Das Leiden mit von der Leyen

Die Präsidentin der EU-Kommission hat in einem Wahlkampfspot den kroatischen Regierungschef Andrej Plenkovic unterstützt. Eine Lappalie ist das nicht: Die EU-Verträge verpflichten die Deutsche zur parteipolitischen Neutralität. Hat Ursula von der Leyen die Bodenhaftung verloren?

Daniel Steinvorth, Brüssel 06.07.2020,

Die EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen
Abir Sultan / EPA

Ob Ursula von der Leyen die richtige Frau für den wichtigsten Posten der EU ist, darüber gehen seit ihrer Wahl vor einem Jahr die Meinungen auseinander. Nie verziehen haben ihr manche Europaabgeordneten den Weg in ihr Amt, der nicht über das System der Spitzenkandidaten, sondern klassisch durch die Hinterzimmer der Staats- und Regierungschefs führte.

Einige waren später immerhin versöhnt, als sie das ehrgeizige Programm der EU-Kommissions-Präsidentin hörten: Vom Klimaschutz über die Digitalisierung bis zum Schutz der europäischen Aussengrenzen hatte die 61-Jährige für fast jedes politische Lager etwas anzubieten. Weil die in Brüssel geborene, polyglotte Pro-Europäerin zudem gute persönliche Voraussetzungen für den Job mitbrachte, übersah man gerne die Pannen und Affären in ihrem früheren Job als Verteidigungsministerin in Berlin.

Dann allerdings kam die Corona-Krise, und es wurde stiller um von der Leyen. Nicht völlig still: In engagierten Videos, gefilmt aus dem Berlaymont-Gebäude, ihrem Brüsseler Arbeits- und Wohnsitz, erklärte die Kommissionschefin den Italienern ihr Mitgefühl - und den Bürgern Europas, wie sie sich sorgfältig die Hände waschen sollten. Den nationalen Alleingängen der Mitgliedstaaten bei den Grenzschliessungen und Hilfsprogrammen vermochte sie aber nicht viel entgegenzusetzen. Man kann darüber streiten, ob dies nur an den mangelnden Kompetenzen ihres Amtes oder nicht auch an ihrem defensiven Auftreten lag.

Seit dem Wochenende ist die Liste ihrer Fehltritte um ein Stück länger geworden. Es geht um ein Video, in dem führende Politiker der Europäischen Volkspartei (EVP) Wahlkampfhilfe für den kroatischen Regierungschef Andrej Plenkovic leisten. Zu sehen sind neben von der Leyen unter anderen die deutsche CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, die alle das Wahlkampfmotto von Plenkovics Partei "Sigurna Hrvatksa" ("Sicheres Kroatien") aufsagen.

Nur gut zwei Sekunden dauerte der Auftritt von der Leyens, in dem sie sich lächelnd mit der kroatischen Sprache abmüht. Doch es ist ein klarer Verstoss gegen den Verhaltenskodex ihrer Behörde. Dieser verbietet jegliche öffentliche Äusserung und "jeglichen Auftritt im Namen einer politischen Partei". Die Präsidentin der EU-Kommission ist also völlig unmissverständlich zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Was hat die erfahrene Politikerin geritten, dass sie sich trotzdem vor den Karren von Plenkovic spannen liess?

Es habe sich um einen "persönlichen Beitrag" von der Leyens gehandelt, erklärte ihr Sprecher Eric Mamer in einem ersten Rechtfertigungsversuch auf Twitter. Bedauerlicherweise sei dies "in der finalen Version des Videos nicht klargestellt" worden. So sei auch der offizielle Titel der Kommissionspräsidentin erst in Zagreb hinzugefügt worden, sagte Mamer. Als Privatperson ist von der Leyen, die im Berlaymont-Gebäude vor dem Hintergrund einer EU-Flagge spricht, allerdings in dem Video nicht zu identifizieren. Auf die von Journalisten am Montag wiederholt gestellte Frage, ob die Kommissionspräsidentin sich für den Fehler entschuldigen werde, antwortete der Sprecher nicht.

Wurde von der Leyen einmal mehr schlecht beraten? Das ist gut möglich. Es kann aber auch sein, dass die Deutsche, an der sich die Geister scheiden, allmählich die Bodenhaftung verliert. Nur eine Lappalie ist der peinliche Auftritt jedenfalls nicht.


Quelle: Neue Züricher Zeitung


Kommentar:

Heinz-Jürgen Geib

Bei Frau von der Leyens politischem Werdegang fallen zwei Umstände auf: Auf jeden wichtigen Posten ist sie von Frau Dr. A. Merkel gehievt worden, nicht durch Wahlen aufgrund selbst erworbenen Ansehens. Und: Auf jedem dieser wichtigen Posten hat sie sich bisher durch absolute Inkompetenz ausgezeichnet.

Ich finde nur eine Erklärung: Auf jeder dieser wichtigen politischen Positionen konnte und wurde/wird sie mangels eigener Kompetenz von Frau Dr. A. Merkel gelenkt. Genau deswegen hat Frau Dr. A. Merkel sie auf diese wichtigen Positionen gehievt.