Von Cyrus Salimi-Asl
24.02.2021, 18:26 Uhr
Vor 30 Jahren ging der Zweite Goldkrieg über in die Phase der Bodenoffensive durch die US-Armee. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Ereignisse?
Für mich und für alle Irakerinnen und Iraker war der Krieg eine grausame Akte in der Geschichte des Landes. Es war ein Inferno, eine Hölle für Hunderttausende Soldaten, die zwischen Kuwait und Basra beim Rückzug aus Kuwait den Tod gefunden haben. Die Soldaten fanden durch Uran-Geschosse ihren grausamen Tod. Die Wirtschaft und die Infrastruktur des Landes waren ruiniert. Luft, Wasser und Erde waren mit Uran angereichert. Dadurch verbreiteten sich verschiedene Krebserkrankungen im Süd- und Zentralirak. Die internationale Koalition unter Führung der USA hat das irakische Volk für die Eroberung und Ausplünderung Kuwaits im Jahre 1990 hart, grausam und ungerecht bestraft, anstatt das Baath-Regime und Saddam Hussein zu bestrafen.
War der Krieg notwendig, um die irakische Armee aus Kuwait zu vertreiben?
Der Krieg war überhaupt nicht notwendig, dieser Krieg war ein Wille der USA, um das Land und das Volk zu zerstören, jedoch nicht das Regime. Die internationale Gemeinschaft konnte durch intensive politische und diplomatische Arbeit schnell einen Rückzug der irakischen Soldaten aus Kuwait erreichen. Die USA haben alles unternommen, um den grausamen Krieg durchzuführen. Ein Krieg löst keine Probleme, sondern produziert mehr und neue kompliziertere Probleme. Kriege können nicht die politische und diplomatische Arbeit ersetzen.
Wäre eine andere Lösung möglich gewesen, wenn die Sowjetunion unter Gorbatschow in der Uno eine andere Haltung eingenommen hätte?
Die Regierung der UdSSR war damals nicht in der Lage, gegen den Westen zu widerstehen. Darüber hinaus waren die Vereinigten Staaten aus Gründen ihrer Interessen und ihres Einflusses in der Region entschlossen, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen: Sie wollten Saddam Hussein nicht stürzen, sondern ihm eine Lehre erteilen. Das Volk sollte bestraft werden, wie der Oberbefehlshaber von "Desert Storm", Norman Schwarzkopf, es zum Ausdruck brachte.
Der marxistische irakische Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Kadhim Habib ist 1935 in Karbala geboren und hat in der DDR an der Berliner Hochschule für Ökonomie promoviert. Lehrtätigkeiten führten ihn an die Universität Mustanseria in Bagdad (1969-1975) und an die Universität Algier (1979-1981). Ab 1994 arbeitete er für den Verein für angewandte Konfliktforschung e. V. (VAK) in Berlin. Mit ihm sprach Cyrus Salimi-Asl.
Sie sind arabischer Schiit und haben auch gegen Saddam Hussein gekämpft, zusammen mit den kurdischen Peschmerga. Wie kam das?
Ich bin in einer arabischen schiitischen Familie geboren. Das bedeutet überhaupt nicht, dass ich auch so sein muss. Ich achte die Anhänger aller Religionen, aber ich bin kein religiöser Mensch. Außerdem kämpfe ich für die Menschenrechte sowie für Frieden und Gerechtigkeit. Deswegen saß ich auch unter der Monarchie jahrelang im Gefängnis. Während der Zeit des Baath-Regimes wurde ich verhaftet und gefoltert. Ich habe für Freiheit und Demokratie gekämpft und für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volks, sowohl im Irak als auch in Iran, Türkei und Syrien.
Den Koalitionsarmeen wurde später eine Reihe von Kriegsverbrechen vorgeworfen. Es kam nie zu einer juristischen Aufarbeitung. Dabei sollte durch die Intervention eigentlich nur Kuwait befreit werden. Wie sehen Sie militärische Interventionen in der Region?
Solange die USA mit ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Macht in der Welt die Oberhand hat, ist es schwierig und vielleicht unmöglich, die amerikanischen Soldaten und Koalitionsstreitkräfte vor Gericht zu stellen. Aber vielleicht wäre es unter anderen Umständen möglich. Es wurde viel über diesen Angriffskrieg und den Tod Hunderttausender irakischer Soldaten und Zivilisten geschrieben, dass es ein schmutziger und grausamer Krieg war.
Die Kämpfe im Zweiten Golfkrieg dauerten sechs Wochen, vom 17. Januar bis zur Waffenruhe am 28. Februar. Die Leiden für die irakische Bevölkerung waren damit noch nicht zu Ende: Die Infrastruktur war zerstört und Saddam Hussein ertränkte im Blut die Aufstände der Schiiten im Süden und der Kurden im Norden. Wäre es damals besser gewesen, Saddam Hussein abzusetzen?
Es wäre gut gewesen, wenn sie es gemacht hätten, aber die US-Regierung wollte es nicht. Saddam war im Grunde genommen ihr Mann. Sie wollten ihm nur eine Lehre erteilen, da er der Beste für sie in der Region war, insbesondere weil er eine furchteinflößende Person für den Iran und die Golfstaaten darstellte. Die USA haben die Wirtschaft zerstört, die Infrastruktur ruiniert und das Volk in Not, Armut und Tod versetzt. Das war ein Racheakt gegen das irakische Volk.
Welche Verbindung sehen Sie zwischen dem Zweiten Golfkrieg von 1991 und dem Dritten von 2003, als Saddam Hussein gestürzt wurde?
Die Ziele der Vereinigten Staaten in der Vergangenheit und in der Gegenwart, im Zweiten Golfkrieg 1991 und im Dritten Golfkrieg 2003, waren dieselben. Ihre Ziele waren das Rohöl, da der Irak mit die größten Öl- und Gasreserven in der Welt hat. Außerdem wollten sie die Kontrolle über den Irak, die Golfregion und den Nahen Osten haben sowie nahe zu den Grenzen Russlands und des Irans sein. Außerdem wollten die USA die Sicherheit und Verteidigung Israels gewährleisten. Es gibt viele Gründe und ein Ziel für die Vereinigten Staaten von Amerika: Es ist die Herrschaft der Welt.
Die Sanktionen gegen den Irak nach dem Zweiten Golfkrieg haben das Land ruiniert und nach Schätzungen indirekt Hunderttausenden das Leben gekostet. Welche Begründungen gab es damals dafür und wie schätzen Sie diese ein?
Quelle: ND vom 24.02.2021