21/05/2022
Zehntausende Tote, Millionen Geflüchtete. Der russische Angriff auf die Ukraine brachte für die Menschen dort unglaubliches Leid.
Laut den Kriegsbefürwortern aus CDU, SPD, Grünen, FDP und vieler Medien sind es gerade diese Waffen, die helfen. Doch leider ist das Gegenteil wahr.
Jeder Ukrainer hat das Recht auf Widerstand gegen den Angriff der russischen Armee. Jedoch führt die ukrainische Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj diesen Widerstand nicht, um das Leben der Bevölkerung zu retten.
Entgegen der Darstellung fast aller Medien ist Selenskyj kein tapferer Held, der alles für die Einwohner seines Landes tut.
Der Krieg in der Ukraine hat seit Beginn einen Doppelcharakter: Er ist ein Verteidigungskrieg gegen die russische Invasion, gleichzeitig aber auch ein Stellvertreterkrieg, ein Machtkampf zwischen konkurrierenden imperialistischen Blöcken.
Die ukrainische Regierung unter Präsident Selenskyj hat den Stellvertretercharakter des Kriegs von Beginn an befördert. Auch ihr geht es nicht um eine möglichst rasche Beendigung der Kriegshandlungen, den Schutz von Menschenleben und die Interessen der ukrainischen Bevölkerung.
Schon vor dem Krieg betrug das Durchschnittseinkommen der Ukrainer umgerechnet nur 450 Euro pro Monat und auch der amtierende Präsident Selenskyj hat nichts getan, um die soziale Lage der lohnabhängigen Bevölkerung zu verbessern.
Die ukrainische Regierung organisiert nicht den Krieg für alle, die das Land gegen die russische Invasion verteidigen wollen, sondern zwingt alle Männer bis 60 Jahre in einen Kampf, der ihren Tod bedeuten kann. Ein Berater Selenskyjs stellte vor Kurzem Ausnahmen in Aussicht - allerdings nur für Geschäftsleute.
Erst letztes Jahr leiteten Ukraine und USA gemeinsam eine große Marineübung im Schwarzen Meer, an der Kriegsschiffe von 32 Armeen teilnahmen. Aus Sicht eines Diktators wie Putin, dem Menschenleben egal sind, ist der jetzige Krieg die letzte Chance, die vollständige Ausdehnung der Nato auf die Ukraine zu verhindern.
Läge Selenskyj das Leben der Ukrainer am Herzen, würde er der russischen Regierung Angebote unterbreiten, um zumindest einen vorübergehenden Waffenstillstand zu vereinbaren; zum Beispiel dauerhaften Abbruch aller Kontakte zu den Armeen der Nato. Doch genau wie Putin will er keinen Frieden, sondern den Krieg gewinnen - koste es, was es wolle.
Selenskij gehört zu jenem Teil der Herrschenden in der Ukraine, der eine Integration in Nato und EU anstrebt, auch um den Preis Tausender Toter Ukrainer. Denn wer glaubt, die ukrainische Regierung wolle nur die Gebiete zurückerobern, die sie vor dem russischen Angriff im Februar kontrolliert hat, wird von Außenminister Dmytro Kuleba eines Besseren belehrt. Er fasst dies gegenüber der Zeitung Financial Times zusammen: "Das Bild des Sieges ist ein sich entwickelndes Konzept (...) In den ersten Kriegsmonaten sah der Sieg für uns so aus, als würden sich die russischen Streitkräfte auf die Positionen zurückziehen, die sie vor dem 24. Februar besetzten, und für den zugefügten Schaden bezahlen."
Doch nicht nur die ukrainische Regierung will den Krieg ausweiten statt eindämmen. Auch Deutschland und die anderen Nato-Regierungen haben wie in einem Schachspiel entschieden, dass Putin mit dem Angriff einen militär-strategischen Fehler gemacht hat. Diesen wollen sie jetzt mit einer Gegenoffensive ausnutzen.
