Rekord "nochmals übertroffen" Landrätin schreibt Asyl-Brandbrief - die Antwort von Faeser macht sprachlos

FOCUS-online-Chefreporter Göran Schattauer

Mittwoch, 22.05.2024, 15:34

Fast drei Monate ließ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Brandbrief einer Thüringer Landrätin zur Asylpolitik unbeantwortet. Dann meldete sich ein Abteilungsleiter - und lobte den Kurs der Ampel überschwänglich. Die Probleme an der Basis ignorierte er.

Brief-Ausriss, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)

Der Hilferuf aus der Thüringer Provinz ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. In drastischen Worten schilderten Politiker des Landkreises Schmalkalden-Meiningen ihre Haltung zur "Migrationspolitik des Landes und des Bundes". Mit rund 4000 aufgenommenen Asylbewerbern und Ukraine-Flüchtlingen sei die Region "an der absoluten Kapazitätsgrenze" angelangt, lautete die klare Botschaft.

So gebe es "kaum noch" Unterbringungsmöglichkeiten, eine nachhaltige Integration von Geflüchteten sei "nur schwer möglich", die Eingliederung in den Arbeitsmarkt laufe "schleppend". Die zugespitzte Lage führe zu einer "starken Belastung der Sozialsysteme im Landkreis".

Thüringer Landrätin schickt Faeser Asyl-Brandbrief

Die Volksvertreter verknüpften ihren Weckruf mit insgesamt elf Forderungen an die Politik-Verantwortlichen in Berlin und Erfurt. Dazu gehörten die "wirksame Bekämpfung der illegalen Migration", "effektive und funktionierende Rückführungsstrategien" sowie die "drastische Reduzierung von Leistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber".

Ihre brisante Resolution sandten die Entscheider um Landrätin Peggy Greiser (parteilos) Mitte Februar 2024 an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) - und hofften auf eine schnelle und konsequente Reaktion.

Doch es passierte lange: nichts. Erst knapp drei Monate später, Anfang Mai, meldete sich der für Migrationspolitik zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium zurück.

Ministerialdirektor Ulrich Weinbrenner dankte Greiser und deren Mitstreitern im tiefsten Osten für den "wertvollen Beitrag zu dieser notwendigen gesamtgesellschaftlichen Diskussion" und ihr "großes Engagement". Sodann listete er großflächig Beispiele für die angeblich hervorragende Arbeit der Bundesregierung auf. Dabei ging er mit keinem Wort auf die angesprochenen Probleme ein oder deutete auch nur an, dass die Ampel mitverantwortlich sein könnte für die Misere.

Antwort kommt nach knapp drei Monaten: Alles ist gut

In ihrem Duktus erinnert die Erwiderung aus Faesers Ministerium an propagandistische Lobhudeleien der Partei- und Staatsführung in der DDR, ganz nach dem Motto: Die Funktionäre unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machen immer alles richtig und haben die Situation fest im Griff.

FOCUS online dokumentiert die prägnantesten Passagen aus dem vierseitigen Brief an Landrätin Greiser, damit sich jeder Leser selbst ein Urteil bilden kann.

Gleich zu Beginn stellt Abteilungsleiter Weinbrenner im schönsten Beamtendeutsch fest:

"Die vielfältigen Themen der Migrations- und Integrationspolitik werden auf höchster politischer Ebene intensiv erörtert und denkbare Lösungen sorgsam abgewogen. Herr Bundeskanzler Olaf Scholz erörtert mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder … regelmäßig die entsprechenden Fragestellungen. Die Umsetzung wird sorgsam beobachtet."

Im Folgenden zählt der Faeser-Mitarbeiter die Errungenschaften des Ministeriums sowie der gesamten Bundesregierung auf - ein Potpourri der guten Taten:

"Effiziente und gerechte Migrationspolitik sicherstellen"

Im Schlussteil seines Briefes versicherte der Beamte des Innenministeriums noch einmal, die Verantwortlichen würden alles für das Wohl des Volkes tun. So betonte er, "dass die Bundesregierung die Herausforderungen der Migrationspolitik sehr ernst nimmt und kontinuierlich an Lösungen arbeitet, die sowohl den Schutz der Menschenrechte als auch die Sicherheit und das Wohl unserer Gesellschaft gewährleisten".

Im Kern kann man den Inhalt des ministeriellen Schreibens in einem Satz zusammenfassen:

Mit einer kaum noch zu überbietenden Selbstbeweihräucherung und dem konsequenten Ausblenden eigener Fehlleistungen wird der Versuch unternommen, die - angeblich - tollen Leistungen der Regierung bei der Asyl- und Migrationspolitik hervorzuheben.

Wichtige Punkte klammert Faeser in ihrer Antwort aus

Kein Wort davon, dass Maßnahmen wie die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen von Innenministerin Feaser lange blockiert wurden und erst auf massiven Druck der Opposition zustande kamen. Oder dass die - im Brief ebenfalls erwähnte - "Bezahlkarte" für Asylbewerber innerhalb der Ampel auf massiven Widerstand gestoßen war, insbesondere bei den Grünen.

Auch die sinkende Akzeptanz für Asylsuchende innerhalb der Bevölkerung, die Probleme durch Zuwanderer-Kriminalität, die eklatanten Schwierigkeiten bei Abschiebungen oder die finanziellen und logistischen Belastungen der Kommunen waren keine Erwähnung wert. Von konkreten Zusagen oder Hilfsangeboten an die gebeutelten Städte und Gemeinden ganz zu schweigen.

Von den Floskeln aus Berlin können sich die Landräte und Bürgermeister an der Basis nichts kaufen. Auf den meisten ihrer Probleme bleiben sie sitzen. Eine Besserung ist nicht in Sicht - im Gegenteil.

Seit Verabschiedung der Resolution habe sich "wenig bis gar nichts" getan, kritisiert Landrätin Peggy Greiser im Gespräch mit FOCUS online. Im Gegenteil. Die jüngsten Gewaltexzesse in Thüringer Regionalzügen, wo es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen durch junge Asylbewerber kommt, zeigten, "wie dringlich unsere Forderungen nach wie vor sind".

Ihre Hoffnungen, dass sich die Regierenden eines Besseren besinnen und eine wirkliche Korrektur ihres Asylkurses einleiten, sind gering.


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