Historische Worte:
König Philippe drückt Bedauern über grausame Kolonialzeit aus

30.06.2020

Das gab es noch nie: Zum ersten Mal in der Geschichte Belgiens hat ein König gegenüber der Demokratischen Republik Kongo sein Bedauern über die Verbrechen in der Kolonialzeit geäußert.

Der kongolesische Präsidenten Félix Tshisekedi hat im September des letzten Jahres König Philippe (rechts) in Brüssel einen Besuch abgestattet. | Foto: belga

König Philippe hat anlässlich des 60. Jahrestages der Unabhängigkeit des Kongos einen entsprechenden Brief an Präsident Félix Tshisekedi verfasst. In seinem Schreiben bringt der 60-jährige Monarch sein "tiefstes Bedauern" über die Gewalt- und Gräueltaten in der früheren belgischen Kolonie unter der Herrschaft von Leopold II. zum Ausdruck.

Leopold II., der von 1865 bis 1909 das belgische Königreich regierte, hatte Teile der heutigen Demokratischen Republik Kongo - den sogenannten Freistaat Kongo - von 1885 bis 1908 als Privatvermögen beherrscht und gnadenlos ausgebeutet. Acht bis zehn Millionen Kongolesen sollen nach Schätzungen von Historikern unter seiner Herrschaft ums Leben gekommen sein - knapp die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Anschließend war das Gebiet bis 1960 belgische Kolonie.

In dieser Zeit sei in dem Land viel Leid verursacht und das kongolesische Volk erniedrigt worden. "Ich möchte mein tiefstes Bedauern für die Verletzungen der Vergangenheit ausdrücken, deren Schmerz heute durch die immer noch allzu gegenwärtigen Diskriminierungen in unseren Gesellschaften erneuert wird. Ich werde weiter gegen alle Formen des Rassismus kämpfen" , ließ König Philippe in seinem Brief, der historisch ist, verkünden. Es war nämlich das erste Mal, dass ein amtierendes belgisches Staatsoberhaupt so Stellung zur belgischen Kolonialvergangenheit bezieht.

Er unterstütze auch den Reflexionsprozess des belgischen Parlaments, damit die Erinnerung befriedet werden möge.

Nach dem gewaltsamen Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd in Polizeigewahrsam in den USA hatte es auch in Belgien in den vergangenen Wochen Demonstrationen gegen Rassismus gegeben. Vor dem Hintergrund der weltweiten Rassismus-Proteste ist hierzulande eine Kontroverse über die Rolle des früheren Königs Leopolds II. entbrannt. Einige Bürger fordern in einer Online-Petition, dass die Statuen des Königs landesweit entfernt werden. (belga/red/dpa)


Quelle: Grenzech vom 30.06.2020

Belgischer Prinz verteidigt Kongo-Politik des umstrittenen Königs Leopold II.

12. Juni 2020,

Laurent von Belgien: Da der Monarch nie im Kongo war, konnte Bevölkerung nicht unter dessen Herrschaft leiden

Prinz Laurent von Belgien verteidigt König Leopold II.
Foto: REUTERS/YVES HERMAN

Brüssel/Kinshasa/Brazzaville - Im Streit um Belgiens Kolonialpolitik im Kongo und die Entfernung von Statuen aus dieser Zeit hat sich am Freitag Prinz Laurent von Belgien, der jüngere Bruder des heutigen Königs Philippe, zu Wort gemeldet. Er habe kein Verständnis für die Kritik an seinem Vorfahren: König Leopold II. (1835-1909) sei schließlich nie in den Kongo gereist. Die Menschen dort hätten also nicht unter ihm leiden können, sagte er der "Sudpresse".

Händeabhacken als Strafe

Wegen der brutalen belgischen Kolonialherrschaft im Kongo im 19. und 20. Jahrhundert ist das Andenken an Leopold II. seit langem umstritten. Unter seiner Herrschaft wurde der Kongo systematisch ausgeplündert. Millionen Menschen kamen unter der Terrorherrschaft ums Leben, wenn ein Arbeiter es nicht schaffte, die vorgebene Quote zu erfüllen, wurden ihm oder seiner Familie die Hände abgehackt.

Um die Jahrhundertwende kamen die Gräuel nach und nach ans Licht. Laut Adam Hochschild, dem Verfasser der Biografie "König Leopolds Geist", kam unter der Herrschaft des umstrittenen Monarchen die Hälfte der Bevölkerung des "Kongo-Freistaats" ums Leben.

Straßenschilder übermalt

In der Nacht auf Freitag wurden in Brüssel erneut Leopold-Statuen beschädigt, Straßenschilder mit seinem Namen wurden übermalt. Zudem gibt es Online-Petitionen mit zehntausenden Unterschriften, die einen Abbau der Statuen fordern. "Für die afrobelgische Gemeinschaft sind die Statuen in der Öffentlichkeit wie psychologische Gewalt, weil sie die Verbrechen banalisieren", sagte Esther Kouablan vom rassismuskritischen Verband Mrax.

Sie kritisierte eine fehlende Aufarbeitung der Kolonialzeit in Belgien. "Das spielt keine Rolle, in Schulbüchern zum Beispiel." Kouablan schlug vor, Statuen in Museen zu schaffen. Einige Denkmäler wurden infolge der Proteste bereits abgebaut.

Symbole des Kolonialismus

Ein Aktivist sagte dem Sender RTBF, der die Aktion filmte, es gebe "zu viele Symbole des Kolonialismus in Brüssel". Vor der Brüsseler Kathedrale wurde in der Nacht außerdem ein Denkmal für König Baudouin, der von 1951 bis zu seinem Tod 1993 auf dem belgischen Thron saß, mit roter Farbe übergossen.

Auch in anderen europäischen Ländern ist die Diskussion um umstrittene Denkmäler und Straßennamen in vollem Gange. In der portugiesischen Hauptstadt Lissabon wurde die Statue eines katholischen Missionars aus dem 17. Jahrhunderts mit roter Farbe beschmiert, wie die Stadtverwaltung am Freitag mitteilte.

In der englischen Hafenstadt Bristol hatten Demonstranten am Sonntag die Statue des britischen Sklavenhändlers Edward Colston vom Sockel geholt und ins Hafenbecken geworfen. Auch andere umstrittene Denkmäler in Großbritannien gerieten ins Visier der Protestteilnehmer. (red, APA, 12.6.2020)


Quelle: Der Standard vom 12.06.2020

Leopold-Statue im Afrikamuseum von Tervuren. / Foto: REUTERS/Yves Herman
Hochdruckreinigung für eine Leopold-Statue in Brüssel / Foto: AP/Francisco Seco