Das Kriegsziel der US-amerikanischen Regierung und seiner Verbündeten ist die militärische und wirtschaftliche Schwächung der konkurrierenden Großmacht Russland - auch um das mit Russland verbündete China in Schach zu halten. Ein willkommener Nebeneffekt: US-amerikanische Konzernen können sich Extra-Profite auf Kosten der russischen Konkurrenz sichern.
In diesem Stellvertreterkrieg der Nato, schaffen die deutschen Waffenlieferungen keinen Frieden, weil weder die ukrainische noch die Nato-Regierungen diesen Frieden wollen. Auch dass immer größere und tödlichere Waffen geliefert werden, zeigt, dass es nicht um das Wohl der Menschen geht, sondern um das Gewinnen des Krieges.
Mit einem Schützenpanzer wie dem "Marder" werden Soldaten auf das Schlachtfeld gebracht. Deren Kampf "unterstützt" ein Soldat im Panzer mit einer Maschinenkanone, die 20 mal 139 Millimeter große Patronen, gefüllt mit Sprengstoff verschießt, und zwar mehrere pro Sekunde. Wer auch nur in der Nähe des Einschlagorts steht, stirbt sofort.
Doch selbst wenn es der Besatzung des "Marder" wie durch ein Wunder gelänge, im Wohngebiet nur feindliche Soldaten, aber keine Zivilisten zu treffen - mit der "Panzerhaubitze 2000" ist das hundertprozentig unmöglich. Sie ist ein fahrendes Artilleriegeschütz, das 155-Millimeter-Granaten, unter anderem die Munition "SMArt 155" bis zu 30 Kilometer weit schießt.
Die "SMArt 155"-Granaten zerfallen über dem Zielgebiet in kleinere Geschosse, die an mehreren Stellen einschlagen, um eine möglichst große Fläche zu zerstören und die Menschen darin zu töten.
Wie im schon jetzt fast vollständig zerstörten Mariupol wird der russische Krieg in der Ukraine nicht auf dem Feld, sondern um jede Stadt geführt. Bei diesen Schlachten ermorden die beteiligten Armeen mit solchen Waffen zwangsläufig tausende Menschen.
Wer jetzt hofft, die deutschen Waffenlieferungen könnten zu einem schnellen Sieg der ukrainischen Armee führen, der einige Todesopfer wert sei, sollte auf Experten hören: "Wladimir Putin bereitet sich in der Ukraine auf einen längeren Konflikt vor", so Avril Haines, Koordinatorin der US-amerikanischen Geheimdienste am 10. Mai bei einer Anhörung des Parlaments. Laut der Nachrichtenagentur AFP wird Putin in Russland demnächst Kriegsrecht verhängen, was ebenfalls für einen langen Konflikt spricht.
Dass auch die Nato einen langen Krieg plant, zeigt gerade die Lieferung von Waffen wie der "Panzerhaubitze 2000" und das Ausfliegen ukrainischer Soldaten nach Deutschland für eine 40-tägige Ausbildung an dem Geschütz. Erst Mitte Mai hat die US-Regierung ein weiteres 40-Milliarden-Dollar-Paket beschlossen - überwiegend für den Kauf schwerer Waffen für die ukrainische Armee. Bis diese von der Rüstungsindustrie bereitgestellt, nach Europa verschifft, mit dem Zug in die Ukraine gefahren und Soldaten daran ausgebildet sind, vergehen Monate.
Wesentlich wahrscheinlicher als ein schneller Sieg ist, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland dank deutscher und Nato-Waffenlieferungen zwar mehrere Jahre führen, aber nicht gewinnen kann. Dann wäre der Angriff von Nato-Armeen auf Russland aus militärischer Sicht irgendwann der nächste logische Schritt und würde die Welt endgültig an den Rand eines nuklearen Krieges bringen.
Doch selbst wenn die ukrainische Armee die Oberhand gewänne, müsste sie zum Beispiel in Mariupol erneut einen Kampf um jedes Haus und jede Kreuzung führen und dabei den Tod von tausenden Menschen billigend in Kauf nehmen, um die russische Armee zu vertreiben. Gelänge dies, würde sich die Frage stellen, ob die ukrainische Regierung die einmal begonnene Offensive abbricht oder die Armee weiter vorrücken lässt.
