Abschiebeverbot: Gericht untersagt Abschiebung nach Afghanistan wegen Verelendung Abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan dürfen derzeit nicht abgeschoben werden. Ein Gericht begründete dies mit der schlechten Wirtschaftslage infolge der Pandemie.

3. Februar 2021, 15:20 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, gra 384 Kommentare

Polizeibeamte begleiten einen Afghanen auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug.
© Michael Kappeler/dpa

Deutschland darf auch gesunde Männer im arbeitsfähigen Alter nur unter besonderen Umständen nach Afghanistan abschieben. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg. Die Richter gaben damit der Klage eines abgelehnten Asylbewerbers statt. (Az. A 11 S 2042/20) Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.

Eine Abschiebung komme derzeit nicht infrage, weil es dem Mann in Afghanistan "angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge der Covid-19-Pandemie voraussichtlich nicht gelingen wird, auf legalem Wege seine elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen". Insofern gelte ein nationales Abschiebeverbot für das Land.

Ausnahmen könne es nur bei "besonders begünstigenden Umständen" geben, erklärten die Richter. Dazu zählten Fälle, in denen sich abgelehnte Asylbewerber auf ein "übernahmebereites und tragfähiges familiäres oder soziales Netz" stützen könnten, das ihre Grundversorgung garantiere. Ein aus dem westlichen Ausland zurückgekehrter alleinstehender Mann habe dagegen angesichts der Wirtschaftslage infolge der Pandemie "keine realistische Aussicht", auf dem Markt für Tagelöhner eine Arbeit zu finden.

Ablehnung des Asylantrags bleibt bestehen

Das Mannheimer Gericht stützte seine Entscheidung auf mehrstündige mündliche sowie schriftliche Auskünfte einer Sachverständigen sowie die "Auswertung einer Vielzahl von Erkenntnismitteln", insbesondere zur Lage in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Klägers seien sie dabei zu der Überzeugung gelangt, dass eine Abschiebung in seinem Fall derzeit nicht infrage komme. Die Ablehnung seines Asylantrags sei jedoch korrekt. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Dagegen können die Beteiligten aber noch beim Bundesverwaltungsgericht vorgehen.

Im Dezember war erstmals seit Monaten wieder ein Flugzeug mit 30 abgelehnten Asylbewerbern von Deutschland nach Afghanistan geflogen. Es war die 34. Sammelabschiebung seit dem ersten derartigen Abschiebeflug im Dezember 2016. Abschiebungen nach Afghanistan sind generell umstritten. Trotz der Aufnahme von Friedensgesprächen geht der Bürgerkrieg in dem Land mit den radikalislamischen Taliban weiter. In den vergangenen zehn Jahren wurden dabei mehr als 100.000 Zivilistinnen und Zivilisten getötet oder verletzt. Im laufenden Jahr flohen nach UN-Angaben etwa 300.000 Menschen vor dem Konflikt.


Quelle: zeit.de vom 03.02.2021


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