Polizisten schauen zu Sanitäter prügelt auf gefesselten Syrer ein

Hessens Ministerpräsident verlangt schnelle Aufklärung

Artikel von: KAI FELDHAUS UND LISA GOEDERT veröffentlicht am 12.03.2021 - 13:20 Uhr

Kassel (Hessen) - Der Rettungssanitäter nimmt drei Schritte Anlauf, dann holt er aus und schlägt zu. Der Mann, auf den er einprügelt, ist wehrlos, an einer Trage fixiert. Zwei Polizisten schauen gleichgültig zu. Quelle: BILD

Zum verstörenden Skandal-Video aus einer Flüchtlingsunterkunft in Hessen hat sich jetzt Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) geäußert: "Die Bilder auf dem Video sind schrecklich. Die Umstände und der Tathergang müssen jetzt so schnell wie möglich aufgeklärt werden."

In der Nacht zum 8. November 2020 riefen Angestellte der städtischen Einrichtung in Kassel Polizei und Rettungskräfte: Ein betrunkener Bewohner randaliere, habe im Vorraum des Gebäudes einen Feuerlöscher entleert.

Als Polizei und Sanitäter eintreffen, geht Amar H. (32) mit einer Alu-Leiter auf sie los. Der Polizeibericht aus der Tatnacht vermerkt: "Die eingesetzten Beamten des Polizeireviers Ost konnten diesen Angriff durch den schnellen Einsatz von Pfefferspray abwehren und den Angreifer anschließend überwältigen." Dabei sei es "zu mehreren Spuckattacken gegen die Beamten und die Rettungskräfte" gekommen, "wobei diese teilweise getroffen wurden".

Was der Polizeibericht nicht erwähnt, zeigen die Bilder einer Überwachungskamera, die den Vorfall filmte.

Der Sanitäter holt aus, schlägt mit der rechten Faust zu
Foto: privat

Sanitäter schlug brutal auf Hilflosen ein

Nachdem die Beamten Amar H. außer Gefecht gesetzt und fixiert haben, tritt der 44-jährige Sanitäter an den Gefesselten heran und schlägt mit der rechten Faust zu. Der Kopf des Syrers schleudert zur Seite. Die beiden Polizisten im Raum greifen nicht ein.

Anschließend wird Amar H. in einen Rettungswagen verfrachtet, der ihn ins Krankenhaus fahren soll. Auch im Krankenwagen, so der Polizeibericht, habe der 2015 aus Aleppo nach Deutschland geflohene Mann weiter randaliert: "Zudem trat der 32-Jährige wild um sich und traf einen Sanitäter und einen Polizisten, der dadurch rückwärts aus dem Rettungswagen gestoßen wurde. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden sie dadurch glücklicherweise nicht ernsthaft verletzt."

Die Nacht verbringt Amar H. in einer Ausnüchterungszelle. Die Polizei ermittelt wegen gegen ihn wegen tätlichen Angriffs auf Rettungskräfte, Widerstands gegen Polizeibeamte, Beeinträchtigung von Nothilfemitteln und Sachbeschädigung.

Der Angriff des Sanitäters bleibt zunächst folgenlos.

Amar H. erlitt einen doppelten Jochbeinbruch
Foto: privat

Am Tag nach dem Angriff geht Amar H. selbst zur Polizei und erstattet Anzeige wegen Körperverletzung gegen den Rettungssanitäter. Nach seiner Aussage wird nun auch gegen die anwesenden Polizisten ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft Kassel bestätigte auf BILD-Nachfrage: "Von Amtswegen hat das Polizeipräsidium Nordhessen ein Ermittlungsverfahren gegen die am Einsatz vom 08.11.2020 beteiligten Polizeibeamten eingeleitet, um auch insoweit das Verhalten der Beamten auf eine mögliche strafrechtliche Bedeutsamkeit hin zu überprüfen."

Im Raum stehen: unterlassene Hilfeleistung und Strafvereitelung im Amt.

In einer ersten Stellungnahme spielt die Polizei den Vorfall noch herunter. Man könne nach Ansicht des Videos nicht eindeutig sagen, ob Amar H. tatsächlich am Kopf getroffen worden sein, oder ob der Schlag nicht doch nur die Kopfstütze der Trage getroffen habe. Das Ermittlungsverfahren sei daher einzustellen.

Der Befunde belegt Brüche im Gesicht des Syrers Foto: Andreas Costanzo

Der ärztliche Befund, der BILD vorliegt, spricht eine andere Sprache: Amar H. erlitt einen doppelten Bruch des Jochbeins, dazu Prellungen. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft steht noch aus.

"Dass die Polizei die Vorgänge vor dem Hintergrund des für sich selbst sprechenden Videos verharmlost, ist absolut skandalös", so Anwalt Aykac. "Der Mann ist fixiert. Das grenzt an Folter. Die Justiz muss vor allem dann Farbe bekennen, wenn Dinge mal nicht reibungslos laufen. Mit solchen Aussagen wie denen der Polizei wird das Opfer nachträglich noch einmal verhöhnt."

BILD hakte nach.

Anwalt Adnan Aykac aus Hamburg vertritt den Syrer
Foto: Andreas Costanzo

Amar H. habe sich am Tatabend "erheblich gegen die Einsatzkräfte zur Wehr gesetzt, nach ihnen getreten und sie mehrfach angespuckt", so Polizeisprecher Matthias Mänz auf BILD-Nachfrage. "In diesem Zusammenhang ist bereits im Bericht der eingesetzten Streife ein unmittelbar auf eine Spuckattacke folgender Schlag eines 44-jährigen Rettungssanitäters in Richtung des Kopfes des 32-Jährigen dokumentiert."

Unklar ist, warum es der Vermerk nicht in die Pressemitteilung schaffte. Er hätte aber "im weiteren Verlauf zu einer rechtlichen Würdigung durch die zuständige Staatsanwaltschaft geführt", versichert der Polizeisprecher. Über die Schwere der Verletzung des Syrers habe man keine Kenntnis, "da ein Attest des Geschädigten der Polizei bis dato nicht zur Verfügung gestellt wurde".

Der Arbeitgeber des Rettungssanitäters teilte auf BILD-Nachfrage mit, man habe dem Mediziner unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe fristlos gekündigt. "Sollten die gegen die Person erhobenen Vorwürfe zutreffend sein, sind diese mit den Werten unserer Hilfsorganisation unvereinbar." Man distanziere sich damit "auf das Deutlichste von jeglicher Art von Gewalt".

Anmerkung
"Man distanziert sich auf das Deutlichste von jeglicher Art von Gewalt".
KORREKT - Aber das dar keine Einbahnstraße sein. So wie dem Sanitäter fristlos gekündigt wurde, ist dem Flüchtling fristlos der Aufenthalt in Deutschland zu kündigen.
Und man sieht wieder. Rettungssanitäter sind keine Fachkräfte. Mit denen kann man umspringen, das Unschuldslamm wird nur gesteichelt.


Quelle: News Inland - Bild.de