Versucht sie, die Großstädte Donezk und Luhansk in den bisher von den Seperatisten kontrollierten Gebieten im Donbass zu erobern, die seit dem russischen Angriff im Februar bislang noch vom Kriegsgeschehen verschont blieben? Oder wird sie versuchen, die strategisch wichtige Großstadt Sewastopol an der Südküste der von Russland besetzten Halbinsel Krim einzunehmen?
Wer glaubt, dass die ukrainische Armee so etwas niemals tun oder dabei zumindest versuchen würde, unschuldige Menschen zu verschonen, wird von den Ereignissen der letzten Wochen widerlegt.
In einem Video, das von der "New York Times" als echt eingestuft wird, sieht man ukrainische Soldaten, die unbewaffnete, am Boden liegende russische Soldaten hinrichten. Laut der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" hat die russische Armee wiederholt für Zivilisten besonders gefährliche Streumunition eingesetzt - ebenso wie in mindestens einem Fall auch die ukrainische Armee.
Sterben im Krieg fürs Vaterland Ukraine?
Selbst wenn der Wille zur militärischen Landesverteidigung in der ukrainischen Bevölkerung tatsächlich so groß sein sollte, wie es die Regierung behauptet, sollten sich Linke davon nicht täuschen lassen. Je länger der Krieg dauert, desto mehr Russen und Ukrainer werden sich fragen, ob es wirklich notwendig war, dass ihre Kinder in den Tod gegangen sind. Immer mehr werden daran zweifeln, fürs "Vaterland" zu sterben - selbst, wenn dieses von einer anderen Armee angegriffen wurde.
Für Putin ist die Ukraine nur ein Kriegsschauplatz für den weitaus größeren Konflikt mit der Nato. Putins eigentliches Ziel ist es, die Nato aus der Ukraine rauszuhalten und die
Putin ist ein Massenmörder, aber nicht verrückt. Vielmehr hat er sehr konkrete, machtpolitische Ziele, von denen er weiß, dass er sie nicht allein durch Krieg erreichen kann. Ein Waffenstillstand und Verhandlungen wären möglich, vorausgesetzt die Nato würde ein Angebot machen, mit dem sie ihre Osterweiterung dauerhaft beendet und alle Nato-Armeen aus Osteuropa abzieht.
Das mag angesichts des russischen Angriffskrieges ungerecht erscheinen. Doch ist der Konflikt der beiden militärischen Großmächte zu mörderisch, um ihn wie eine Kindergeschichte zu behandeln. Das Überleben der Ukrainer ist wichtiger als das angebliche Recht einer Regierung, dem Kriegsbündnis Nato beizutreten.
Der Blick in die Geschichte zeigt, dass gerade in Zeiten größter Konflikte die Gefahr eines Nuklearkrieges nicht hingenommen werden muss, wie es jetzt Außenministerin Annalena Baerbock dargestellt hat. Ausgerechnet der erzkonservative republikanische US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow unterschrieben 1987 einen Vertrag über die Vernichtung aller Atomraketen mit kurzer und mittlerer Reichweite. Die USA zerstörten 846 Raketen, die Sowjetunion 1846 unter Kontrolle der jeweils anderen Seite. Im Jahr 2001 wurde der Vertrag für vollständig umgesetzt erklärt. Möglich wurde dies vor allem durch eine große Friedensbewegung in West- und Osteuropa gegen die Atomwaffen der jeweils eigenen Regierung.
Wenn heute Ralf Fücks, Autor des Offenen Briefes an Kanzler Olaf Scholz für mehr Waffenlieferungen, in den ARD-Tagesthemen sagt:
Und wenn die Grünen mit der CDU um den Titel des größten Kriegstreibers Deutschlands streiten, ist es die Aufgabe der LINKEN, eine neue Friedensbewegung aufzubauen. Um damit allen eine Stimme zu geben, die nicht glauben, dass der Frieden mit 155-Millimeter-Granaten herbeigebombt werden kann.
Hans Krause ist aktiv in der LINKEN Berlin-Neukölln
Quelle: Marx21