, dass das Projekt Anfang 2021 mit einigen Monaten Verzögerung fertiggestellt werden könne.
Im vergangenen Monat hatten US-Senatoren daraufhin einen Vorstoß unternommen, das "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" auszuweiten. So sollen künftig auch Unternehmen, die Schiffe für andere Aktivitäten stellen, mit Strafmaßnahmen belegt werden. Dabei kann es sich zum Beispiel um das Ausheben von Gräben für die Pipeline handeln. Auch sollen Firmen, die solche Schiffe versichern, mit Sanktionen belegt werden. Das gleiche gilt für Unternehmen, die Zertifizierungen für die Pipeline vornehmen, damit diese in Betrieb gehen kann.
Der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, forderte,
Trump kritisiert Nord Stream 2 seit langem. Er wirft Deutschland vor, es lasse sich militärisch vor Russland schützen, verschaffe Moskau aber gleichzeitig hohe Einnahmen aus Gasexporten. Beyer räumte am Mittwoch ein, Russland entwickle sich zunehmend zu einer Gefahr für Europa. "Perspektivisch ist für mich mehr Distanz zu Moskau wichtig".
US-Außenminister Mike Pompeo ist vergangene Woche zu politischen Gesprächen in Dänemark eingetroffen. Dänemark gilt als enger Verbündeter der USA. Washington hat zuletzt verstärkt Grönland und die Färöer-Inseln ins Auge genommen, die jeweils zum dänischen Königreich gehören.
Trump hatte der dänischen Regierung im vergangenen Sommer gar angeboten, Grönland kaufen zu wollen - ein Angebot, das die Dänen umgehend abgewiesen hatten. Bei Pompeos Besuch dürfte es auch um die umstrittene und durch dänische Gewässer führende Ostseepipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland gehen, die die USA verhindern wollen. Sie begründen das mit einer zu hohen Abhängigkeit Europas von russischem Gas.
Quelle: focus.de vom 30.07.2020