Freitag, 11.12.2020, 22:41
Sachsen-Anhalt hat die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ganz Deutschland blockiert. In einem Interview erläutert RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, was das für die Sender bedeutetet. Außerdem verteidigt sie das hohe Intendanten-Gehalt.
Nach der Blockade eines höheren Rundfunkbeitrags in Deutschland durch Sachsen-Anhalt rechnet RBB-Intendantin Patricia Schlesinger mit Konsequenzen in ihrem und anderen öffentlich-rechtlichen Häusern. Das sagte sie in einem Interview mit dem "Spiegel".
Schon jetzt spare der RBB jährlich rund 30 Millionen Euro ein, so Schlesinger. "Ohne eine Erhöhung kommen noch mal rund 15 Millionen hinzu. Das kann an unserem Etat nicht spurlos vorübergehen." Schon jetzt wisse man, dass Abendschau und Hörfunkwellen weniger Budget zur Verfügung haben werden. Dennoch würden die Sender nicht nur für mehr Geld vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, "es geht darum, unsere Staatsferne und Unabhängigkeit zu verteidigen".
Das schwarz-rot-grün regierte Sachsen-Anhalt hatte am Dienstag die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ganz Deutschland blockiert, nachdem die CDU sich vehement gegen eine Erhöhung gewehrt und theoretisch im Landtag eine Mehrheit mit der AfD als größter Oppositionspartei mit vielen Sitzen bilden hätte können. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog den Gesetzentwurf aber Tage vor der Abstimmung wieder zurück.
Laut Schlesinger hatte Sachsen-Anhalts CDU bei dieser Entscheidung "den heißen Atem der AfD im Nacken". Sie habe sich in eine Entscheidung treiben lassen, die niemandem guttut, "nicht der CDU, nicht der Koalition und Sachsen-Anhalt auch nicht". Nach Ansicht der RBB-Intendantin habe die Regierung verantwortungslos gehandelt - aus minderen, sachfremden Gründen. "Es ist Ranküne, was sich hier abspielt", sagte sie dem Onlineportal.
Weil ausnahmslos alle Bundesländer dem entsprechenden Staatsvertrag zustimmen müssen, kann die Anpassung zum 1. Januar 2021 durch die Blockade nicht kommen. Sachsen-Anhalt war der einzige Wackelkandidat unter den Bundesländern. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle für die öffentlich-rechtlichen Sender. Es wäre die erste Erhöhung seit 2009 gewesen.
Eine Volksabstimmung über den Rundfunkbeitrag, wie es in der Schweiz der Fall ist, wünsche sich die RBB-Intendantin dennoch nicht. Vielmehr stellte sie die Frage in den Raum, ob die Einschaltquoten keine Abstimmung wären. "Was ist mit den zehn Millionen Menschen, die täglich die Tagesschau' gucken?", fragte Schlesinger. "Stimmen die nicht mit ihrer Fernbedienung ab?" Gerade in Sachsen-Anhalt hätten die Öffentlich-Rechtlichen gute Einschaltquoten. Sie frage sich deshalb, ob die Entscheidung der CDU wirklich widerspiegelt, was die Menschen wollen.
Angesprochen auf ihr Gehalt, die RBB-Intendantin erhält 261.000 Euro im Jahr, sagte Schlesinger, ihr sei bewusst, dass "das sehr viel Geld ist". Doch: "Ich habe mir mein Gehalt nicht selbst ausgesucht." Dafür gebe es einen Verwaltungsrat, so die Senderchefin. Zudem lege sie regelmäßig Rechenschaft über ihre Arbeit ab, verteidigt sich die 59-Jährige.
Auch andere Sender gaben inzwischen einen Einblick darüber, welche Einschnitte der niedrigere Rundfunkbeitrag für sie bedeuten würde. Dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) würden zusätzlich 35 Millionen Euro pro Jahr fehlen. Das teilte Intendant Joachim Knuth der Deutschen Presse-Agentur mit. "Und zwar zusätzlich zu den 300 Millionen Euro, die wir in den kommenden vier Jahren sowieso schon an Kürzungen und Einschnitten vor uns haben." Im Mai war bekanntgeworden, dass der öffentlich-rechtliche Sender in den nächsten Jahren seinen Sparkurs verschärft. Der NDR gehört zu den großen Häusern unter den ARD-Anstalten.
Dem ZDF würden ab Januar jährlich rund 150 Millionen Euro fehlen. Der kleinsten ARD-Sendeanstalt Radio Bremen würden rund 800.000 Euro im Monat entgehen. Beim Südwestrundfunk (SWR) werden es wahrscheinlich 39 Millionen Euro im Jahr sein - damit wäre der Fehlbetrag ähnlich hoch wie beim NDR. Und beim Hessischen Rundfunk (HR) wären es jährlich rund 15,6 Millionen Euro.
Quelle: focus.de vom 11.12.2020