Dienstag, 22.12.2020, 10:09
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat im Sommer 2019 Markus Leyck Dieken, einen langjährigen Bekannten, der zuvor der Eigentümer seiner Wohnung war, zum Chef-Digitalisierer im Gesundheitswesen ernannt. Leyck Dieken war zuvor Pharma-Manager und Lobbyist. Die persönliche Beziehung und Immobiliengeschäfte der beiden waren bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannt. "Tagesspiegel"-Recherchen deckten nun auf, wie eng die beiden beruflich und privat verbunden sind.
Wie das Amtsgericht Schöneberg bestätigte, war Leyck Dieken vor Spahn Eigentümer von dessen Wohnung im Berliner Bezirk Schöneberg. Den Unterlagen zufolge, habe Leyck Dieken die Wohnung zum Preis von 980.000 Euro an Spahn verkauft, der seit Anfang Januar 2018 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sei.
Der gelernte Internist und Notfallmediziner Leyck Dieken ist Geschäftsführer der Gematik GmbH. Das Unternehmen soll an digitalen Strukturen, unter anderem für die elektronische Patientenakte und das E-Rezept, arbeiten. Im Sommer 2019 setzte Spahn Leyck Dieken an die Spitze. Auf Spahns Wunsch übernahm der Bund im Frühjahr 2019 die Mehrheit an der Gematik Gesellschaft. Zuvor war sie vom Spitzenverband der Krankenkassen GKV sowie Ärzte- und Apothekerverbänden getragen worden.
Offenbar überrumpelte Spahn die Mitgesellschafter mit seiner Entscheidung auf Grundlage der neuen Bundes-Mehrheit von 51 Prozent. "Das ist nicht zwingend ein Beispiel für gute Zusammenarbeit", sagte GVK-Chefin Doris Pfeiffer. Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International erklärte in diesem Zusammenhang, dass Spahn bereits als Bundestagsabgeordneter nebenbei als Teilhaber einer Lobbyagentur eine Nähe zu Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor hatte. "Mit der Berufung von Leyck Dieken zerstört Spahn das Vertrauen in seine Pläne für die elektronische Patientenakte", hieß es damals. Der Minister habe der Pharma-Industrie damit die führende Position zugeschoben.
Der Wohnungskauf soll beruflich keine Rolle spielen, sagt ein Sprecher. Spahn habe die Immobilie mit seinem Ehemann zu einem "marktüblichen Preis" im August 2017 erworben, hieß es auf "Tagesspiegel"-Nachfrage. "Zu dem Zeitpunkt war Spahn weder Bundesminister für Gesundheit, noch war eine solche Ernennung absehbar, noch hielt das Bundesministerium für Gesundheit damals Anteile an der Gematik", erklärte ein Sprecher.
Leyck Dieken habe sich "in einem offenen, transparenten Verfahren" gegen sieben Mitbewerber durchgesetzt, erklärte das Ministerium. Er erhält ein Gehalt von 300.000 Euro pro Jahr, 110.000 höher als das seines Vorgängers. Dies sei auf Grundlage einer Analyse von der Personalberatung Kienbaum Consultants über die Vergütung vergleichbarer Positionen festgesetzt worden. Die vertraglichen Regelungen seien "markt- und leistungsgerecht".
Spahn habe er vor einigen Jahren bei Veranstaltungen zur Arzneimittelversorgung lange vor dessen Berufung zum Bundesminister kennengelernt, bestätigte Leyck Diecken. Seitdem würden sie sich regelmäßig treffen und austauschen. Gematik und Gesundheitsministerium teilten mit, dass außer dem Immobiliengeschäft zwischen Leyck Dieken und Spahn keine weiteren wirtschaftlichen, geschäftlichen, vertraglichen Kontakte oder Beziehungen bestehen oder bestanden hätten.
Quelle: focus vom 23.12.2020