Marius Kiermeier
Volontär
17.10.2024 - 08:01 Uhr
Foto: Jens Kalaene/dpa
Für Familien gibt es deshalb den Kinderzuschlag. Er soll erwerbstätige Eltern mit niedrigem Einkommen unterstützen. Bis zu 292 Euro pro Kind können sie so als Sozialleistung zusätzlich zum normalen Kindergeld bekommen.
Konkret geht es um die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Sie entscheiden, ob Kinderzuschlag gezahlt wird. Aktuell gibt es eine Antragsflut bei den Familienkassen. Deshalb gibt es nun interne Anweisungen an Mitarbeiter, Anträge nicht mehr sorgfältig zu prüfen, sondern schnell durchzuwinken. Das heißt intern "glaubende Bearbeitung" und wird von vielen Vorgesetzten eingefordert.
Mitarbeiter Ralf Schmidt (Name geändert, der Mitarbeiter will anonym bleiben) erklärte BILD, wie er trotz fehlender Unterlagen immer wieder Kinderzuschlag bewilligt.
Und er sagt auch, dass Familien mittlerweile genau wissen, dass die Ämter den Kinderzuschlag großzügig vergeben. Sein Beispiel: der Antrag einer siebenköpfigen syrischen Familie, zwei Erwachsene und fünf Kinder.
Der Mann geht laut Schmidt arbeiten. Er verdiene aber so wenig, dass die Familie neben Kindergeld auch Anspruch auf Kinderzuschlag hat.
Die Frau könnte arbeiten, tut sie aber nicht. Auf die Nachfrage von Schmidt erklärte der Mann, in seiner Kultur sei das "eben so", dass Frauen nicht arbeiten. Die Familie kassiert nun fünf Mal 250 Euro Kindergeld plus fünf Mal 292 Euro Kinderzuschlag. Macht 2710 Euro Unterstützung für die Kinder. Jeden Monat!
Auch bei fehlenden Nachweisen, etwa über das Gehalt, wird weggeschaut. Intern nennen das Vorgesetzte von Schmidt auch ganz euphemistisch "positive Bewilligungsmentalität" und machen in Anweisungen klar: Den Angaben der Antragsteller wird grundsätzlich immer geglaubt, auch wenn es Anhaltspunkte für Betrug gibt.
Interne Dokumente (liegen BILD vor) belegen, was "glaubende Bearbeitung" in der Praxis bedeuten kann:
Foto: Christoph Soeder/dpa
Die Bundesagentur für Arbeit erklärte auf BILD-Anfrage, dass die Familienkasse das Verfahren "vereinfacht" habe, um den Antrag "möglichst unbürokratisch zu gestalten". Trotzdem sei laut Sprecher "die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung weiterhin sichergestellt".
Der CDU-Wirtschaftsflügel ist auf der Zinne. Mittelstands-Chefin Gitta Connemann (60) zu BILD: "Entbürokratisierung ja. Aber das ist kein Blankoscheck, Steuergelder mit der Gießkanne auszuschütten. Wer Leistungen vom Staat will, muss mitmachen. Der Steuerzahler kann verlangen, dass der Staat mit seinem Geld keinen Schindluder treibt."