Von Michael Sauga, Brüssel
20.06.2022, 17.05 Uhr
Man findet sie auf Tourismusportalen in Tschechien und Ungarn, in Italien oder der Slowakei: Ferienwohnungen in bestem Zustand, die mit tausenden von Euros aus der EU-Kasse erst vor Kurzem gebaut oder saniert worden sind.
Merkwürdig ist nur, dass sie nicht anzumieten waren, als die Beamten des Europäischen Rechnungshofes dies im Oktober 2020 versuchten. "In der Praxis", so heißt es in einem an diesem Montag veröffentlichten Bericht der Behörde, seien sie offenbar "nie zu buchen gewesen". Zwar versicherten die meisten befragten Eigentümer treuherzig, ihre Objekte stünden selbstverständlich offen. Doch in jedem sechsten Fall ermittelten die Kontrolleure zweifelsfrei, dass die vermeintlichen Herbergen "für Touristen nicht verfügbar waren".
Dabei hatten die Brüsseler Strukturförderer die besten Absichten, als sie nach der Jahrtausendwende die Wirtschaft in den schwächer entwickelten Randregionen vor allem Osteuropas anzukurbeln versuchten. Um die hohen Arbeitslosenzahlen und die große Abhängigkeit vom Agrarsektor zu verringern, wollten sie die ländliche Infrastruktur verbessern und Branchen wie den Tourismus ausbauen.
"Diversifizierung" lautete die Zauberformel, unter der seit 2007 mehr als 25 Milliarden Euro in ländliche Regionen Tschechiens, Sloweniens oder Ungarns flossen. Straßen, Kraftwerke und Kläranlagen wurden gebaut und Millionen von Fördergeldern an Privatleute und Unternehmer ausgereicht, um den Fremdenverkehr zu befeuern. Nicht zuletzt durch den Neu- oder Ausbau geeigneter Ferienunterkünfte.
Die Gelder flossen jahrelang, obwohl schon bald erkennbar war, dass die Programme eher durchwachsene Ergebnisse brachten. Während die Infrastrukturmaßnahmen die Wirtschaftskraft der Regionen dauerhaft verbesserten, gelang es kaum, zusätzliche Touristen anzulocken, schon gar nicht mit den oft für mehrere hunderttausend Euro gebauten oder modernisierten Ferienunterkünften. Ein Drittel der untersuchten Projekte hatte zum Zeitpunkt der Prüfung den Betrieb bereits wieder eingestellt. Die übrigen verfehlten häufig ihre wirtschaftlichen Ziele. In Bulgarien zum Beispiel blieben rund 90 Prozent der Betriebe unter ihrem selbst gesetzten Soll, in Polen rund 63 Prozent.
Vielerorts ermittelten die Behörden inzwischen wegen der "privaten Nutzung von Geba?uden, die als Beherbergungsbetriebe finanziert worden waren", heißt es in der Studie. In Bulgarien richtet sich der Vorwurf überdies gegen Politiker, die mit der Masche Vorteile für sich selbst oder ihre Angehörigen ergaunert haben sollen (mehr dazu lesen Sie hier).
Der Prüfbericht kommt zu einem wenig schmeichelhaften Fazit für die Brüsseler Subventionsmaschine:
Trotzdem empfehlen die Prüfer nicht, die Programme einzustellen. Stattdessen fordern sie eine bessere Vorbereitung und mehr Kontrollen, um sicherzustellen, dass die geförderten Projekte langfristig erfolgreich sind.
Dazu sollten die nationalen Behörden die Mittel vorrangig als Kredite vergeben, die Programme an schärfere Bedingungen knüpfen und den dauerhaften Betrieb der Projekte besser überwachen. Oder, wie es der zuständige Rechnungsprüfer Viorel Stefan in der trockenen Sprache erfahrener Finanzkontrolleure formuliert: "Die EU sollte mehr tun", damit ihre Unterstützung auch "zu einem langfristigen Nutzen führt".
Quelle: spiegel.de