Miri-Clan: Spitzel-Affäre bei Lindners Finanzpolizei

Von:

Jan C. Wehmeyer

Nikolaus Harbusch

Jan-Henrik Dobers

Andreas Wegener

Hans-Wilhelm Saure

04.02.2024 - 09:15 Uhr

Bundesfinanzminister Christian Lindner (45, FDP) will das deutsche Geldwäsche-Paradies schließen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (45, FDP)
Foto: Ann-Marie Utz/dpa

In Brüssel trommelte er jüngst persönlich dafür, eine geplante Anti-Geldwäsche-Behörde der EU in Frankfurt am Main anzusiedeln. Skandale und Schlampereien in Deutschland würden der Vergangenheit angehören, so der Minister. Nun solle die Republik "Pionier" bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität werden - und "dicke Fische" fangen.

Was bei der Werbetour unerwähnt blieb: Erst im Vorjahr gelang es der Organisierten Kriminalität offenbar, das Herzstück der deutschen Finanzpolizei zu unterwandern.

Nach Recherchen von BILD am SONNTAG soll ein Spitzel des Miri-Clans monatelang in der Financial Intelligence Unit (FIU) - einer Spezialeinheit der Generalzolldirektion gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung - gearbeitet haben.

Fast ein Jahr blieb die hochbrisante Affäre geheim. Vorliegende E-Mails offenbaren: Am 9. März 2023 kam es zu einer Razzia in der Bundesbehörde. Zollfahnder aus Hamburg betraten am Vormittag das Dienstgebäude in Köln, führten den FIU-Mitarbeiter Alexandros P. (32) durch einen Hintereingang ab.

Diese Rolle spielte der mutmaßliche Spitzel bei der FIU
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P. war seit Frühjahr 2022 in der "Operativen Analyse" der FIU tätig. In dieser Abteilung werden Verdachtsmeldungen von Banken, Notaren und Schmuckhändlern (z.B. sehr hohe Bargeldzahlungen) geprüft und bearbeitet. Ernste Fälle übergibt die FIU anschließend den zuständigen Landeskriminalämtern. In der Vergangenheit sorgte allerdings die hohe Zahl von liegen gebliebenen Verdachtsfällen für Kritik - und den Rücktritt des FIU-Chefs wenige Monate vor der Razzia.

Bei einer Durchsuchung der Wohnung von P. stellten die Ermittler Beweismaterial (u.a. einen Laptop) sicher. Laut Informationen von BILD am SONNTAG soll der mittlerweile suspendierte Analytiker vertrauliche FIU-Informationen zum Miri-Clan auf seinen Rechner kopiert haben. Auswertungen des FIU-Systems zeigten zudem, dass P. seine Zugriffsrechte wohl auch dafür genutzt hat, den Status von Clanmitgliedern im geschützten Ausländerzentralregister abzufragen.

Die Miris stammen ursprünglich aus Dörfern in der türkischen Provinz Mardin an der Grenze zu Syrien. Sie gehören der arabisch sprechenden Volksgruppe der Mhallami an, die zunächst in den Libanon auswanderten und seit Beginn des Bürgerkriegs 1975 als Asylbewerber nach Deutschland kamen. Viele besitzen einen türkischen Pass, obwohl sie in Deutschland als staatenlos gelten.

Alexandros P. äußerte sich gegenüber BILD am SONNTAG nicht zu den Vorwürfen
Foto: Andreas Wegener

Wie Ermittler P. auf die Spur kamen

Im Zuge eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens gegen die mafiöse Gruppierung (ca. 8000 Personen vor allem in Bremen, Berlin und Essen) hörten Drogenfahnder Anfang 2023 Telefonate von Clan-Mitgliedern ab, erfuhr BILD am SONNTAG. Dabei soll der Name von P. gefallen sein - ein Beifang. "Wie es aussieht, hatte der Verdächtige Spielschulden", sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person, "und erhielt Bargeld für die Lieferung von Informationen."

Die Staatsanwaltschaft Bremen bestätigte auf Anfrage ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen P. wegen Bestechlichkeit. Zudem beschuldigt sie Tarek D. (23), einen ehemaligen Zöllner, P. bestochen zu haben.

P. schweigt zu den Vorwürfen

BILD am SONNTAG konfrontierte P. am vergangenen Freitag vor seiner Kölner Wohnung mit den Vorwürfen. Er lehnte eine Stellungnahme ab. Eine Sprecherin seines Dienstherren sagte: "Die FIU unterstützt die zuständige Ermittlungsbehörde von Beginn an durch umfängliche Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung und stellt benötigte Informationen umfassend zur Verfügung."

Allgemein weist die FIU darauf hin, dass alle Mitarbeiter vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit einer strengen Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden seien. "Der betreffende Vorgang ist Ausdruck eines allgemeinen Risikos, das sich grundsätzlich bei jeder Behörde realisieren kann", sagt die Sprecherin. Eine absolute Sicherheit sei unmöglich.

Wie der neue FIU-Chef Daniel Thelesklaf (58) seine Rolle interpretiert, deutete der Schweizer vor Kurzem in den sozialen Netzwerken an. Zu dem Foto eines Staubwedels schrieb er: "Hilft beim Saubermachen, ohne unnötig viel Staub aufzuwirbeln. Ein Motto für 2024?"


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