Kassenärzte-Chef Heckemann wettert über "Klimaterroristen" und Genderpolitik

von MDR SACHSEN
Stand: 21. Dezember 2022, 14:59 Uhr

Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsens, Klaus Heckemann, hat im hauseigenen Mitteilungsblatt provokante Ansichten veröffentlicht. Im Editorial wirft er Medien und Politik zum einen wegen des Genderns und der Geschlechterfrage eine "Ideologiegetriebenheit mit pseudoreligiösen Zügen" vor. Zum anderen rechnet Heckemann mit den - so wörtlich - "Klimaterroristen" der "Letzten Generation" ab.

Kollegen, Sozialministerium und Politiker distanzieren sich vom Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Dr. Klaus Heckemann.
Bildrechte: imago images/Sven Ellger

Mit einer Online-Petition haben sich am Mittwoch mehr als 300 Ärzte und Kritiker (Stand: 15 Uhr) gegen die Äußerungen des Chefs der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS), Klaus Heckemann, positioniert. "Nicht in unserem Namen - Herr Heckemann, bitte nur Gesundheitspolitik" - lautet deren Überschrift. Kritisiert wird der Inhalt des Editorials von Heckemann im aktuellen KVS-Blatt. Es sei Amtsanmaßung, äußerte sich einer der Initiatoren der Petition dazu. "Wir als unterzeichnende Ärzteschaft fühlen uns mit diesen Meinungen nicht vertreten. Solche Äußerungen schaden dem Land Sachsen und der Ärzteschaft."

Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Heckemann das KV-Organ für seine persönliche politische Agitation benutzt.
Initiatoren der Petition

Man nehme ein stark an Verschwörungstheorien erinnerndes Raunen wahr, wenn Heckemann von einem eingeengten Meinungskorridor schreibe oder vom Interesse einer nicht genau benannten Gruppe an der besseren Regierbarkeit der Bevölkerung, um eine neue Diktatur zur errichten. Die Unterschreibenden fordern deshalb die KVS auf, sich von solchen Äußerungen zu distanzieren. Man erwarte von der Vertreterversammlung der KVS eine Stellungnahme und wolle, dass mit der Petition die Diskussion in die Öffentlichkeit getragen wird.

Heckemann spricht von "unseliger Identitätspolitik" und "Klimaterrorismus"

In seinem Vorwort in der Dezember-Ausgabe der KVS-Mitteilungen hat Heckemann Medien und Politik hinsichtlich des Genderns eine "Ideologiegetriebenheit mit pseudoreligiösen Zügen" vorgeworfen. Hier werde gegen den erklärten Willen der Mehrheit über Sprache das Denken manipuliert. Gleiches gelte für die "unselige Identitätspolitik, die die Gesellschaft immer weiter auseinandertreibt", um sie damit besser regierbar zu machen?, wie Heckemann als Frage anschließt.

Außerdem rechnet der KVS-Chef mit den Demonstrierenden der Klimaschutzbewegung "Letzte Generation" ab. Diese seien am Unfalltod der Radfahrerin in Berlin mitschuldig, weil ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr wegen einer Straßenblockade nicht zum Unfallort durchkam. Heckemann unterstellt in seinem Text der vor Ort gewesenen Notärztin "bedingungslose Sympathie für die Klimaterroristen oder aber persönliche Angst vor Repressionen", aufgrund ihrer Aussage, sie hätte das Bergungsfahrzeug nicht gebraucht.

Shitstorm im Internet und Distanzierungen

Heckemanns provokanter Weihnachtsbrief hat einen Shitstorm auf der Internetplattform Twitter ausgelöst. Während ihm im Netz Hetze, eine rechte Gesinnung und Verschwörungsschwurbelei vorgeworfen werden, distanziert sich Sachsens Sozialministerium in einer Mitteilung von Heckemanns Meinungen. Seine Einlassungen seien in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der KVS nicht zielführend und würden auch nicht der Verantwortung und der Arbeit der KVS gerecht. "Im gesundheitspolitischen Bereich gibt es eine Vielzahl von Herausforderungen, die von den Beteiligten nur gemeinsam bewältigt und gelöst werden können. Selbstverwaltung und Politik müssen konstruktiv und sachlich zusammenarbeiten", so das Ministerium.

Jurist über die Aussagen einer Person im öffentlichen Dienst

Der Chef einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie es die KVS ist, unterliege sehr wohl bestimmten Einschränkungen bei der Äußerung von Meinungen, erklärt der Dresdner Jurist Silvio Lindemann auf Anfrage von MDR SACHSEN. Zwar gelte für den Bürger das grundgesetzlich geschützte Recht zur freien Meinungsäußerung, dieses sei aber für eine Person im öffentlichen Dienst eingeschränkt. "Der Chef einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, zumal hier der Kassenärztlichen Vereinigung, unterliegt einer besonderen politischen Loyalitäts-, Zurückhaltungs- und Treuepflicht. Dies bedeutet, dass sich Heckemann mit solchen Äußerungen zurückhalten müsse, die dem Ansehen und der Neutralität der Kassenärztlichen Vereinigung schaden könnten, so Lindemann.

Heckemann rudert nicht zurück

Dass die KVS zu politischer Neutralität verpflichtet ist, daran will auch die Kassenärztliche Vereinigung nicht rütteln. "Das bedeutet allerdings nicht, dass es untersagt wäre, in unserem Publikationsorgan auch eine klare Meinung zu Entwicklungen zu äußern, wenn diese einen Bezug zu ärztlichem Handeln im Allgemeinen haben", heißt es in einer Stellungnahme der KVS.

Darin wird angeführt: Es sei sehr bedauerlich, dass die öffentliche Diskussion Herrn Dr. Heckemann eine politisch "rechtsgerichtete" Haltung unterstellt. Heckemann selbst relativiert seine Aussagen im Nachhinein nicht, heißt es auf Nachfrage von MDR SACHSEN. Der Kassenärzte-Chef habe grundsätzlich mit einem Echo auf sein Editorial gerechnet. Allerdings in einer etwas geringeren Dimension.


Quelle: