FOCUS-online-Reporter Josef Hufelschulte
Freitag, 24.11.2023, 18:07
Ein Mossad-Agent.
Die ersten Journalisten packten am Mittwochabend gerade ihre Laptops ein, da lieferte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, 74, der Presse noch eine harte Nachricht.
Er werde ab sofort seinen Auslandsgeheimdienst Mossad gegen alle untergetauchten, leitenden Funktionäre der Terrorgruppe Hamas einsetzen. "Überall auf der Welt", fügte Netanjahu hinzu, "egal wo. Wir werden sie jagen und finden".
Ältere Reporter erinnerte Netanjahus harte Kampfansage inhaltlich an die frühere Ministerpräsidentin Golda Meir, die 1972 nach der Ermordung von elf israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen in München radikalen Palästinensergruppen Rache geschworen hatte.
"Zorn Gottes" nannte sie die Vergeltungsaktion, bei der der Mossad, unterstützt von militärischen Eliteeinheiten,
Auf den Bildschirmen wirkt er in diesen Tagen wie ein harmloser, netter Frührentner im Urlaub: Das Gesicht leicht gebräunt, schaut er unschuldig in die Kamera. Doch Ismail Hanija, 61, ist der politische Anführer der Hamas und damit wohl einer der Hauptverantwortlichen für das Massaker mit mehr als 1200 Toten am 7. Oktober. "Er ist", prophezeite Netanjahu bereits vor Wochen, "schon jetzt ein toter Mann!"
Hanija, gewöhnt an ein Leben in Luxus, hält sich in Katar auf und wird dort jede Minute von Militär und Geheimdienst geschützt. Das Elend seiner Landsleute im Gazastreifen kennt er seit Längerem nur aus dem TV.
Ein paar Tage nach dem Massenmord traf Hanija in Katar den iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian - auch er ist ein Förderer und Mitwisser weltweiter Anschläge durch muslimische Attentäter. Das Blutbad, berichtete Hanija dem Minister aus Teheran, sei ein historischer Sieg über die Juden.
Der Killer Hanija, so internationale Geheimdienste, hat den Massenmord an den Juden wohl in Irans Hauptstadt geplant. Im kleinsten Kreis, streng abgeschirmt. "Keine Emails, kein Telefon, höchst konspirativ. Und eine menschliche Quelle vor Ort gab es leider wohl auch nicht", sagt ein mit der Region vertrauter Experte des Bundesnachrichtendienstes (BND).
Der Einsatzbefehl, möglichst viele Juden umzubringen, soll erst Stunden vor dem Überfall an die motorisierten Killer-Kommandos herausgegeben worden sein. So konnte der Mordplan lange geheim gehalten werden, nichts sickerte durch. Hanija wird wissen, dass er bis ans Ende seines Lebens Zielperson des Mossad sein wird. Seine Häscher haben notfalls alle Zeit der Welt.
Zuvor hatten die Rächer ihm noch einen Damenbesuch und ein Abendessen in einem bekannten Pariser Steak-Restaurant gegönnt.
Shavit hatte seinerzeit von einem Appartment im Quartier du Montparnasse die Hinrichtung von Bseiso gesteuert. Dabei musste der Mossad-Boss die Berichte der Observateure auswerten, die Fluchtwagen zum Einsatzort dirigieren und schließlich die Todesschüsse auf Bseiso freigeben. Mit der Liquidierung des hohen PLO-Funktionärs stieg in der arabischen Welt erneut die Angst vor Israels Killerkommando, das intern "Kidon" hieß - übersetzt: Bajonet.
Ganz oben auf Netanjahus Abschussliste dürfte derzeit Yahya Sinwar, 60, stehen. Er war bislang Hamas-Chef im Gazastreifen. Aufgrund seiner brutalen Folter an angeblichen Spionen und Überläufern gab die eingeschüchterte Bevölkerung ihm den Namen "Schlächter von Chan Yunis".
Insider gehen davon aus, dass Netanjahus aktuelle Greifkommandos heute wie damals keine Gefangenen machen werden. Wie schon bei Golda Meirs "Operation Gottes Zorn" wurden alle Zielpersonen getötet - mit Sprengstoff, Pistole oder Gift.
Mitunter reicht auch ein Kopfkissen, um einen aus Sicht von Tel Aviv gefährlichen Feind auszuschalten.
Mahmud al-Mabhuh, oberster Waffenbeschaffer der Hamas und nach eigener Aussage verantwortlich für die Entführung und Ermordung von zwei israelischen Soldaten, checkte am 20. Januar 2010 in Dubai im Hotel Al Bustan Rotana ein. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits im Visier von elf Mossad-Agenten, die allesamt aus ganz Europa eingeflogen waren.
In Zimmer 230 fand der Palästinenser sein Ende. Die staatlichen Killer spritzten dem Palästinenser ein starkes Beruhigungsmittel und erstickten ihn dann mit einem Sofakissen.
Wie lang die Todesliste der Israelis momentan ist, wissen nur wenige. Netanjahu muss jeden zur Ermordung bestimmten Delinquenten per Unterschrift genehmigen.
Mohammed Deif wird mit Sicherheit auf der Liste stehen. Israels Geheimdienste Mossad (Ausland), Shin Bet (Inland) und Amam (Militär) fahnden schon seit Längerem nach dem 58-jährigen Kommandeur des militärischen Hamas-Flügels, der zahlreiche Tötungen von Soldaten und auch Zivilisten angeordnet haben soll. Als Mitplaner der Morde vom 7. Oktober gilt er im Gazastreifen als Volksheld, der bei Kämpfen mit den Israelis ein Auge und einen halben Arm verlor.
Israels Verteidigungsminister Joav Gallant beeindrucken keine Helden-Geschichten. "Wir werden Hamas vom Erdboden tilgen" sagt der ehemalige Kampfschwimmer knallhart. "Hamas wird aufhören zu existieren."