Polizeiliche Kriminalstatistik Gewaltkriminalität in Deutschland steigt massiv - Und das sind die Details

Von Martin Lutz
Reporter Investigative Recherche

Veröffentlicht am 09.04.2024 | Lesedauer: 4 Minuten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will am Dienstag die Kriminalstatistik für 2023 vorstellen. Bei der Gewaltkriminalität wurde der höchste Stand seit 15 Jahren erreicht. Auch die Zahl der Wohnungseinbrüche nahm deutlich zu. Inzwischen hat fast die Hälfte aller Tatverdächtigen keinen deutschen Pass.

Quelle: dpa/Nicolas Armer

Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist im ersten Jahr nach den Corona-Beschränkungen um 5,5 Prozent auf 5,940 Millionen gestiegen. Dies geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2023 hervor, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorab vorliegt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die Zahlen kommenden Dienstag vorstellen.

Laut PKS stieg die Zahl der Tatverdächtigen gegenüber 2022 um 7,3 Prozent auf 2,246 Millionen. Von diesen besaßen 923.269 (plus 17,8 Prozent) keinen deutschen Pass. Darunter waren neben reisenden Tätern 402.514 Zuwanderer (plus 29,8 Prozent), etwa Asylbewerber, Flüchtlinge und illegal eingereiste. Die Delikte "unerlaubte Einreise" (93.158 Fälle, plus 40,4 Prozent) und "unerlaubter Aufenthalt" (187.059, plus 28,6 Prozent) wuchsen stark an.

Auffällig ist vor allem, dass die Hemmschwelle für Gewalt in Deutschland sinkt: So hat die "Gewaltkriminalität" mit 214.099 Fällen (plus 8,6 Prozent) den Höchststand seit 15 Jahren erreicht. Ein Hauptgrund ist, dass die "gefährliche und schwere Körperverletzung" um 6,8 Prozent auf 154.541 Fälle stieg - die bislang höchste Fallzahl. Auch die "vorsätzliche einfache Körperverletzung" nahm auf 429.157 Fälle (plus 7,4 Prozent) zu. Der bisherige Höchststand war 2016 mit 406.038 Fällen registriert worden.

Die Aufklärungsquote aller erfassten Straftaten betrug 58,4 Prozent. Die Zahl der Delikte lag um 9,3 Prozent höher als 2019 (5,436 Millionen Taten), dem letzten Jahr vor der Pandemie.

Polizeiliche Kriminalstatistik: Die Zündschnur ist kürzer geworden

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dieser Zeitung, dass sich die Stimmung in der Gesellschaft verändert hat: "Konflikte werden schneller mit Fäusten statt mit Worten gelöst. Die Zündschnur ist kürzer geworden." Kriege und Krisen hätten die Stimmung zusätzlich angeheizt: "Das ist wie ein großes Pulverfass."

Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte: "Es ist anzunehmen, dass der Anstieg bei der Gewaltkriminalität nicht mehr allein mit Nachholeffekten nach der Corona-Pandemie zu erklären ist." Plausible Gründe seien etwa die Inflation, die wieder höhere Mobilität nach der Pandemie und Migrationsbewegungen.

Bei der Gewaltkriminalität legte insbesondere die Zahl der Raubdelikte (44.857, plus 17,4 Prozent) zu. Auch bei den Messerangriffen verzeichnet die PKS einen deutlichen Anstieg (8951 Fälle, plus 9,7 Prozent). Dazu zählen Taten, bei denen der Angriff mit einem Messer angedroht oder ausgeführt wird.

Eine geringe Zunahme gibt es bei Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen (2282 Fälle, plus 2,1 Prozent) sowie bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen im besonders schweren Fall (12.186 Fälle, plus 2,4 Prozent).

Ministerin Faeser hatte bereits bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts (BKA) im November 2023 betont, dass sie der Trend zu mehr Gewalt alarmiere: "Unsere Gesellschaft ist tatsächlich gewalttätiger geworden." Erklärungen dafür liefert nun die PKS: Faktoren für Gewalt seien das "aktuelle Migrationsgeschehen" und "die umfangreiche Zuwanderung Geflüchteter". Unter den 190.605 Tatverdächtigen (plus 6,9 Prozent) bei der Gewaltkriminalität sind 79.088 "Nichtdeutsche" (plus 14,5 Prozent) und 25.732 Zuwanderer (plus 20,3 Prozent).

Einbrecherbanden aus Osteuropa

Etwa ein Drittel aller Straftaten sind Diebstahlsdelikte (1,971 Millionen, plus 10,7 Prozent). Speziell in Wohnungen und Häuser wurde mehr eingebrochen, weil zum Beispiel Banden nach Corona wieder ungehindert reisen können. Die Zahl beim "Wohnungseinbruchdiebstahl" wuchs um 18,1 Prozent auf 77.819 Fälle. Berlin verzeichnet hier mit einem Plus von 35,2 Prozent (insgesamt 8323 Fälle) den größten Anstieg aller Bundesländer.

Auch Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein (jeweils über 22 Prozent) liegen deutlich über dem Bundesschnitt. Starke Zuwächse weist die Statistik überdies beim Kfz-Diebstahl (29.985 Fälle, plus 17,5 Prozent), Ladendiebstahl (426.096 Fälle, plus 23,6 Prozent) und Taschendiebstahl (109.314 Fälle, plus elf Prozent) aus.

Im Vergleich der 16 Bundesländer zeigt sich, dass es bei der Kriminalität weiterhin ein starkes Nord-Süd-Gefälle gibt. Bezogen auf die Häufigkeit der Straftaten pro 100.000 Einwohner, lebt man in Berlin (14.292 Taten) am gefährlichsten. Dahinter folgen das Land Bremen (14.170), Hamburg (12.380) und Sachsen-Anhalt (8863). Am sichersten bleibt Bayern (4873).


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