Von Marcel Leubecher
Politikredakteur
Stand: 17.03.2023 | Lesedauer: 3 Minuten
Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
So sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Rande der Ministerpräsidenten-Konferenz: "Der Bund muss aufhören mit freiwilligen Aufnahmeprogrammen." Im Fernsehsender WELT kritisierte er: "Es kann nicht sein, dass Frau Baerbock durch die Gegend fährt und Aufnahmezusagen macht, die am Ende von Kommunen, von Ländern geklärt werden".
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Kürzlich hatte auch der SPD-Migrationspolitiker Lars Castellucci dafür geworben, eines der vielen freiwilligen Aufnahmeprogramme auszusetzen. Und zwar den im vergangenen Jahr auf Drängen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eingeführten freiwilligen EU-Solidaritätsmechanismus. Mit diesem werden einige Asylsuchende aus Italien nach Deutschland geflogen. Quantitativ handelt es sich zwar um einen nachrangigen Faktor.
Nur 212 Asylbewerber wurden seit der Einführung im Juli 2022 bis zum Jahresende nach Deutschland geholt, fast alle aus Italien und einige aus Zypern. Symbolisch ist diese Umverteilung aber von größtem Interesse für Faeser, denn sie erhofft sich, dass diese freiwillige Aufnahme sich zu einem festen Umverteilungssystem in der EU entwickelt. Der einzige andere große EU-Staat, der dabei zunächst mitmachte, war Frankreich, das aber wenig später wegen Unstimmigkeiten mit Italien ausstieg.
Wichtiger als dieses Symbolprojekt ist das Sonderaufnahmeprogramm für Afghanen seit der Taliban-Machtübernahme. Seit August 2021 sind bisher "27.736 afghanische Staatsangehörige über die laufenden Verfahren zur Aufnahme besonders gefährdeter" Afghanen nach Deutschland eingereist, wie das Bundesinnenministerium mitteilt.
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Monatlich kommen etwa 1000 Personen an, sie werden allerdings nicht aus einer akuten Bedrohungslage gerettet, sondern aus den für sie in aller Regel sicheren Nachbarländern Afghanistans, vor allem Pakistan, nach Deutschland geflogen. Ursprünglich war das Programm auf sogenannte Ortskräfte, also lokale Mitarbeiter der Bundeswehr in Afghanistan, ausgerichtet, wurde dann aber erweitert auf Personengruppen, die für deutsche Entwicklungsprojekte oder private Organisationen dort arbeiteten oder besonders bedroht sind.
Allerdings warb die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der zentrale Akteur der Entwicklungshilfe, schon mindestens 250 neue afghanische Mitarbeiter seit der Machtübernahme der Taliban dort an, während tausende ehemalige Mitarbeiter samt ihren Familien nach Deutschland geflogen werden.
Das jüngste freiwillige Programm installierte die Bundesregierung nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Bisher wurden laut Bundesinnenministerium "2658 Visa an vom Erdbeben Betroffene vergeben" (Stand 10. März). Es ist allerdings anders als die übrigen Programme nicht für eine dauerhafte Aufnahme konzipiert, sondern für einen vorübergehenden Aufenthalt bei Familienangehörigen in Deutschland.
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Deswegen müssen die hier lebenden Türken und Syrer für den Unterhalt der Erdbeben-Opfer sorgen und eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Ob tatsächlich die meisten wieder heimkehren und nicht Asyl beantragen, was in der Regel zum Daueraufenthalt führt, bleibt abzuwarten.
Daneben fliegt Deutschland seit dem EU-Türkei-Abkommen jährlich etwa 3000 Syrer aus der Türkei ein und nimmt wenige Tausend besonders schutzbedürftige Flüchtlinge über das UNHCR-Resettlement aus den überfüllten Lagern in aller Welt auf. Diese Programme bieten den großen Vorteil, jene Schutzsuchenden auszuwählen, die am dringendsten eine Umsiedlung nach Deutschland benötigen. Das ist bei den übrigen Asylbewerbern nicht der Fall. Die mehr als 50.000 Asylbewerber, die in diesem Jahr bereits ins Land kamen, reisen in der Regel unerlaubt aus den sicheren Nachbarländern ein.