SKANDAL-SIEG BEI LEICHTATHLETIK-WM

100-Meter-Finale wird zu Geister-Rennen der Schande

von: THORSTEN FELSKE veröffentlicht am 29.09.2019 - 00:52 Uhr

Es ist das größte Rennen der Leichtathletik. Diesmal bot der 100-Meter-Lauf der Männer bei der WM in Doha ein Bild der Schande.

Top-Favorit Christian Coleman krönte sich zum neuen schnellsten Mann der Welt! Der US-Boy gewann in 9,76 Sekunden vor Titelverteidiger Justin Gatlin (9,89/USA) und André de Grasse (9,90/Kanada).

Doch es bleibt ein doppelt fader Beigeschmack: Denn erstens hätte Coleman eigentlich gar nicht bei der WM starten dürfen. Und zweitens dürfte das Rennen das am schlechtesten besuchte der jüngeren WM-Geschichte gewesen sein.

100-Meter-Finale wird zu Geister-Rennen der Schande

Den größten Sieg für GOLD-Gewinner Coleman hatten im Vorfeld der WM seine Anwälte für ihn eingefahren. Innerhalb von zwölf Monaten war er von den Kontrolleuren gleich dreimal nicht für Doping-Tests anzutreffen gewesen. Zweimal gab er die falsche Adresse an und einmal hatte er den angegebenen Ort kurzfristig verlassen.

Laut den Regeln zieht ein solches Vergehen eine Doping-Sperre nach sich. Doch Colemans Anwälte fanden eine Passage im Kleingedruckten der Regularien, nach der der erste Regelverstoß vordatiert werden konnte. Damit lagen die drei "Missed Tests" nicht mehr innerhalb eines Jahres. Die US-Antidoping-Agentur Usada ließ die Anklage fallen.

Coleman ließ sich nach seinem Sieg feiern, dabei ist seine Teilnahme an der WM mehr als umstritten
Foto: KIRILL KUDRYAVTSEV / AFP

Coleman klagte: "Ich fühlte mich wie ein Opfer, ich fühlte mich angegriffen. Die Menschen verstehen nicht, wie leicht es passieren kann, einen Test zu verpassen." Und nach dem WM-Titel jetzt: "Ich bin mit unglaublichem Talent gesegnet und das konnte ich jetzt zeigen. Ich habe unglaublich hart gearbeitet und das hat sich gelohnt. Es ist eine Ehre und ein Segen, dass mein Name jetzt in der Liste der legendären Sprinter steht. Es ist unglaublich, hier Gold zu gewinnen."

Doppelt bitter für Sportfans: Das Rennen in Doha fand fast vor einer Geisterkulisse statt. Das Khalifa International Stadium, das normalerweise Platz für 50. 000 Zuschauer hat, ist ohnehin schon auf der Gegengeraden zur Hälfte mit Plastik-Planen abgedeckt. Doch auch die restlichen Plätzen waren nur zur Hälfte gefüllt.

Die Zuschauertribüne war nur spärlich besetzt
Foto: Christian Petersen / Getty Images

Und da die große Sport-Show à la Superstar Usain Bolt (33) fehlte, der nach elf WM-Titeln 2017 zurücktrat, wurde halt eine Lichtershow im Stadion veranstaltet, wie sie es zuvor noch nie gab.

Sie war vielleicht das größere Highlight als das Rennen selbst. Und fast so schnell wie Coleman lief, war das Stadion nach dem Lauf dann auch komplett wieder leer.

Die Lichtshow sollte die (wenigen) Fans in Stimmung bringen
Foto: FABRIZIO BENSCH / Reuters


Quelle: bild.de vom 29.09.2019