07.06.2025 Stand: 10:16 Uhr Lesedauer: 3 Minuten
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Die Europäische Kommission hat im Verborgenen Umweltverbände für Klagen und Kampagnen gegen deutsche Unternehmen bezahlt. Das geht aus geheimen Verträgen hervor, die erstmals WELT AM SONNTAG vollständig einsehen konnte. Brüsseler Funktionäre und Aktivisten stimmten sich demnach bis ins Detail miteinander ab. Ihr Ziel war es, die Öffentlichkeit von der Klimapolitik der EU überzeugen. Dafür flossen Steuergelder in Millionenhöhe.
Die Nichtregierungsorganisation (NGO) ClientEarth etwa erhielt 350.000 Euro und sollte dafür deutsche Kohlekraftwerke in Gerichtsprozesse verstricken, um das "finanzielle und rechtliche Risiko" der Betreiber zu erhöhen. Den Verband Friends of the Earth beauftragten Beamte der Kommission mit dem Kampf gegen das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika - obwohl es Kollegen im eigenen Haus zur selben Zeit vorantrieben. Andere Gruppen bekamen Geld für die Beeinflussung von EU-Abgeordneten vor Abstimmungen zu Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien.
Die Verträge stammen aus dem Jahr 2022, die Gelder flossen im Jahr 2023. Einzelne NGOs erhielten bis zu 700.000 Euro.
"Es ist bedauerlich, dass unter den ehemaligen Kommissionsmitgliedern Sinkevi?ius und Timmermans pauschale Zuschüsse für Organisationen gegeben wurden, die radikale Aktionen, verdecktes politisches Lobbying und die Druckausübung auf Entscheidungsträger als Ziele in ihre Arbeitsprogramme verankerten", sagt die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier WELT AM SONNTAG. Frans Timmermans war in der vergangenen Legislaturperiode Kommissar für Klima, Virginijus Sinkevi?ius für Umwelt.
"Besonders erschreckt haben mich die subversiven Pläne, nach denen bäuerliche Betriebe bis hin zu Kohlekraftwerken durch Klagen und die massive Verschärfung von Nachweispflichten zur Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gezwungen werden sollten", sagt Hohlmeier. "Es ist bedenklich, dass die Kontrolleure der Kommission die zweifelhaften Arbeitsprogramme nicht zum Anlass nahmen, eine Förderung zu verweigern."
Die Verträge zwischen der Kommission und den NGOs sind überraschend konkret. Die EU-Beamten formulieren genau, was sie von den Aktivisten als Gegenleistung für die Fördergelder erwarten - etwa eine bestimmte Anzahl an Lobby-Briefen, Nachrichten in den sozialen Medien und Treffen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
Manche sehen in dem Vorgehen der Kommission verfassungsrechtliche Probleme. Schließlich wollte hier die Exekutive der Europäischen Union mithilfe von Aktivisten verdeckt die Legislative beeinflussen - nach Meinung des CDU-Politikers Markus Pieper "ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung".
Die EU-Kommission fördert NGOs mit einem Programm namens LIFE. Zuletzt stellte die Brüsseler Behörde jährlich 15 Millionen Euro an Betriebskostenzuschüssen zur Verfügung. Derzeit laufen die Verhandlungen über den Haushalt für das kommende Jahr. Es ist möglich, dass 2026 mehr Geld an Aktivisten fließen wird.
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Aus der Politik kommen nun Forderungen nach größerer Offenheit im Umgang mit Umweltverbänden. "Bei den Bürgern bleibt der Eindruck, die Kommission fördere mit Steuerzahlergeld nur ihr liebsame Meinungen", sagt die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Europaabgeordnete Svenja Hahn WELT AM SONNTAG. "Das schadet dem Vertrauen in die europäischen Institutionen massiv." Die Kommission müsse mit konsequenter Aufklärung und Transparenz reagieren.
Andere sehen es ähnlich. "NGOs auf europäischer Ebene müssen für volle Transparenz bei ihrer Finanzierung sorgen, insbesondere dann, wenn sie staatlich geförderte politische Meinungsbildung betreiben", sagt Oliver Luksic von der Initiative Transparente Demokratie, die sich mit Geldflüssen an Parteien und Lobbygruppen beschäftigt. "Andernfalls entsteht der Verdacht, dass nicht gemeinnützige Anliegen wie Umweltschutz im Vordergrund stehen."
Die EU-Kommission kündigte bisher eher vage "Maßnahmen zur Einführung geeigneter Schutzmaßnahmen" an - und schweigt zu dem Thema sonst weitgehend.