Es ist eine krachende Niederlage für die EU-Kommission: Bei einer Probeabstimmung haben 27 der 28 EU-Staaten den Entwurf einer schwarzen Liste abgelehnt, die Staaten mit hohem Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anprangern soll. Nach Angaben aus EU-Kreisen hat lediglich Belgien zunächst keinen Widerspruch gegen die Liste der Kommission eingelegt, ist dann aber auch auf die Linie der anderen Mitgliedsländer eingeschwenkt.
Damit ist die Liste, auf der sich aktuell 23 Länder befinden - darunter Saudi-Arabien und vier US-Territorien - vorerst gestoppt. Für die formelle Ablehnung ist im EU-Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 16 Staaten notwendig, die zusammen wenigstens 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen. Sie scheint nun überraschend klar erreicht.
Offiziell begründen die 27 Staaten ihren Widerstand mit Mängeln in der Methodologie der Liste. Der aktuelle Vorschlag der Kommission "folgt keinem transparenten und glaubwürdigen Prozess", heißt es im Entwurf einer Erklärung der Regierungen, die dem SPIEGEL vorliegt. Betroffene Staaten erhielten damit "aktiven Anreiz", gegen die Liste vorzugehen. Diplomaten betonen, dass die Liste juristisch wasserdicht sein müsse - gerade um Staaten wie Saudi-Arabien und den USA keine Angriffsfläche zu bieten.
Die Kommission reagiert mit Unverständnis auf die Kritik. Man habe die Methodologie bereits im Juni 2018 veröffentlicht und eng mit den Mitgliedsländern abgestimmt - ebenso wie die Bewertung der Staaten, die auf der Liste stehen sollen. Jene Länder habe man außerdem vorgewarnt, erklären Kommissionsbeamte.
Rechtliche und technische Bedenken waren offensichtlich nicht der einzige Grund der Ablehnung des Kommissionsvorschlags, die in dieser Klarheit Seltenheitswert hat. Eine wichtige Rolle spielte auch das massive Lobbying Saudi-Arabiens und der USA.
Beim Gipfel der EU mit der Arabischen Liga im ägyptischen Scharm el-Scheich Anfang dieser Woche ließ der saudische König Salman allen europäischen Staats- und Regierungschefs einen Brief überreichen, wie Diplomaten berichten. Darin drängte er sie, bei der Abstimmung im Ministerrat im Sinne Saudi-Arabiens abzustimmen. Außerdem soll Salman in einer kaum verhüllten Drohung gewarnt haben, dass die Schwarze Liste den Handel zwischen dem Königreich und der EU erschweren und Investitionen gefährden könnte.
Das dürfte vor allem Großbritannien und Frankreich aufgeschreckt haben, die den Widerstand gegen die Liste angeführt haben. Beide Länder betreiben einen intensiven Waffen- und Ölhandel mit Saudi-Arabien. Dazu passt, dass die britische Premierministerin Theresa May nach Angaben von Diplomaten in Scharm el-Scheich mit der saudischen Regierung über die Schwarze Liste gesprochen hat. Am Mittwoch wurden dann die Botschafter aller EU-Staaten ins Finanzministerium in Riad zitiert, um erneut über die Liste zu reden.
Nicht nur Saudi-Arabien, sondern auch die USA haben nach Angaben von Diplomaten massiven Druck auf die EU ausgeübt. Ein Grund: Auf der schwarzen Liste befinden sich mit Samoa, den Amerikanischen Jungferninseln, Puerto Rico und Guam gleich vier US-Territorien. Sollte die Liste kommen, wären auch sie von verstärkten Kontrollen durch europäische Banken betroffen. Als weiterer Grund wird vermutet, dass die USA um ihren Einfluss fürchten. Denn die EU-Liste steht in direkter Konkurrenz zur Liste der Financial Action Task Force (FATF), einem internationalen Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche. Deren Präsident, der US-Amerikaner Marshall Billingslea, soll kürzlich die 15 EU-Mitglieder der FATF bei einem Treffen offen dazu aufgefordert haben, die Brüsseler Schwarze Liste zu torpedieren.
Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die Einspruchsfrist der EU-Staaten endet am 13. März. Einen Tag davor treffen sich die Finanzminister in Brüssel. Dort gilt eine Ablehnung nun als sicher, da über die Liste nur als Ganzes abgestimmt werden kann. Die Streichung einzelner Länder ist nicht möglich. Die EU-Kommission wird bis dahin jedoch nach eigenen Angaben keine Änderungen mehr an der Methodologie vornehmen. Klar ist nur, dass es eine eigene Schwarze Liste der EU geben wird - in welcher Form auch immer. Dazu ist die Kommission laut der neuen Anti-Geldwäsche-Richtlinie verpflichtet.
Immerhin: Aus dem EU-Parlament erhält die Kommission Unterstützung. In einem Brief an die zuständigen Kommissare Vera Jourova und Julian King äußern sich 29 Abgeordnete der Grünen, Linken, Sozialdemokraten und Liberalen "besorgt" über die Versuche Großbritanniens und anderer Länder, Saudi-Arabien von der Liste streichen zu lassen. Würde man die Liste dem "politischen Lobbying einzelner Mitgliedsländer" unterwerfen, "würde das die Glaubwürdigkeit der EU beschädigen, die Umsetzung der EU-Rechtsinstrumente gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung behindern und die Integrität des EU-Finanzsystems gefährden".
Quelle: spiegel.de