22. November 2020, 16:26 Uhr Aktualisiert am 22. November 2020, 17:02 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, KNA,
Es brauchte zahllose Abstimmungen, Redebeiträge aus Delegiertenwohnzimmern und etliche Überstunden - doch am Sonntagnachmittag nahm der dreitätige digitale Grünenparteitag mit seinen rund 800 Delegierten ein neues Grundsatzprogramm an, das vierte in vier Jahrzehnten. Es trägt den Titel Zu achten und zu schützen - Veränderung schafft Halt und soll für die kommenden 15 bis 20 Jahre gültig bleiben. Detaillierte Forderungen für die Bundestagswahl 2021 enthält das Programm nicht: Diese sollen erst im kommenden Jahr beschlossen werden.
Zu den Kernpunkten des Programms zählt ein Bekenntnis der Grünen zu den 2015 auf UN-Ebene verabschiedeten Pariser Klimazielen. "Zentrale Grundlage für die Politik der Grünen sind das Klimaabkommen von Paris und der Bericht des Weltklimarats zum 1,5 Grad-Ziel", heißt es dazu in dem Papier. Dabei geht es darum, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Teile der Basis und die Klimaschutzbewegung hatten von den Grünen zuvor ein stärkeres Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel gefordert.
Schulen und Kitas sollen laut dem Programm bundesweit kostenlos werden. Dazu zählen die Grünen auch digitale Endgeräte wie Tablets und Laptops, Software und Internetzugang für Lernende sowie Lehrende. Außerdem soll es einen staatlichen Bildungszuschuss geben, der von Eltern, Alter und Leistungen unabhängig ist und nicht zurückgezahlt werden muss.
Weiter beschlossen die Grünen, dass das Wahlalter wie bereits in manchen Bundesländern auch im Bund sinken solle.
Beim Thema Existenzsicherung setzen die Grünen auf eine Ablösung des Hartz-IV-Systems durch eine "Garantiesicherung". "Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle Existenzminimum", heißt es dazu. Die Sicherung soll "ohne weitere Bedingungen für jeden Menschen gelten, dessen eigene finanzielle Mittel nicht ausreichen" - also nicht bedingungslos gezahlt werden. Zugleich betonen die Grünen aber: "Dabei orientieren wir uns an der Leitidee eines bedingungslosen Grundeinkommens."
Im Bereich Wirtschaft setzt die Ökopartei künftig auf eine "sozial-ökologische Marktwirtschaft". Wachstum, Effizienz, Wettbewerb und Innovation seien keine Ziele an sich, sondern "Mittel zum Zweck": "Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, die mit Wachstumszwängen einhergehende Übernutzung natürlicher Ressourcen und Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft schon."
Zum Thema Polizei heißt es in dem Programm: "Sie braucht eine diskriminierungssensible Aus- und Weiterbildung, eine gute Ausstattung und ausreichend Personal - in der Stadt und auf dem Land - sowie unabhängige Polizeibeauftragte." Als Partei selbst wollen die Grünen laut Beschluss vielfältiger werden, verzichten aber auf feste Quoten etwa für Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergrund. Stattdessen heißt es im Programm: "Die Repräsentation von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen Ebene ist unser Ziel."
Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, KNA
22. November 2020, 14:47 Uhr
"Volksentscheide werden polarisieren", mahnte Habeck. "Sie werden nicht den Diskurs in der Gesellschaft befördern, sondern die Spaltung der Gesellschaft." Der Grünenbundestagsabgeordnete Jürgen Trittin sagte, es gehe mehr denn je darum, die parlamentarische Demokratie zu stärken, und verwies dabei auch auf das Bedrängen von Bundestagsabgeordneten durch Gäste der AfD in der vergangenen Woche.
Das ins Grundsatzprogramm aufgenommene Modell der Bürgerräte sieht vor, dass bei ausgewählten Themen die Alltagsfachkenntnis von Bürgern in die Gesetzgebung einfließt. Dafür sollen Bürger per Los ausgewählt werden.
Für bundesweite Volksabstimmungen hatte unter anderem Grünenbundesgeschäftsführer Michael Kellner geworben. Durch Volksabstimmungen würden in Deutschland nur progressive Anliegen durchgesetzt, sagte er auf dem digitalen Parteitag. "Lasst uns mutig sein", forderte Kellner. Es sei wichtig, "dass Menschen nicht nur alle vier Jahre entscheiden können". Der von ihm unterstützte Antrag erhielt 46,36 Prozent der Delegiertenstimmen.
Im entsprechenden Kapitel "Demokratie stärken" des Grundsatzprogramms heißt es, die Demokratie habe ein erhebliches Repräsentationsdefizit, wenn Millionen Jugendliche und Kinder ausgeblendet würden, obwohl sie von Geburt an Staatsbürger seien. "Entsprechend sollte im nächsten Schritt ein bundesweites Wahlrecht ab 16 Jahren gelten und es sollten weitere Beteiligungsmöglichkeiten auf allen Ebenen ausgebaut werden."
Die Schlussabstimmung über das gesamte neue Grundsatzprogramm findet am Sonntagnachmittag statt.
Quelle: zeit.de vom 22.11.2020