Allianz-Chef Bäte zur Nullzinspolitik "Sparer werden enteignet" Oliver Bäte geht mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hart ins Gericht. Der Allianz-Chef spricht von systematischer Lüge und Diebstahl von der kommenden Generation.

23.12.2020, 08.24 Uhr

Allianz-Chef Bäte: Mehr Innovationen notwendig
Foto: Andreas Gebert/ dpa

Allianz-Chef Oliver Bäte hat wegen der anhaltenden Niedrigzinsen vor dem Scheitern mancher deutscher Lebensversicherer gewarnt. "Ich rechne gerade angesichts der massiven Verwerfungen damit, dass ein paar Wettbewerber, die nicht gut gewirtschaftet haben, ausscheiden", sagte der Chef des deutschen Marktführers dem "Handelsblatt". Zur Marktwirtschaft gehöre das Ausscheiden von Unternehmen, die es nicht schafften - das müsse es auch bei Finanzdienstleistern geben. "Man muss nur sicherstellen, dass man die betroffenen Kunden in einem solchen Fall so gut wie möglich schützt."

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) macht der Branche seit Jahren schwer zu schaffen. Mitte Dezember hat die Notenbank wegen der Coronakrise gerade eine Ausweitung ihrer geldpolitischen Maßnahmen beschlossen. Sehr zum Unwillen von Bäte, der die Strategie für einen großen Fehler hält: "Wir bereiten bereits der nächsten großen Krise den Boden", sagte der Chef des Dax-Konzerns, dessen Haus zu den größten Kapitalanlegern in Europa gehört.

Abstruse Bewertungen am Aktienmarkt

Auch in Teilen des Aktienmarktes gebe es inzwischen "völlig abstruse Bewertungen", sagte der 55-Jährige mit Blick auf teils stark gestiegene Aktienkurse. Durch die verfehlte Geldmarktpolitik mangele es an Innovationen, Investitionen in Infrastruktur, am Ausbau von Wettbewerbsfähigkeit bei Energie, Technologie oder Klimawandel.

"Unsere Fähigkeit zu investieren, geht systematisch nach unten", mahnte Bäte. Deutschland brauche jedoch mehr Fiskalpolitik, mehr Innovationen, mehr Reformen und müsse mehr in Bildung investieren, "damit wir langfristiges Wachstum erzeugen, statt permanent Geld zu verteilen, das wir von unseren Kindern stehlen".

Bäte zufolge wird die Gesellschaft systematisch belogen, was die Folgekosten der Niedrigzinsen betrifft. Irgendjemand müsse die Schulden zurückzahlen. Selbst wenn die EZB aufhöre, Anleihen zu kaufen, dauere es Jahre, bis die Zinsen auf ein ökonomisch rationales Niveau zurückfänden. "Wir werden noch zehn Jahre Null- oder Negativzinsen haben", sagte Bäte. "Die Geldpolitik ist dabei, die Sparer zu enteignen." Wer Geld spare, werde "entreichert" und dessen Rendite umverteilt. "Die Sparer werden betrogen, das gilt auch für Lebensversicherungskunden", sagte Bäte.

Sicherheit und Risiko

Die Allianz reduziert bei Neuabschlüssen ab 2021 die Garantien bei Lebenspolicen. Es sei nicht so, dass der Versicherer seinen Kunden nicht weiter eine volle Beitragsgarantie in der Lebensversicherung geben wolle, sagte Bäte. "Wir können es einfach nicht, weil es uns das Regelwerk verbietet und zweitens die Gesetze des Marktes durch die ultralockere Zentralbankpolitik völlig ausgehebelt sind." Die Kosten einer 100-Prozent-Garantie seien so hoch, dass für den Kunden an Rendite nichts mehr übrig bleibe. Bei älteren Produkten könne die Allianz wohl kaum mehr machen, als den Renditeschwund abzumildern.

Trotz der aktuellen Lage rät Bäte jungen Menschen vom Abschluss einer Lebensversicherung nicht ab. Das Produkt an sich sterbe nicht aus. "Ich würde meinen Kindern ein Mischprodukt empfehlen, das einen Teil des Kapitals absichert und einen anderen Teil ins Risiko steckt. Da bekommen sie noch eine ordentliche Renditeerwartung." Zudem sollte die junge Generation das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite anders gestalten als Menschen, die sich in der zweiten Lebenshälfte befinden.

mik/dpa-AFX


Quelle: spiegel.de vom 23.12.2020


Bald Leitzins von minus 0,6? "Boden nicht erreicht": EZB kokettiert mit höheren Strafzinsen Trotz aller Bemühungen der EZB will die Inflationsrate nicht steigen. Nun bereitet die Notenbank den Boden für eine weitere Zinssenkung, um ihr Ziel zu erreichen. dpa/Boris Roessler/dpa
Die Europäische Zentralbank (EZB) will entschlossener gegen den zu niedrigen Preisauftrieb vorgehen - das schürt Ängste vor einer kommenden Inflation.

Mittwoch, 04.11.2020, 14:56

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte laut Direktorin Isabel Schnabel auf ihrer nächsten Sitzung im Dezember als Antwort auf die andauernde Coronakrise die Zinsen senken. "Unsere Analysen zeigen, dass eine weitere Senkung möglich wäre, ohne an den Punkt zu gelangen, an dem sie nicht mehr wirkt oder sogar schadet", sagte Schnabel im Interview mit dem "Handelsblatt" laut einer am Dienstag verbreiteten Vorabmeldung. Eine Vorentscheidung sei zwar noch nicht gefallen, aber die wirtschaftliche Situation sei inzwischen eine andere als noch im März.

EZB will auf Banken Rücksicht nehmen

Es gehe darum sicherzustellen, dass die Banken ihre Kreditstandards nicht zu sehr verschärften: "Das beobachten wir genau. Der wirtschaftliche Abschwung darf durch den Bankensektor nicht noch verschärft werden", sagte die deutsche EZB-Direktorin. Im März sei es dagegen darum gegangen, die Finanzmärkte zu stabilisieren.

Der Einlagesatz der EZB liegt derzeit schon bei minus 0,5 Prozent. Zu dem Zinssatz können Banken Geld bei der EZB über Nacht parken. Mit dem negativen Satz will die Notenbank die Banken dazu bringen, mehr Geld zu verleihen.

Anleihenkäufe könnten steigen

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte auf der letzten Sitzung der EZB weitere Lockerungsschritte in Aussicht gestellt. Sie schloss auch keine Instrumente aus. Bisher hat die Notenbank aber vor allem mit ihrem Corona-Notprogramm PEPP auf die Krise reagiert. Es umfasst Anleihekäufe im Umfang von 1,35 Billionen Euro.


Quelle: focus.de vom 04.11.2020